Panzerhaubitzen stehen auf einem Übungsplatz im litauischen Rukla. Die Bundeswehr führt hier die NATO Battlegroup – und wird ihr Engagement noch ausweiten. Foto: Philipp Kohlhöfer

Panzerhaubitzen stehen auf einem Übungsplatz im litauischen Rukla. Die Bundeswehr führt hier die NATO Battlegroup – und wird ihr Engagement noch ausweiten. Foto: Philipp Kohlhöfer

09.02.2024
Philipp Kohlhöfer

„Die Soldaten voll auszustatten ist deren Recht und unsere Pflicht“

Der Sozialdemokrat Andreas Schwarz, 58, ist im Haushaltsausschuss für das Wehrressort zuständig, er sitzt zudem im Gremium „Sondervermögen Bundeswehr“, das die Aufgabe hat, die Verwendung des Sondervermögens beratend zu begleiten. Er ist außerdem stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss. Er sagt: Wenn wir in Deutschland leben wollen, wie wir das hier tun, dann müssen wir in die Bundeswehr investieren.

Die Bundeswehr: Ein Sanitätszug soll neu aufgestellt werden, drei Flottendienstboote sind gebilligt, der Rahmenvertrag für die Munition des Patriot-Systems ist geschlossen, ab 2025 fließt der Truppe das neue Gewehr zu: Geht es voran mit der Zeitenwende?

Andreas Schwarz: Bei den Beschaffungen sind wir auf einem guten Weg. Beim Thema Aufklärung tun wir viel. Auch die Raketenabwehr geht voran. Die Initiative, das auf Europa auszurollen, ist sehr gut. Da merkt man dann auch, dass Führung da ist. Da lebt man Zeitenwende. Aber natürlich gibt es auch immer wieder Momente, die einen dann etwas ernüchtern.

Die Bundeswehr: Nämlich?

Schwarz: Zeitenwende heißt für mich auch: Ich habe eine Verantwortung in der Welt. An dem Punkt, wo wir auch bereit sind, in die Führungsverantwortung zu gehen, da sind wir immer noch sehr zaghaft.

Die Bundeswehr: Sind denn im Rahmen der Zeitenwende die Vorgänge intern schneller geworden in den letzten Monaten?

Schwarz: Wir haben das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, das BAAINBw. Dann gibt es da das Verteidigungsministerium, das ständig mit eingebunden ist. Und die Armee, nicht ganz so toll eingebunden, aber das wird besser. Und den Bundesrechnungshof, das Finanzministerium und das Parlament. Das sind schon sechs Stellen. Und mittendrin sind wir.

Die Bundeswehr: An welcher Stelle?

Schwarz: Alle 25-Millionen-Vorlagen gehen in mein Büro und werden von mir und meinem Mitarbeiter gelesen. Ich koordiniere das innerhalb der Koalition. Dazu haben wir zwei andere Kollegen aus der Ampel plus deren Mitarbeiter.

Die Bundeswehr: Klingt nicht, als seien Sie personell überbesetzt.

Schwarz: In dem ganzen Apparat sind es etwa 13.000 Leute. Wir sind zu sechst. Dennoch müssen wir alles, was da kommt, bewerten können. Wenn das kritisch ist, dann gibt es ein Berichterstattergespräch mit allen Berichterstattern, auch denen aus der Opposition. Da treffen sich dann die Berichterstatter Haushalt und Verteidigung. Das Verteidigungsministerium ist da, das Finanzministerium, der Bundesrechnungshof. Und dann besprechen wir jede einzelne 25-Millionen-Vorlage.

 

Die Bundeswehr: Die danach ins Parlament gehen...

Schwarz: … und dort beschlossen werden. Nehmen wir an, da soll eine Fregatte gekauft werden: An so einer Beschaffungsvorlage sitzt im BAAINBw ein Team von 150, vielleicht 200 Leuten, die das ganze Projekt koordinieren, rechtlich bewerten, technisch formatieren. Das dauert. Wir sechs dagegen haben dann für eine Prüfung zwei Wochen Zeit.

Die Bundeswehr: Hat jeder die Zeitenwende verinnerlicht?

Schwarz: Ich glaube, auch in meiner Fraktion gibt es den einen oder anderen, der das noch sehr skeptisch sieht. Zeitenwende bedeutet auch Führung, aber Führen ist für mich, dass man Ideen entwickelt und vor allen Dingen ein Konzept hat. Im Fall der Ukraine auch ein Zeitkonzept: Wie lange können wir das überhaupt durchstehen? Wie lange kann das die Ukraine durchstehen? Wir haben ja schon länger die Diskussion um die Ukrainehilfe. Und da verstehe ich nicht, warum man immer wieder aufs Neue darüber reden muss.

Die Bundeswehr: Was vermuten Sie?

Schwarz: Wir sind Frieden gewohnt. Das ist unser Normalzustand. Das führt dazu, dass wir uns nicht vorstellen können, wie es ist, wenn jemand um seine Existenz kämpft. Ein paar große Player wollen eine andere Weltordnung. Und so ist der Kampf, den die Ukraine führt, auch einer darum, wie wir in Deutschland zukünftig leben.

Die Bundeswehr: Immer mehr Menschen sagen dennoch, dass das nicht unser Krieg sei.

Schwarz: Das verstehe ich nicht. Putin hat gesagt, was er vorhat. Russland bedroht die NATO-Mitglieder im Baltikum und die Polen ständig. Auch die Chinesen halten mit ihrer Meinung um Taiwan nicht hinter dem Berg. ­Diktatoren muss man nur zuhören, die sagen, was sie wollen. Wenn wir das jetzt durchgehen lassen, dann riskieren wir unsere Art zu leben, unsere Freiheit, unsere Demokratie – alles.

