Das richtige Atmen wieder zu erlernen und die Atemmuskulatur zu stärken: Das ist eine der größten Herausforderungen für Patienten, die Covid-19 überstanden haben und in der Reha den Weg zurück ins normale Leben gehen. Foto: Median Kliniken

Das richtige Atmen wieder zu erlernen und die Atemmuskulatur zu stärken: Das ist eine der größten Herausforderungen für Patienten, die Covid-19 überstanden haben und in der Reha den Weg zurück ins normale Leben gehen. Foto: Median Kliniken

31.10.2020
Von Frank Jungbluth

Eine Krankheit, die dazu führt, dass man das Atmen wieder lernen muss

Am 14. April, es ist der Dienstag nach Ostern, empfängt Dr. Jördis Frommhold ihren ersten Corona-Patienten für die Reha nach der Erkrankung mit dem Virus Sars Covid-2. Er ist einer von denen, die in der Statistik als Genesene geführt werden. Der Mann hat die Lungenkrankheit überstanden, die vom Corona-Virus ausgelöst wird, nur gesund ist er noch lange nicht. „Die Bundeswehr“-Chefredakteur Frank Jungbluth hat mit Dr. Frommhold gesprochen – die Lungenheilkundlerin erlebt, dass es mit der neuen Krankheit Covid-19 keine Gewissheiten gibt.

Die Bundeswehr:Was haben Sie erwartet, als die ersten Patienten zu Ihnen in die Klinik gekommen sind?

Dr. Jördis Frommhold: Nein, damit konnte niemand rechnen und wir hatten keine Erfahrungen mit den Krankheitsverläufen. Eine wichtige Erfahrung für mich und für uns hier in der Klinik ist nach 100 Patienten aus ganz Deutschland, dass die Leute, die in der Statistik als Genesene geführt werden, mitnichten gesund sind. Das Leistungsvermögen ist bei den meisten stark eingeschränkt, sie fühlen sich erschöpft, müde, die Atmung ist schlecht. Ich habe Patienten gesehen, die kaum zwei drei Treppenstufen steigen konnten, ohne erschöpft zu sein. Ich nenne das die Trias aus maximaler Leistungseinschränkung, aus neurologischen Symptomen und aus psychosomatischen Problemen.

Was war anders als bei Ihren normalen Lungenpatienten?

Covid ist eine Multiorgan- und Multisystemerkrankung, das prägt den Unterschied. Wir haben deutliche Sauerstoffabfälle gehabt während der Therapie. Das besondere bei der Covid-19-Erkrankung ist ja, dass die Lungenfunktion an sich nach der Entzündung wieder in Ordnung ist, die Erkrankung spielt sich ja im Lungengewebe und nicht in den Atemwegen ab, aber die Sauerstoffaufnahmefähigkeit der Lunge war bei den Patienten in der Regel deutlich eingeschränkt, was man nur mit Reha-Verfahren wieder verbessern kann. Wir beobachten auch, dass Patienten, die wochenlang während der Akutphase am Beatmungsgerät waren, sich eine so genannte Schonatmung angewöhnt haben. Das führt zu einem Rückgang der Atemmuskulatur.

Wie fühlen sich die Patienten aus Ihrer Erfahrung mit dieser Disposition?

Ich habe ein Beispiel, wir hatten kürzlich einen Soldaten, der einen milden Verlauf hatte und sich zu Hause auskuriert hat. Auch dieser Mann, als Bundeswehroffizier gut im Training und ein Inbegriff von guter Konstitution, hatte eine massive Leistungsminderung und musste wieder das richtige Atmen lernen, damit die Lunge wieder wie früher gut belüftet werden kann. Man merkt das nicht unbedingt selbst, das wird erst in der Reha offenbar. Wir haben eine kleine Statistik hier in unserer Abteilung geführt, nachdem wir die ersten 100 Patienten hatten und sind auf einen Wert gekommen, der sich bei 20 Prozent Verbesserung der Lungenfunktion in den ersten drei bis fünf Wochen der Reha bewegt. Sicher ist, dass sich die Zeiten der Rekonvaleszenz offenbar verlängern, unabhängig davon, ob der Verlauf schwer oder leicht war.

Wie entscheidend ist das Alter der Erkrankten für den Verlauf und der Genesung?

Wir haben Patienten, die in den allermeisten Fällen zwischen 35 und 65 Jahre alt sind. Die allermeisten sind sportlich sehr aktiv, da waren Triatlethen dabei, die meisten sind Leute, die keinerlei Vorerkrankungen hatten. Man kann also schwer sagen, dass es eine bestimmte Risikogruppe gibt, dafür ist das zu heterogen. Wir dachten am Anfang, dass Ältere mehr betroffen sind, das habe ich hier nicht so erlebt. Die Post-Covid-Symptome sind unberechenbar, deshalb kann sich auch niemand sicher fühlen und sagen, er gehöre nicht zur Risikogruppe, aus meiner Erfahrung gibt es keine Risikogruppe.

Was bleibt nach der Reha?

Die meisten derer, die hier bei uns waren, haben sich in der Regel bei ihrer Ankunft selten so gefühlt, als könnten sie wieder ins normale Arbeitsleben zurückkehren. Das ist eben der signifikante Unterschied zu anderen Grippeerkrankungen oder bakteriellen Lungenentzündungen, Patienten, die ich mit solchen Erkrankungen in der Reha hatte, waren bei weitem nicht so eingeschränkt wie Covid-19-Patienten. Worüber man auch sprechen muss, dass wir bei den zuvor Erkrankten und dann Genesenen multiple neurologische Probleme nach der Reha immer noch beobachten. Das fängt an mit Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit mit Rechtschreibschwäche, wir erleben Taubheitsgefühle, wir sehen Patienten mit unsicherem Gang.

Sie sprechen auch von Depressionen?

Ja, wir erleben, dass die Betroffenen Angst haben, den Alltag wieder bewältigen zu können, dass sie die Sorge umtreibt, ihre Arbeit zu schaffen, um die wirtschaftliche Existenz zu sichern. Dazu kommt, dass es Fälle von Mobbing von Kollegen gibt, die sagen: „Du bist einer von denen, die schuld daran sind, dass sich das Virus verbreitet“.

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