Dass den Soldatinnen und Soldaten in Ausbildung, Übung und Einsatz nicht immer und überall gute Ausrüstung zur Verfügung stehe, sei inakzeptabel, sagte die Wehrbeauftragte Eva Högl. Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Dass den Soldatinnen und Soldaten in Ausbildung, Übung und Einsatz nicht immer und überall gute Ausrüstung zur Verfügung stehe, sei inakzeptabel, sagte die Wehrbeauftragte Eva Högl. Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler

19.11.2020
Yann Bombeke

Wehrbeauftragte zum Jahresbericht 2019: „Zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie“

Als der damalige Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels im Januar seinen Jahresbericht vorstellte, hatte man bei vielen Punkten so etwas wie ein „Déjà-vu“ – viele Probleme und Missstände, die im Bericht benannt wurden, sind seit langem bekannt. Heute befasste sich der Bundestag in zweiter Lesung mit dem Bericht.

Bartels Nachfolgerin im Amt, Eva Högl, eröffnete die Debatte, indem sie Bartels für seine „engagierte Wahrnehmung des Amtes“ dankte. Högl sagte, dass sie die Sommermonate für viele Truppenbesuche und gute Gespräche mit Soldatinnen und Soldaten genutzt habe. Die SPD-Politikerin bedauerte es, dass sie aufgrund der Corona-Pandemie noch nicht in die Einsatzgebiete der Bundeswehr reisen konnte. Die Pandemie beschäftige und belaste die Bundeswehr ebenso sehr wie die gesamte Gesellschaft.

„Ausbildung, Übung und Einsatz sind stark beeinträchtigt durch die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen“, sagte Högl. Der Ausfall der Auswahlkonferenz für Feldwebel habe Unverständnis hervorgerufen und zu viel Unruhe in der Truppe geführt. Die nach wie vor geringen Infektionszahlen in der Bundeswehr zeigten aber, dass das Hygienekonzept des Sanitätsdienstes genau richtig sei. „Auch wenn die Quarantäne unangenehm ist und mich dazu zahlreiche Eingaben erreicht haben – es geht nicht anders“, sagte die Wehrbeauftragte. Sie dankte ausdrücklich allen Angehörigen der Bundeswehr, die seit Ausbruch der Pandemie Amtshilfe leisten, „für ihre großartige Unterstützung“. Und weiter: „Auch wenn das nicht der Kernauftrag der Bundeswehr ist, zeigt es, was unsere Truppe kann.“

Aktuell bereite der geplante US-Truppenabzug aus Afghanistan Sorge. „Es ist gut, dass die Bundeswehr bereits Vorbereitungen für einen geordneten Rückzug getroffen hat.“ Oberstes Gebot sei die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten, so Högl.

Der Jahresbericht 2019 beschreibe die bekannten, seit Jahren bestehenden und leider noch aktuellen Probleme der Bundeswehr. „Zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie“, stellte die Wehrbeauftragte fest. Dass den Soldatinnen und Soldaten in Ausbildung, Übung und Einsatz nicht immer und überall gute Ausrüstung zur Verfügung stehe, sei inakzeptabel. An Annegret Kramp-Karrenbauer gerichtet sagte Högl: „Es wäre gut, Frau Ministerin, wenn wir nicht erst 2031, sondern deutlich davor feststellen können, dass unsere Soldatinnen und Soldaten bestens ausgestattet sind. Das muss absolute Priorität haben.“ In diesem Zusammenhang begrüßte es die Wehrbeauftragte, dass die Verteidigungsministerin in ihrer jüngsten Grundsatzrede erklärt habe, dass die Grundausstattung und die Mittel des täglichen Betriebs in Zukunft Vorrang haben sollen.

Aber auch die materielle Einsatzbereitschaft von aktuell etwas über 70 Prozent müsse deutlich erhöht werden, 2019 habe es kaum Fortschritte gegeben. Zudem sei absolut unverständlich, warum es nicht gelingt, selbst die Beschaffung von kleineren Ausrüstungsgegenständen wie Schutzwesten, Gehörschutz oder Rucksäcken deutlich zu beschleunigen. „Die Strukturen und Prozesse müssen dringend verändert werden“, sagte Högl, „das zeigen leider auch die gerade erst gescheiterten Vergabeverfahren beim schweren Transporthubschrauber und beim neuen Sturmgewehr“. Mehr Flexibilität, mehr Verantwortungsbewusstsein und klarere Entscheidungsstrukturen seien erforderlich.

Auch auf das Thema Wehrpflicht ging Högl ein und betonte, dass sie niemals eine Rückkehr zur alten Wehrpflicht gefordert habe. Allerdings sei die Aussetzung 2011 ein Fehler gewesen, „vor allem ohne Konzept“. Högl regte an, im kommenden Jahr, zehn Jahre nach der Aussetzung, ruhig und sachlich zu diskutieren, „wo wir heute stehen und ob wir mit den bisherigen Konzepten genügend junge Leute und einen ausreichenden Querschnitt unserer Gesellschaft für die Bundeswehr begeistern“.