Die Bundeswehr: Die kürzlich beschlossene Verdopplung der Hilfe an die Ukraine…

Schwarz: … ist ein richtiger Schritt, um den großen Satz „As long as it takes“ auch entsprechend zu unterfüttern. Alles, um was es in der Zukunft geht, also Artilleriemunition, Raketenabwehr, vielleicht noch ein paar Leoparden und Marder, dazu die ganze Ersatzteilversorgung, da hätten wir ohne die Verdopplung auf acht Milliarden Euro nur noch 120 Millionen Euro im Etat frei gehabt – und damit kommt man im Krieg nicht weit.

Die Bundeswehr: Nicht erst jetzt wird über die Kosten der Unterstützung in Deutschland diskutiert.

Schwarz: Die Unterstützung der Ukraine wird länger dauern müssen als der Krieg. Schließlich muss sie sich auch in Zukunft wehren können. Das Gleiche gilt für den Aufbau der Bundeswehr. Auch der wird nicht morgen vorbei sein. Deutschland und die NATO müssen so stark werden, dass niemand Lust hat, dieses Bündnis anzugreifen. Und dazu muss man dann eben auch ein paar Sachen auf dem Hof stehen haben. Wir wollen die Panzer ja nicht einsetzen. Aber wir müssen potenziellen Gegnern zu verstehen geben, dass sie es besser nicht probieren sollen. Ja, das kostet einen Haufen Geld. Aber das muss ich investieren, wenn ich so leben will, wie ich hier lebe.

Die Bundeswehr: Daher auch die geplante Brigade in Litauen?

Schwarz: Die Brigade ist bisher erstmal die Organisationshülle. Die bisherigen Standorte, aus denen sich die Brigade zusammensetzen könnte, sollen ja erhalten bleiben – und das ist auch gut so. Das heißt aber, dass wir neue Dienstposten und neues Material benötigen. Eine Brigade aufzustellen, kostete vor ein paar Jahren etwa fünf Milliarden Euro, nur die Aufstellung, nicht der Unterhalt. Nun ist die Zahl aber schon ein paar Jahre alt, insofern wird das heute wohl eher sieben Milliarden kosten.

Die Bundeswehr: Warum ist das so teuer?

Schwarz: Weil wir jahrzehntelang nicht investiert haben. Eine Brigade besteht aus etwa 1.500 Fahrzeugen. Nun ist die Bundeswehr mit Gerät leider nicht überausgestattet, wir haben nur etwa die Hälfte von dem, was wir eigentlich brauchen. Wir reden also über nochmal dreieinhalb Milliarden für die Beschaffung. Das, was wir aus den Standorten abziehen, muss ja auch nachbestellt werden. Und es ist ja auch keine Frage: Wenn man Soldaten nach ganz vorne schickt, dann benötigen die natürlich eine Vollausstattung. Das ist deren Recht und unsere Pflicht.

Die Bundeswehr: Was kann man denn aus finanzpolitischer Sicht tun, um die Ausrüstung der Bundeswehr und die Hilfe an die Ukraine zu beschleunigen?

Schwarz: Man könnte die Steuersätze auf Rü­stungsgüter weglassen. Wir haben und hatten an vielen Stellen eine Umsatzsteuerreduzierung, bei der Gastronomie etwa. Ich sehe nicht, dass die Landesverteidigung weniger wichtig ist als ein Schnitzel. Warum wir uns jetzt in einem Verfahren, wo es um wirklich große Rüstungsprojekte geht, bei jeder Investition um fast zwanzig Prozent schwächen… Da nehme ich doch den Druck raus, weil es der Staat ja ohnehin nur an sich selbst überweist. Wir sollten da einen Satz von Null haben.

Die Bundeswehr: Spätestens 2028 wird das Sondervermögen erschöpft sein.

Schwarz: 2028 gehen wir von einem Bruttosozialprodukt von etwas über vier Billionen Euro aus. Um das Zwei-Prozent-Ziel der NATO zu erfüllen, müssen wir dann 96 ­Milliarden Euro in die Verteidigung investieren.

Die Bundeswehr: Viel Geld.

Schwarz: Die Lösung wird vermutlich sein, dass man ein zweites Sondervermögen macht. Da werden 75 Milliarden aus dem Haushalt kommen, damit auch der Unterhalt funktioniert und vielleicht noch ein paar kleine Investitionen oder Munition nachgezogen werden können. Und der Rest wird aus dem Sondervermögen gedeckt. Wir sollten aber in jedem Fall die einzelnen Kasernen stärker einbeziehen.

Die Bundeswehr: Was genau schwebt Ihnen da vor?

Schwarz: Wir müssen die Kasernen sanieren. Macht man sie energetisch fit, können wir Unterhaltskosten sparen. Im Moment haben wir 1,4 Milliarden Euro Energiekosten für alle Bundeswehrliegenschaften vorgesehen. Aber warum können die ihre Energie nicht selbst erzeugen? Warum kann ein Kommandeur seine Kaserne bis zu einem gewissen Grad nicht selbst sanieren? Warum kann er nicht über eine Photovoltaikanlage entscheiden? Abgesehen davon, geht man dann als Staat mit gutem Beispiel voran und verlangt nicht ständig von Leuten, etwas zu tun, was der Staat selbst nicht macht. Und wenn wir einen guten Standard in den Kasernen haben, haben die Soldaten auch mehr Lust, Dienst zu tun. Mein Ansatz ist: Mehr Verantwortung für die einzelne Kaserne!

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