Lars Klingbeil (43) ist seit Dezember 2017 Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Der Politiker ist – mit einer Unterbrechung – seit 2005 Abgeordneter des Bundestages. Foto: Tobias Koch

Lars Klingbeil (43) ist seit Dezember 2017 Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Der Politiker ist – mit einer Unterbrechung – seit 2005 Abgeordneter des Bundestages. Foto: Tobias Koch

12.04.2021
Frank Jungbluth

Die SPD, ihre soldatische Tradition und ein Generalsekretär mit klarer Kante

Lars Klingbeil, Sozialdemokrat aus der Heide, Sohn eines Berufssoldaten, ist die Nähe seiner Partei zu denen wichtig, die Deutschland dienen und die Demokratie schützen. Wie passt das zum pazifistischen Kurs der aktuellen SPD-Spitze? Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden Heer, Thomas Behr, über den größten Standort Munster und die Zukunft der Bundeswehr.

Die Bundeswehr: Unter den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr waren und sind traditionell nicht wenige auch Mitglieder oder Anhänger der Sozialdemokratischen Partei. Das hat spätestens seit den beliebten Verteidigungsministern Helmut Schmidt, Hans Apel und Peter Struck Tradition in der Truppe. Haben Sie Sorge, diese enge Bindung zu verlieren, angesichts der Äußerungen ihres Fraktionschefs Rolf Mützenich, der bewaffnete Drohnen ablehnt und am liebsten auch die atomare Teilhabe aufgeben würde?

Lars Klingbeil: Als ich zum ersten Mal für den Bundestag kandidiert habe, hat Peter Struck, der ja Abgeordneter im Nachbarwahlkreis war, mich zur Seite genommen und mir gesagt: „Wir Sozialdemokraten kümmern uns immer um die Truppe.“ Und da hat er recht. Das ist für mich bis heute Messlatte meines Handelns und das erwarte ich auch von meiner Partei. Ja, die Frage der bewaffneten Drohnen diskutiert die SPD intensiv. Das ist eine hitzige gesellschaftliche Debatte. Was doch aber klar ist: Auf die SPD kann sich die Truppe verlassen. Als beispielsweise Herr zu Guttenberg als Verteidigungsminister bei Personal und Finanzen radikal einsparen wollte, haben wir dagegengehalten. Die Kürzungen von damals merken wir heute noch an vielen Stellen in der Bundeswehr.

Die Bundestagswahl im September nähert sich mit Riesenschritten. Wie will die Partei bis dahin eine einheitliche Linie zu bewaffneten Drohnen, atomarer Teilhabe und genügend Geld für die ausreichende Ausstattung der Bundeswehr finden?

Was unser Wahlprogramm angeht, sind wir gerade in der Schlussphase. Am 9. Mai wird es auf einem Parteitag beschlossen. Bei der finanziellen Ausstattung der Bundeswehr sind wir als SPD sehr klar. Wir haben eine Parlamentsarmee. Wenn wir unsere Truppe in Auslandseinsätze schicken, muss sie gut ausgestattet, vorbereitet und nachbetreut werden. Das ist die Pflicht, die wir gegenüber unseren Soldatinnen und Soldaten haben. Olaf Scholz hat übrigens als Finanzminister jedes Jahr den Verteidigungshaushalt erhöht. Wir reden also nicht nur, wir handeln konkret.

Was mich wahnsinnig ärgert ist, dass das Verteidigungsministerium im Beschaffungswesen nicht vorankommt. In den letzten Jahren konnte die Verteidigungsministerin regelmäßig nicht alles Geld verwenden, das wir als Parlament zur Verfügung gestellt haben. Für uns ist es deshalb wichtig, das Beschaffungswesen deutlich zu stärken. Da geht es um konkretes Management und das ist meine Erwartung an die Ministerin. Aktuell geht alles zum Nachteil der Soldatinnen und Soldaten. Was die Bewaffnung der „Heron-TP” angeht, bin ich übrigens sehr klar dafür. Ich habe als Mitglied im Verteidigungsausschuss dazu zahlreiche Gespräche geführt und mir meine Meinung gebildet. Ich merke aber schon oft, dass ich in der SPD und der Gesellschaft insgesamt noch einige überzeugen muss. 

In Ihrem Wahlkreis ist die Heimat des größten Standortes des Deutschen Heeres mit 5300 Dienstposten. Was sagen Sie diesen potenziellen Wählerinnen und Wählern, wie das Verhältnis zwischen Bundeswehr und SPD ist?

Das Verhältnis ist gut. Natürlich gibt es auch mal Debatten und zur Drohnen-Diskussion haben mich auch unzufriedene Nachrichten erreicht. Da muss ich nicht drumherum reden. Aber wer mich kennt, weiß, dass ich mich um die Bundeswehr kümmere und mir das Ganze ein wirkliches Anliegen ist. Mein Vater war Berufssoldat, ich bin mit der Bundeswehr aufgewachsen. Viele aus meinem Freundeskreis sind aktive Soldatinnen und Soldaten. Ich kannte Kameraden, die in Afghanistan gefallen sind, persönlich. Das ist etwas, was tief prägt und einem täglich die Verantwortung vor Augen führt, die wir als Parlament haben. Der Staat muss sich besser um die Truppe kümmern. Ein höherer Verteidigungshaushalt ist da übrigens nicht alles. Es geht um Wertschätzung, es geht um Aufstiegsmöglichkeiten und eine funktionierende Ausrüstung. 

