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Das israelische Raketenabwehrsystem "Iron Dome" kam im Juni gegen ballistische Bedrohungen aus dem Iran zum Einsatz. Foto: picture alliance/SIPA/IDF/GPO
Gerhard Conrad ist ein profunder Kenner der Arbeit von Geheimdiensten. Im Gespräch mit Oliver Krause ordnet er unter anderem die jüngsten Geschehnisse im Nahen Osten ein und welche Grenzen es für Diplomatie aber auch für militärische Mittel gibt.
Die Bundeswehr: Herr Dr. Conrad, Sie haben als Islamwissenschaftler und ehemaliger BND-Mitarbeiter die kriegerischen Ereignisse der vergangenen Jahre in Nahost begleitet und analysiert. Ausgangspunkt Ihres jüngsten Buches ist der 7. Oktober 2023 und die Frage, wie es dazu kommen konnte. War es ein Geheimdienst- oder ein politisches Versagen?
Dr. Gerhard Conrad: Es war beides. In den Diensten und der politischen Führung, aber auch an der Spitze der IDF, herrschte seit längerem das Lagebild vor, dass Hamas unverändert eine Terrorgruppe sei und keine zunehmend leistungsfähige paramilitärische Organisation. Ihr wurde die Fähigkeit und der Wille abgesprochen, eine Operation dieser Größenordnung und operativen Qualität durchzuführen.
Noch in der Nacht unmittelbar vor dem Angriff der Hamas hatte es Warnsignale gegeben. Diese wurden jedoch auf israelischer Seite bei eilig einberufenen Gesprächen falsch interpretiert.
Es war erklärte Politik von Benjamin Netanjahu, dass man einerseits die Hamas in Gaza gegen die Fatah im Westjordanland ausspielt und andererseits einen begrenzten Wohlstandszuwachs in Gaza unter anderem durch Zahlungen aus Qatar zulässt, in der Hoffnung, dass dort eine gewisse Mäßigung oder Bequemlichkeit einsetzen würde. Diesen Eindruck hatte die Hamas-Führung um Yahya Sinwar offenbar auch mit gezielter Desinformation verstärkt. Israels Dienste und die Politik sind dieser Finte aufgesessen, eben weil sie Hamas unterschätzt hatten. Dort schien die Westbank das ungleich größere und akutere Problem zu sein, weshalb an der Grenze zu Gaza nur kleine Truppenkörper disloziert und die Befestigungsanlagen über Jahre hinweg vernachlässigt worden waren.
Seit dem 7. Oktober geht Israel im Westen gegen die Hamas in Gaza, im Norden gegen die Hisbollah im Libanon und jetzt auch gegen den Iran im Osten vor. Haben wir es mit einem Krieg gegen die „Achse des Widerstands“ zu tun?
Durchaus. Fangen wir direkt in der Mitte an. Nach dem 7. Oktober war der Norden Israels evakuiert worden, weil die Hisbollah bereits am 8. Oktober begonnen hatte, mit Raketen und Mörsern das Grenzgebiet zu beschießen. Hisbollah wollte auf diese Weise Israel zu einem Abbruch des Kriegs gegen die Hamas in Gaza nötigen. Als ständige Drohkulisse im Hintergrund diente zusätzlich die für den grenzüberschreitenden Einsatz aufgestellte und ausgebildete Radwan-Eliteeinheit. Der 7. Oktober hätte sich auch noch einmal im Norden wiederholen können.
Insofern waren die israelischen Angriffe im September 2024 auf Hisbollah – zunächst die Pager-Aktion gegen bis zu 3000 Kader der Radwan-Truppe, dann der Schlag gegen deren Kommandeure und schließlich die Eliminierung der restlichen Hisbollah-Führung um Hassan Nasrallah aus der Luft – eine direkte Reaktion auf eben diese seit Jahren aufgebaute Bedrohung. Im Übrigen wäre auch die Evakuierung der Städte im Norden nicht dauerhaft durchzuhalten gewesen. Der Vernichtungsschlag gegen Hisbollah war ganz offensichtlich das Ergebnis von jahrelanger umfangreicher nachrichtendienstlicher Aufklärung und darauf aufbauendem „Contingency Planning“.
Wie passt der 1. April 2024 in diese Chronik, als Israels Luftwaffe in Damaskus ranghohe Kommandeure der iranischen Revolutionsgarden eliminierte? Daraufhin hatte der Iran erstmals direkt ballistische Raketen auf Israel abgefeuert.
Man darf nicht vergessen, dass die Radwan-Einheiten der Hisbollah operativ und logistisch über die Jahre hinweg stark von den Pasdaran, den iranischen Revolutionsgarden, unterstützt wurden. Darum waren deren Kommandeure eben auch in Damaskus. Aus israelischer Perspektive gab es also eine direkte, operativ relevante militärische Verbindung vom Iran zur Hisbollah. Im Übrigen haben die israelischen Streitkräfte bereits vor dem prominenten Luftschlag vom 1. April 2024 seit Jahren immer wieder Konvois der Pasdaran in Syrien und im Libanon bombardiert. Bei diesen Schlägen sind bereits hochrangige Offiziere der Revolutionsgarden getötet worden.War es somit die Hisbollah, die den Konflikt nach dem 7. Oktober ausgeweitet hat, indem sie der Hamas beisprang?