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer ging zu Beginn ihrer Rede auf die Pläne des US-Präsidenten zum Truppenabzug aus Afghanistan und dem Irak ein. „Das ist keine gute Entscheidung für die Nato, für unsere Freunde und Partner in den Operationen Resolute Support und Counter Daesh und vor allem ist es keine gute Entscheidung für die Menschen in Afghanistan und im Irak“, sagte die Ministerin. Man habe aber damit gerechnet, dass eine solche Truppenreduzierung möglich sei und sich darauf vorbereitet. „Die Bundeswehr hat Fachleute vor Ort, so dass die Folgen der Truppenreduzierung schnell eingeschätzt und geeignete Maßnahmen umgesetzt werden können“, sagte Kramp-Karrenbauer. Jetzt komme es darauf an, im engen Austausch mit der Nato und den Partnern festzustellen, welche Unterstützung die verbleibenden US-Truppen in Afghanistan leisten werden und welche Möglichkeiten die Allianz hat, ihren Auftrag zu erfüllen. Davon hänge ab, ob zum 15. Januar oder danach die Bundeswehr-Mission angepasst werden müsse.

Auf den Jahresbericht 2019 ging Kramp-Karrenbauer nur kurz ein. Die Verteidigungsministerin sagte, dass es trotz erster Erfolge durch die Initiative Einsatzbereitschaft weitere Schritte braucht. „Wir müssen weiter an der Reform des Beschaffungswesens arbeiten“, sagte die Kramp-Karrenbauer.

Berengar Elsner von Gronow (AfD) sagte, dass man den Jahresbericht des Wehrbeauftragten seit Jahren schon mit „Pleiten, Pech und Pannen“ überschreiben könne und warf der Verteidigungsministerin „Schönfärberei“ vor.

Eberhard Brecht (SPD) stellte fest, dass die Bundeswehr in Deutschland einen guten Ruf in der Bevölkerung genieße, aber dass die Deutschen zu wenig über ihre Streitkräfte wüssten. „Die Soldatinnen und Soldaten vertrauen uns, dass wir ihnen den höchstmöglichen Schutz gewähren und sie mit Problemen nicht alleine lassen.“

„Im Nirvana der Beschaffungsbürokratie verschwunden“

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) berichtete von ihrem jüngsten Besuch bei der Marine. Dort seien die Festrumpfschlauchboote immer noch nicht zugelaufen. „Die Spezialkräfte sind frustriert und haben jetzt ihre Fähigkeiten beim Inspekteur abgemeldet“, sagte die Liberalen-Verteidigungspolitikerin, „das Geld ist da, der Auftrag erteilt und im Nirvana der Beschaffungsbürokratie verschwunden.“ Dies seien Symptome „eines komplett in sich gelähmten Systems“, sagte Strack-Zimmermann und verwies auf eine Verantwortungsdiffusion, die ganz oben beginne und „laufmaschengleich bis tief nach unten“ laufe. Strack-Zimmermann rief die Verteidigungsministerin dazu auf, die Strukturen in ihrem Haus zu ändern.

Christine Buchholz (Die Linke) beklagte eine „Höchstzahl von rechtsextremen Verdachtsfällen in der Bundeswehr, Dutzende davon in und um das KSK“. Buchholz forderte das BMVg auf, die Einsatzfähigkeit des KSK nicht vor die Gründlichkeit bei der Aufklärung gegenüber rechtsextremer Vorfälle zu stellen.

Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) forderte im Bezug auf Verdachtsfälle von Rechtsextremismus mehr Prävention. „Es darf nie wieder vorkommen, dass wir über Jahre hinweg eine Häufung von Fällen haben und erst dann tätig werden.“ Und weiter: „Wenn mir in diesen Tagen zu Ohren kommt, dass die Stundenzahl für die politische Bildung von Soldatinnen und Soldaten nicht zunimmt, was sie eigentlich müsste, sondern abnimmt, dann ist hier noch ein weiter Weg zu gehen.“

Kerstin Vieregge (CDU) ging auf die personelle Lage der Bundeswehr ein. „Mit dem Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz und dem Einsatzbereitschaftsstärkungsgesetz haben wir viel für die Bundeswehr getan – Dienstzufriedenheit hat eben auch mit Sozial- und Fürsorgewesen zu tun“, sagte Vieregge, „doch noch immer sind zahlreiche Dienstposten unbesetzt.“ Dieser Mangel treffe zum großen Teil hochqualifiziertes Fachpersonal wie Hubschrauberpiloten, Fernmeldetechniker oder Ärzte.

Reinhard Brandl (CSU) bescheinigte der Wehrbeauftragten einen guten Blick auf die Herausforderungen, vor denen die Bundeswehr steht. Brandl sagte, dass die Bundeswehr im Kern kein attraktiver Arbeitgeber sei. Soldaten, die sich für diesen Beruf entscheiden, nähmen große Entbehrungen für sich und ihre Familien auf sich, so der Unionspolitiker. Das mindeste, das die Politik tun könne, sei, die Rahmenbedingungen für diesen Beruf zu verbessern.

Die vollständige Debatte können Sie HIER verfolgen.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick