Das Panzerbataillon 393 übt mit dem Kampfpanzer Leopard 2 A7V im Gefechtsübungszentrum Heer in Gardelegen für den Einsatz. Foto: Bundeswehr/Bill Drechsler

Das Panzerbataillon 393 übt mit dem Kampfpanzer Leopard 2 A7V im Gefechtsübungszentrum Heer in Gardelegen für den Einsatz. Foto: Bundeswehr/Bill Drechsler

02.01.2024
Von Philipp Kohlhöfer

Das größte Manöver seit gut drei Jahrzehnten

In wenigen Wochen beginnt die Bundeswehr ihr Übungsvorhaben „Quadriga 2024“. Die Manöver sind Teil der NATO-Übung „Steadfast Defender“. Sie sind Ausdruck der Zeitenwende und dienen dem Neulernen von Fähigkeiten, die wir in der Vergangenheit schon hatten.

Es wird das größte Manöver seit 30 Jahren: Alle drei Divisionen des Heeres sind beteiligt, Truppenteile aus Logistik, CIR und Sanitätsdienst, zudem Marine und Luftwaffe, mehr als 12.000 Soldaten insgesamt. Vor allem aber ist das Übungsszenario nicht mehr fiktiv. Geübt wird von Februar bis Mai ganz konkret: Was passiert, wenn ein NATO- Mitglied an der Ostflanke angegriffen wird?

Und so ist Quadriga, der deutsche Beitrag zur parallel stattfindenden NATO-Großübung Steadfast Defender, der nächste Schritt in der Zeitenwende. Denn dazu gehört auch die Vorstellung, dass ein Krieg der NATO in Mittel- und Osteuropa möglich ist. Daraus folgt: Wie bringen wir die bereitgestellten Truppen der Verbündeten innerhalb kürzester Zeit in das attackierte Land?

Vier Teilübungen

Kern von Quadriga sind entsprechend vier Verlegeübungen: Grand North im März, wobei es darum geht, Truppenteile nach Norwegen zu bringen, im April und Mai Grand Center, in dem Szenario wird über Polen nach Litauen verlegt, Grand South im Mai, über Ungarn nach Rumänien, und Grand Quadriga, ebenfalls im Mai, dann auch über die Ostsee direkt nach Litauen. Außerhalb Deutschlands wird Quadriga mit anschließenden Manövern erweitert: Nordic Response, Center Saber Strike, South Swift Response und dem Grand Quadriga in Litauen. Vier Teilübungen, daher auch der Name, gemäß dem antiken Vorbild, einem Vierergespann. Der Name verweist zudem auf die Quadriga auf dem Brandenburger Tor, die symbolisch für Freiheit, Einigung und Stärke steht. Und das ist schließlich das, worum es auch in der NATO geht.

Weil Deutschland als Drehscheibe – als sogenannte Host Support Nation – eine besondere Rolle spielt, wird Quadriga quasi „Zeitenwende zum Anfassen“ sein: Züge mit Panzern und Konvois auf Autobahnen könnten dann zum Bild gehören. Die schnelle Verlegung eigener Kräfte von Norwegen bis Rumänien wird, genau wie Steadfast Defender, ein Test für das Funktionieren von miteinander verknüpften NATO- und nationalen Verteidigungsplänen sein – schließlich wird noch die Verlegung von Kräften von Nordamerika nach Europa geübt. Im ganzen Übungsraum werden insgesamt rund 40.000 Soldaten teilnehmen. Es ist eine Show of Force. Eine Übung, aber eben auch ein Signal nach Moskau. Dabei sollte eigentlich schon 2020 in großem Maßstab geübt werden. Nach der russischen Annexion der Krim begann die NATO mit der Planung für Truppenverlegungsübungen, 2018 wurde in Ulm das Kommando „JSEC“ etabliert, dass „Joint Support and Enabling Command“. Und dann kam Covid: Erst im Herbst 2021 war „JSEC“ voll funktionsfähig. Und muss nun neu erlernen, was die Bundeswehr schon mal konnte: Schnell zehntausende von Soldaten verlegen.

Letzte REFORGER-Übung war 1993

Viel hat sich verändert seit den letzten Großübungen auf deutschem Boden. Die letzte Verlegeübung REFORGER, Return of Forces to Germany, wurde 1993 durchgeführt – damals waren allerdings nur noch 7000 Soldaten beteiligt. Die letzte wirklich große Übung fand gar 1988 statt, mit etwas über 124.000 Soldaten. Die Bundesrepublik Deutschland war Frontstaat. Geübt wurde schnelles Heranführen von Personal, weil das Material der US-Großverbände zwar in Deutschland gelagert war, die Truppen selbst aber erst ins Land gebracht werden mussten. Auch heute würden im Kriegsfall hunderttausende Soldaten mit Material in den Häfen Norddeutschlands und den Niederlanden anlanden.

Daher steht vor allem die operative Führungsstruktur im Mittelpunkt, weil sie sich mit dem neuen, alten Blick auf die Landes- und Bündnisverteidigung neu ausrichten muss. Den Aufmarsch koordiniert das Territoriale Führungskommando in Absprache mit dem Einsatzführungskommando und dem Kommando Heer.

Neue Herausforderungen

Geübt wird neben der Verlegung auch der Schutz der Infrastruktur, die Unterstützung der NATO-Partner und der Einsatz und die Führung von Truppen über einen längeren Zeitraum. Gerade die Parallelität der Teilübungen und die Staffelung der eingesetzten Kräfte ist eine enorme Herausforderung, aber Logistik gewinnt Kriege und Abschreckung funktioniert nicht, wenn das Großgerät an der Front nicht ständig mit Nachschub versorgt wird. Dabei wird die Truppe vor Herausforderungen gestellt, die es vor dreißig Jahren noch nicht gab. Etwa: Wie bekommt man unterwegs zehntausende Handys gleichzeitig geladen? So lange haben wir das nicht mehr gemacht, dass die letzte „Rahmenrichtlinie Gesamtverteidigung“ vom Januar 1989 ist, herausgegeben in „5300 Bonn 1“.

Das liegt so lange zurück, dass der erste Satz damals noch lautete: „In den letzten Jahren sind Entwicklungen im West-Ost-Verhältnis in Gang gesetzt worden, deren Fortgang wir alle mit großen Hoffnungen begleiten.“ Die dringend benötigte Neufassung der Richtlinie läuft gerade. Der erste Teil des Satzes stimmt allerdings mittlerweile wieder. Nur sind die Entwicklungen im Ost-West-Verhältnis schon lange nicht mehr mit Hoffnungen begleitet.

Quadriga und Steadfast Defender reagieren darauf.

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