Am 18. Mai 1848, vor 175 Jahren, kamen fast 700 Abgeordnete aus den Deutschen Landen zur verfassungsgebenden Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Ein Jahr lang wurde am Gesetztestext gearbeitet. Foto: Picture Alliance

18.05.2023
Von Frank Jungbluth

Der kurze Traum von der deutschen Demokratie

Frankfurt. Der kurze Traum von der ersten deutschen Demokratie währte nur ein gutes Jahr: Dann zerbrachen die demokratischen Strukturen, die knapp 700 Abgeordnete der verfassungsgebenden Nationalversammlung in der Frankfurt Paulskirche ab 1848 aufgebaut und zu Papier gebracht hatten, wieder. Preußische und bayerische Truppen schlugen die fortschrittliche Bewegung wenige Monate später brutal und blutig nieder.

Vorbei war es mit Freiheit, Gleichheit und dem ersten deutschen Nationalstaat, den die Abgeordneten, die zum ersten Mal vor 175 Jahren, am 18. Mai 1848, in der Paulskirche zusammenkamen, sich als konstitutionelle Monarchie erdacht hatten. Der preußische König aber lehnte die Kaiserkrone ab, die eine Abordnung aus Frankfurt ihm antrug. Friedrich Wilhelm IV sah sich als Herrscher von „Gottes Gnaden“ – niemals könne er eine Krone von Kaufleuten und Akademikern annehmen, die von sich behaupteten, sie würden das Volk vertreten. Die Krone sei vom Ludergeruch der Revolution beschmutzt, rümpfte der Hohenzoller die Nase.

Eine moderne Armee, Flotte und Wehrgleichheit

Eine moderne Armee, Wehrgleichheit, denn wer in den deutschen Bundestaaten Geld hatte, konnte sich vom Dienst an der Waffe freikaufen, und die erste Reichsflotte: Die Vertreter der Revolution wollten eine schlagkräftige Truppe, denn der Frieden in Europa war brüchig, die Feldzüge Napoleons und die sich anschließenden Befreiungskriege noch nicht vergessen. So kaufte die Nationalversammlung Schiffe und ließ die erste Reichsflotte in Brake an der Unterweser unter dem Oberbefehl des Admirals Karl Rudolf Brommy vor Anker gehen. Schwarz, rot und gold waren die Farben der fortschrittlichen Verfassungsväter. Erst 1919 sollte diese Fahne wieder für Deutschland stehen, seit 1949 sind es die Farben der zweiten deutschen Demokratie. Das Lied der Deutschen, von Heinrich August Hoffmann von Fallersleben 1841 auf der damals britischen Insel Helgoland gedichtet, war 1848 eines von vielen, in denen die Einheit beschworen wurde. Hoffmanns Text, auf die Melodie des österreichischen Komponisten Joseph Haydn gedichtet, "Gott erhalte Franz, den Kaiser", sollte später die deutsche Nationalhymne werden. Seit 1990 ist es in der wiedervereinigten Bundesrepublik die dritte Strophe des Hoffmann’schen Textes –  „Einigkeit und Recht und Freiheit …“

Weberaufstand und Pressefreiheit

Pressefreiheit, die Freiheit des Individuums, das waren neue Töne im Deutschen Bund, und die Abgeordneten der Frankfurter Paulskirche wollten vor allem auch ein Ende des Flickenteppichs von Staaten und somit einen Staat für alle Deutschen. Österreich wollte nicht dabei sein und die mächtigen Aristokraten in Preußen und Bayern bekämpften die liberale Gesinnung aufs Blut. Allerdings: Das erste halbwegs demokratische Jahr in deutschen Landen ließ auch später die Hoffnung auf mehr Freiheit keimen. Dafür hatten die Demonstranten des Hambacher Festes schon 1832 gestritten, dafür haben die hungernden schlesischen Weber 1844 den Aufstand geprobt und vor allem die Pressefreiheit schuf eine Medienvielfalt, die auch die Restauration nach dem Ende der deutschen Revolution ab 1849 mit ihrer Zensur nicht mehr völlig zerstören konnte. Eigentümliche Zeitungstitel wie „Die Glocke“, „Die Harke“ oder „Der Patriot“ zeugen bis heute als Lokalzeitungen von dieser Blüte und der Freiheit des gedruckten Wortes.

1919 wurden die Ideen wieder aufgenommen

Was die Abgeordneten in Frankfurt vom 18. Mai 1848 an schufen, fand von 1919 an wieder Verwendung. Nach dem Ende des Deutschen Kaiserreichs, das 1871 in Versailles proklamiert worden war und damit zumindest ein geeintes Deutsches Reich etablierte, traf sich nach dem Ende der Monarchie im Deutschen Reich wieder eine demokratische Nationalversammlung. Dieses Mal in Weimar, um dem Chaos nach dem verlorenen 1. Weltkrieg in Berlin zu entkommen. Die darauffolgende erste Deutsche Republik, Weimarer Republik genannt, zertrümmerten die Nationalsozialisten ab 1933 und entfesselten sechs Jahre später einen alles vernichtenden Weltkrieg, den zweiten in einem Jahrhundert. 100 Jahre nach den Vordenkern in der Frankfurter Nationalversammlung nahm der Parlamentarische Rat in Bonn die Grundrechte und die Freiheit der Deutschen erneut in eine Verfassung auf – das Grundgesetz, das am 23. Mai 1949 feierlich verkündet wurde. Im nächsten Jahr, 2024, feiert die Bundesrepublik Deutschland ihren 75. Geburtstag.

Das Grundgesetz vollendet die Nationalversammlung

Ein Jahr der Gründung des westdeutschen Staates, im Juli 1948, hatten die alliierten Siegermächte des 2. Weltkrieges die so genannten Frankfurter Dokumente an die Delegierten des Parlamentarischen Rates übergeben. Die Sowjetunion war nicht dabei, sie ließ in ihrer Besatzungszone zwischen Elbe und Oder eine stalinistische Diktatur errichten. Im neuen Grundgesetz stand revolutionäres: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, ließ die sozialdemokratische Delegierte Elisabeth Selbert in die Verfassung schreiben. Das war ein Quantensprung. In allen Waffengattungen der Bundeswehr dürfen Frauen erst seit 2001 dienen. Die Kreil-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, vom Deutschen BundeswehrVerband für die Klägerin Tanja Kreil durchgefochten, machte das möglich.

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