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Eberhard Zorn haben jetzt ein Strategiepapier zur Zukunft der Bundeswehr vorgelegt: Geht das weit genug, um eine moderne Armee aufgestellt zu haben, die sowohl im Auslandseinsatz als auch bei der Landes- und Bündnisverteidigung bestehen kann?

Das Strategiepapier ist erstmal gut. An der entscheidenden Stelle macht es aber leider halt und wird schwammig, wenn es um Fragen der konkreten Umsetzung geht. Analysiert haben wir in den vergangenen Jahren doch eigentlich genug und auch die sicherheitspolitischen Veränderungen seit der Krim-Krise 2014 sind nicht mehr überraschend. Ich bin gespannt auf die für Mai 2021 angekündigten Vorschläge. Ich hoffe, dass diese dann nicht ausschließlich für die verbale Auseinandersetzung im Wahlkampf genutzt werden, sondern konkrete Verbesserungen und Richtungsvorgaben für die Truppe enthalten. Wir kennen das Spiel der fortlaufenden Ankündigungen schon zur Genüge von Frau von der Leyen. Die ganzen „Trendwenden“, die da angekündigt wurden, kann in der Bundeswehr niemand mehr hören. Ich bleibe dabei. Vieles ist handwerklich problematisch, was aus den Reihen der politischen Führung des Ministeriums kommt. Da wäre eigentlich gutes Management gefragt. Die Soldatinnen und Soldaten leisten großartige Arbeit und haben alle Unterstützung verdient.

Warum sollte eine Soldatin/ein Soldat heute noch SPD wählen?

Das, was die SPD bieten kann, ist, dass sie verlässlicher Partner jedes einzelnen Soldaten oder jeder einzelnen Soldatin ist. Eine gute Ausstattung, eine gute Ausrüstung und eine gute Ausbildung sind uns wichtig und die müssen ausreichend finanziert sein. Wir brauchen auch Investitionen in die Standorte und die Infrastruktur. Für uns sind die Menschen bei der Bundeswehr die wichtigste und zentrale Komponente für die Sicherheit unseres Landes. Ich meine, gerade dieser Punkt steht nicht ausreichend in der öffentlichen Debatte. Wir müssen darüber sprechen, wie wir den Vorgesetzten mehr Zeit für gute Führung geben können, wie wir mehr Frauen in die Streitkräfte bekommen, wie wir eine höhere Zufriedenheit bei den Menschen schaffen, die schon viele Jahre ihren Dienst in den Streitkräften leisten.  

Seit Jahren versucht die Große Koalition die Ausrüstungslücke der Bundeswehr zu verbessern, ohne signifikanten Erfolg. Woran liegt das Scheitern Ihrer Meinung nach?

Die politische Führung hat zu lange um das Problem herumgeredet. Da wurde dann über Flachbildschirmfernseher philosophiert, aber nicht über die signifikanten Probleme im Beschaffungsprozess. Frau von der Leyen hat teure Berater eingekauft, aber keine Fahrzeuge für die Truppe. Und es muss da auch an die Rüstungsfirmen eine klare Ansage geben: Wenn ihr nicht liefern könnt, kaufen wir woanders. Absoluter Tiefpunkt für mich ist ein persönliches Erlebnis: Als ich 2010 in Afghanistan war, wurden mir Probleme mit Nachtsichtgeräten geschildert. Ich habe mich dann im Ministerium beschwert und dort hieß es: Wir haben das alles im Griff. Zehn Jahre später ist das Thema immer noch da. Ich habe jetzt in den Haushaltsberatungen darauf gedrängt, dass es endlich zu besseren Beschaffungen kommt. Aber das Tempo des Ministeriums ist schon peinlich.

Was wünschen Sie sich für die Soldaten und zivilen Beschäftigten in Ihrem Wahlkreis?

Ich wünsche mir, dass die wertvolle Arbeit, die Soldatinnen, Soldaten und die Zivilbeschäftigten leisten, in unserer Gesellschaft stärker anerkannt wird. Wenn ich sehe, dass in manchen Bereichen des Landes ernsthaft darüber diskutiert wird, ob die Bundeswehr bei der Bewältigung der Corona-Pandemie helfen darf, bin ich fassungslos. Ich konnte neulich ein mobiles Impfteam aus meiner Heimatstadt Munster begleiten. Das ist eine so wertvolle Unterstützung für uns alle, die dort geleistet wird. Egal, ob im Auslandseinsatz oder bei der Amtshilfe in Coronazeiten: Wir haben eine Bundeswehr, auf die wir uns verlassen können. Und ich wünsche mir, dass bei der Truppe alle wissen: Sie können sich auf die Politik und die Gesellschaft verlassen.

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