Den Auftakt zum Thema Verteidigungspolitik machte heute natürlich die neue Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Foto: dpa/Kay Nietfeld

14.01.2022
Franziska Kelch

Christine Lambrecht im Bundestag: „Wenn’s einfach wäre, würden es andere machen.“

Mit Spannung wurde sie erwartet, die erste Rede der neuen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im Bundestag. Neben der Ministerin erhielten auch die Verteidigungspolitiker der Koalitionspartner und der Opposition das Wort.

Nach der Amtsübergabe am 8. Dezember 2021 hat die Ministerin erste Truppenbesuche nach Litauen, Jordanien und in den Irak unternommen und konnte sich im Austausch mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr einen Eindruck von den anstehenden Aufgaben machen. Bei der 21. Hauptversammlung des BundeswehrVerbandes im Dezember hatte Lambrecht in einer kurzen Rede bereits ihre Pläne für die Bundeswehr skizziert.


Im Bundestag kritisierte Lambrecht eingangs deutlich die gegenwärtigen Aggressionen Russlands und machte klar: Der „russische Aufmarsch an der ukrainischen Grenze verstößt gegen alle Regeln des friedlichen Miteinanders und verdeutlich einmal mehr, dass wir in der Nato und in Europa ganz eng zusammenstehen müssen.“ Sie habe deswegen auch bewusst entschieden, den ersten Truppenbesuch nach Litauen zu unternehmen, denn die Bundeswehr stehe dort „für eine wirksame Abschreckung vor Ort und macht deutlich, die Sicherheit unserer Verbündeten ist unsere Sicherheit.“

Einsätze: Evaluation, Korrekturkurs, Exit-Strategie
Mit Blick auf den Einsatz der Bundeswehr in Jordanien und dem Irak habe sich in den letzten Wochen wieder gezeigt: „Dieser Einsatz ist entbehrungsreich, ja, aber er ist auch gefährlich.“ Und damit leitete sie zu den politischen Projekten über, die sie und die Regierung sich für die kommenden vier Jahre vorgenommen haben. Lambrecht erklärte erneut die Absicht, alle Auslandseinsätze genau zu evaluieren, denn: „Wir schulden es unseren Frauen und Männern.“ Man dürfe sich dabei nicht davor scheuen, „Ziele gegebenenfalls anzupassen“, so die Ministerin. Auch eine Exit-Strategie für jeden Einsatz müsse existieren. Die wichtigste Erkenntnis aus Afghanistan sei: „Jeder Einsatz steht und fällt politisch.“ Angewendet auf die Gegenwart hieße das: „Wenn sich in Mali nichts ändert, kann es ein einfaches weiter so nicht geben.“

Dicke Bretter bohren
Sie wolle „Missstände, die zu oft für Gespött sorgen“ abstellen. Es gehe dabei um die Beschaffung von „Material und persönlicher Bekleidung“ ebenso wie um die von „Panzern und Schiffen“. Die Ministerin kündigte an: „Ich weiß, es ist ein dickes Brett, das zu bohren ist, aber ich werde das Beschaffungswesen gründlich modernisieren. Wenn’s einfach wäre, würden es andere machen.“ Erreichen wolle sie das durch eine „flexiblere Haushaltsführung“, durch Veränderungen im Vergaberecht und indem Strukturen auch auf deren Sinn oder Unsinn überprüft werden. Mit Blick auf die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten in der Amts- und Katastrophenhilfe wolle sie auch prüfen, ob sich Anrechnungsregeln bezüglich der Zulagen von der Polizei übernehmen ließen. Denn „danke sagen reicht nicht", das werde der „hochmotivierten Truppe“ nicht gerecht.

Kritik und Forderungen aus der Opposition
Kerstin Vieregge, CDU-Politikerin und Mitglied im Verteidigungsausschuss, wies in ihren Worten darauf hin: „Wir stehen unserer Parlamentsarmee gegenüber in der Pflicht, die sozialen Rahmenbedingungen der Soldatinnen und Soldaten sowie der zivilen Beschäftigten der Bundeswehr auf höchster Ebene zu verhandeln.“ Sie lobte zahlreiche Vorhaben der Koalition, die eben diese Rahmenbedingungen verbessern sollen. Vieregge sieht mit Blick auf die sozialen Rahmenbedingungen aber auch Lücken im Koalitionsvertrag. Als Beispiel nannte sie, dass es nicht nur darum gehen solle, den Soldaten auf Zeit beim Übergang in den zivilen Arbeitsmarkt zu helfen. „Es ist genauso wichtig den Binnenarbeitsmarkt im Bick zu haben. Der ausscheidende Soldat ist auch in Zivil eine Bereicherung für die Bundeswehr.“

Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, stellte in Richtung der Ministerin die Frage, ob das Nato-zwei-Prozent-Ziel „heimlich kassiert“ werde und zog in Zweifel, ob die Regierung tatsächlich einen Mittelaufwuchs für die Bundeswehr bringen werden. Der CSU-Politiker forderte: „Leiten sie die sofortige Nachfolgebeschaffung für den Tornado ein. Entscheiden Sie schnell über den dringend benötigten schweren Transporthubschrauber.“

Ähnlich äußerte sich Hahns Fraktionskollege Jens Lehmann (CDU), Mitglied im Verteidigungsausschuss, der in Richtung Regierung appellierte: „Sorgen Sie dafür, dass die Bundeswehr bewaffnete Drohnen erhält.“ Auch Lehmann äußerte sich kritisch zu den Aussagen der Regierung bezüglich des Verteidigungsetats: „Anders als Sie, Frau Ministerin, sehen wir eine fallende Finanzlinie." Die Bundeswehr müsse aber auch materiell in die Lage versetzt werden, „der Kernaufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung gerecht zu werden“, sagte Lehmann.

Grüne und FDP zu Finanzen, Material und Aufgabe der Bundeswehr
Dass die Bundeswehr fähig bleiben müsse, sich um Landes- und Bündnisverteidigung zu kümmern, unterstrich auch Sara Nanni, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen. Sie dankte zunächst allen Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz in der Pandemiebekämpfung und der Katastrophenhilfe. „Aber für uns als Parlament muss auch klar sein, wenn schon heute Naturkatastrophen zunehmen, muss in erster Linie der zivile Katastrophenschutz gestärkt werden. Denn Kernauftrag der Bundeswehr bleibt die äußere Sicherheit.“ Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), ergänzte mit Blick auf Auslandseinsätze: „Die Bundeswehr wird uns allein nie schützen können. Am Ende bedarf es auch der Diplomatie und der Entwicklungszusammenarbeit. Und deswegen gehört auch eine Analyse der Gründe, warum Konflikte entstehen dazu und deswegen brauchen wir eine vernetzte Zusammenarbeit zwischen den Ministerien.“

Strack-Zimmermann wies außerdem die Vermutung der Opposition zurück, die neue Regierung wolle Verteidigungsausgaben runterfahren: „Zu glauben, dass es Sicherheit zum Nulltarif gibt, verkennt die Realität." Auch ihr Koalitionskollege Wolfgang Hellmich, Sprecher der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD, erklärte Florian Hahns Vermutung eine Absage: „Die Bilanz, die Sie von 16 Jahren CDU-Verantwortung für das Ministerium gezogen haben, ist mehr als blamabel. Erinnern Sie sich an die Gespräche über den Haushalt, wo wir davor gewarnt haben, einfach alles ohne Priorisierung durchzuschieben, ohne dass es finanziell hinterlegt ist.“

Marcus Faber, für die FDP als Mitglied im Verteidigungsausschuss, verwies in der Frage des Zwei-Prozent-Ziels der Nato auf den Koalitionsvertrag: „Darin finden wir drei Prozent für vernetzte Sicherheit. Wir stehen zu unseren Verpflichtungen in den Vereinten Nationen, in der EU und gegenüber allen Nato-Staaten und allen Partnern in Osteuropa.“

Als Reaktion auf die Forderung der Opposition, große Rüstungsprojekte endlich anzugehen, warf Faber der CDU vor, dass sie es gewesen sei, die derlei Projekte „16 Jahre lang liegen lassen hat. Den Investitionstau, den Sie hinterlassen haben, den packen wir jetzt an“, stellte der FDP-Politiker in Aussicht. Dabei gehe es nicht nur darum, Großprojekte endlich anzugehen, sondern Ausrüstung „muss in Übungen und im Grunddienst ebenso vorhanden sein wie in Mali.“

Laut Agnieszka Brugger (Grüne), Mitglied im Verteidigungsausschuss, sei ausreichendes und qualitatives Material auch mit Blick auf die Personallage der Bundeswehr wichtig. Denn der Standard in den Streitkräften habe auch einen Einfluss darauf „wer sich mit welcher Motivation für diese sehr schwierige Aufgabe“ meldet. Neben der materiellen Ausstattung gehe es aus Bruggers Sicht aber auch um Themen wie die „Vereinbarkeit von Dienst und Familie“

Als Schlusswort für diese erste Debatte zur Verteidigungspolitik im 20. Deutschen Bundestag eignen sich wohl die Worte von Wolfgang Hellmich: „Machen wir uns ans Werk, es gibt viele Dinge, die zu tun sind und sie dulden keinen Aufschub.“

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