Hisbollah hat nach dem 7. Oktober 2023 Israel nur begrenzt, quasi im Rahmen einer praktischen Solidarität auf Sparflamme, attackiert. Nasrallah hätte eine echte zweite Front im Norden Israels nur nach Rücksprache mit Teheran eröffnet. Dazu kam es nicht. Auch der Iran selbst hat nach dem bereits erwähnten Schlag in Damaskus vom April 2024 zwar viele, aber überwiegend ältere Raketentypen auf Israel abgefeuert. Die Aktion sollte offenbar kein Auftakt für einen groß angelegten Krieg sein. Möglicherweise war es aber ein Testlauf, wie gut die Abwehrmaßnahmen des Gegners funktionieren. Die massiven israelischen Angriffe seit dem 13. Juni 2025 sind der anhaltenden strategischen Bedrohung durch Teheran in seinen Nuklearambitionen, aber auch seiner Raketenbewaffnung und seiner regionalweiten Unterstützung terroristischer Gruppierungen geschuldet. Wie im Fall von Hisbollah waren die Einsatzpläne gegen den numerisch weit überlegenen Gegner über Jahre hinweg mit großem Aufwand ausgearbeitet worden. Alle israelischen Dienste, insbesondere aber der Mossad, waren hier zur hoch detaillierten und tiefgehenden Aufklärung bis hin zum individuellen Targeting eingesetzt. Ziel war es, Iran als militärischen Gegner entscheidend und auf möglichst lange Sicht zu schwächen. Israel hat sich quasi den Weg zum zentralen Gegenspieler militärisch wie politisch freigekämpft.
Hat in einer solchen Lage Diplomatie noch eine Chance?
Erst, wenn es die militärischen Realitäten zulassen und alle Seiten einen guten Grund darin sehen, die Kampfhandlungen einzustellen. Wie schon gesagt, geht es der israelischen Regierung darum, Iran als militärische Bedrohung so weit wie möglich zu schwächen und insbesondere das Nuklearprogramm zu zerstören. Das strategische Ziel des Regimes in Teheran muss wiederum ein verhandeltes Ende des Konflikts sein, allein um den eigenen Machterhalt zu sichern. Mit dem taktisch überraschenden US-Angriff vom 21. Juni gegen die drei Atomanlagen, insbesondere Fordo, hat Präsident Trump ein zentrales Kriegsziel Israels ermöglicht, jedoch um den Preis israelischer Bereitschaft zu einer Waffenruhe. Trump kann und will sich angesichts des wütenden Widerstands seiner MAGA-Klientel nicht in den Krieg hineinziehen lassen. Auch Israels Durchhaltefähigkeit wird angesichts spürbarer Verluste in der Zivilbevölkerung nicht unbegrenzt sein, schon gar nicht gegen den „Rat“ aus Washington. In Tel Aviv wird man darüber hinaus auch auf die erodierende Wirkung der schweren militärischen Blamage auf das Regime in Teheran setzen. In dieser Konstellation kann Diplomatie wieder operativ relevant werden.
Kann Israel überhaupt einen Sicherheitsgewinn erzielen? Zerstörte Raketenfabriken und Abschussrampen können schließlich wieder aufgebaut werden.
Allein mit militärischen Mitteln auf Dauer nicht, es sei denn, eine umfassende Luftherrschaft über Iran könnte langfristig aufrechterhalten werden. Alles andere bleibt robusten internationalen Kontrollregimes vorbehalten, die jedoch nur bei angemessener Kooperationswilligkeit einer iranischen Regierung Aussicht auf Wirksamkeit hätten. Im Grunde wird somit ein Wechsel hin zu einem Status-quo-orientierten kooperativen Regime erforderlich sein.
Wie wahrscheinlich ist denn ein Zusammenbruch des Regimes in Teheran?
Das Regime wird heute und morgen nicht kollabieren, es sei denn, die bisher bereits erzielten Zerstörungen der Pasdaran-Infrastruktur hätten das Regime in seinen Grundfesten erschüttert und würden zu einer eigendynamischen Erosion führen. Das werden die kommenden Wochen und Monate zeigen.
Israels Vorgehen ist nicht unumstritten. Gibt es, trotz des robusten Vorgehens in Gaza, Libanon und jetzt gegen Iran, immer noch eine Anti-Iran-Koalition in der Region?
Natürlich. Das strategische Interesse an einer Einhegung Irans hat nichts mit der palästinensischen Frage zu tun. Machtpolitisch besteht keine Solidarität mit Gaza oder der palästinischen Autonomiebehörde. Das wird zwar nicht offen gesagt, aber pro-palästinensische Demonstrationen sind fast regionalweit verboten. Die Regime in der Region wollen Stabilität und Prosperität. Das positive Potenzial, Israel nicht als Gegner oder sogar als Verbündeten zu haben und mit ihm Handel treiben zu können, ist viel attraktiver.
Die Hamas hat am 7. Oktober mehr als 240 Israelis verschleppt. Warum reagierte Israel sofort mit einer groß angelegten Militäroperation? 2011 wurde Gilad Shalit nach schwierigen Verhandlungen, an denen Sie beteiligt waren, noch gegen mehr als 1000 palästinensische Häftlinge ausgetauscht.
Beide Fälle kann man nicht gleichsetzen. Die Hamas hat eben nicht „nur“ Geiseln genommen, sondern auch über 1200 Menschen zum Teil bestialisch ermordet. Es war ein totaler Krieg gegen die Menschen, der Israel provozieren sollte, um einen großen Krieg auszulösen, in dem die ganze Region gegen Israel mobilisiert werden sollte. Das war das Kalkül der Hardliner um Yahya Sinwar. Außerdem war es Tel Aviv klar geworden, dass man sich eine Politik, wie sie zur Freilassung von Gilad Shalit betrieben wurde, nicht mehr leisten konnte.
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