Schwedische Soldaten patrouillieren auf Gotland: Kurz vor dem russsichen Überfall auf die Ukraine verstärkte Schweden seine militärische Präsenz auf der strategisch wichtigen Ostseeinsel. Foto: picture alliance/Karl Melander/TT

12.07.2022

Schweden: Mit dem Prinzip der glaubhaften Abschreckung bestens vertraut

In der vergangenen Woche hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das den Weg für den NATO-Beitritt von Schweden und Finnland freimacht. Beide Staaten geben damit eine lange Tradition der Neutralität auf. Hier blicken wir auf den Beitrittskandidaten Schweden.

Wohl kaum ein Land der Welt – von der Schweiz abgesehen – ist so eng mit dem Begriff der Neutralität verbunden wie Schweden. Doch das ist jetzt, was selbst viele Schweden noch vor wenigen Monaten kaum für möglich gehalten hätten, Geschichte. Der 24. Februar 2022 hat auch in dem skandinavischen Land für ein Umdenken gesorgt – Schweden wird Mitglied der NATO.

Es ist lange her, dass Schweden zum letzten Mal einen Krieg führte. Das war im Sommer 1814, als die Schweden gegen ihre Nachbarn, die Norweger, zu Felde zogen. Nach nur zwei Wochen war der Krieg vorbei, Norwegen musste sich bis 1905 gedulden, ehe es die vollständige Unabhängigkeit erlangte. Für Schweden jedoch begann eine lange Periode des Friedens, die bis heute anhält. Selbst im Zweiten Weltkrieg blieb Schweden von den Schrecken in ganz Europa unberührt.

Auch im Kalten Krieg blieb das Land neutral, setzte dabei auf eine glaubhafte Abschreckung, um diesen Status inmitten der großen Machtblöcke in Ost und West aufrecht zu erhalten. Das war auch notwendig, vor allem gegenüber der Sowjetunion. Immer wieder drangen mutmaßlich sowjetische U-Boote in schwedische Hoheitsgewässer ein, mehrmals reagierte die schwedische Marine mit Warnschüssen, aber auch dem Abwurf von Wasserbomben.

Der wohl bemerkenswerteste Vorfall ereignete sich im Oktober 1981 und ging als „Whiskey-on-the-rocks“-Vorfall in die Geschichte ein. Wie der „Spiegel“ im November 1981 berichtete, hörte ein schwedischer Fischer namens Ivar Svensson am Abend des 27. Oktober einen „lauten Bums“, später in der Nacht immer wieder das laute Aufheulen eines Schiffsdiesels. Am nächsten Morgen erkannte Svensson, was in den Gewässern der Insel Sturkö passiert war: Das sowjetische U-Boot U-137 war auf Grund gelaufen. Svensson meldete den Vorfall an den schwedischen Marinestützpunkt Karlskrona: „Vor meiner Haustür liegt ein sowjetisches U-Boot. Es ist zum Kotzen, dass die Russen zwischen meinen Flundernetzen herumfahren dürfen.“ Es kam zum diplomatischen Eklat. Ein Matrose des sowjetischen Boots der Whiskey-Klasse erklärte einem schwedischen Marineoffizier nur knapp: „Kompass kaputt.“

Über den damaligen Vorfall mag man heute lächeln, doch auch heute noch sieht sich Schweden durch den Ostseeanrainer Russland bedroht. Russische Flugzeuge und U-Boote kommen schwedischem Hoheitsgebiet immer wieder gefährlich nahe. Im Januar dieses Jahres, als die russische Bedrohung gegenüber der Ukraine immer greifbarer wurde, reagierte Schweden und verstärkte seine Garnison auf der Insel Gotland, ließ dort Schützenpanzer auffahren. Die in der Ostsee zwischen Schweden und den baltischen Staaten gelegene Insel ist von strategisch hoher Bedeutung.

Auch wenn Schweden nur eine kleine Streitmacht von knapp 24.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten aufbietet, so sind diese gut organisiert und ausgestattet. Das Land verfügt über eine starke Rüstungsindustrie und ist mit leistungsfähigen Kampfjets wie der JAS-39 Gripen und modernen Marineeinheiten ausgerüstet. Angesichts der seit der Annexion der Krim durch Russland wieder gestiegenen Spannungen in Europa führte Schweden 2017 die sieben Jahre zuvor ausgesetzte Wehrpflicht wieder ein.

Die Integration in die Strukturen der NATO sollte kein allzu großes Problem darstellen: Schweden ist mit dem Bündnis bereits seit 1994 durch die Initiative Partnerschaft für den Frieden verbunden, es finden regelmäßig gemeinsame Übungen statt. Auch an zahlreichen Auslandseinsätzen haben sich schwedische Soldaten schon beteiligt, etwa im Kosovo und in Afghanistan. Für sein Militär gab Schweden im vergangenen Jahr 6,7 Milliarden US-Dollar aus. Bis 2025 sollen die Ausgaben auf 9,3 Milliarden US-Dollar angehoben werden.

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