Der Reservist Florian Hahn unterstützte nach den Weihnachtstagen in der Corona-Amtshilfe. Der CSU-Verteidigungspolitiker will, dass das Parlament mehr Druck auf das Verteidigungsministerium macht und fordert bewaffnete Drohnen für die Truppe. Foto: privat

Der Reservist Florian Hahn unterstützte nach den Weihnachtstagen in der Corona-Amtshilfe. Der CSU-Verteidigungspolitiker will, dass das Parlament mehr Druck auf das Verteidigungsministerium macht und fordert bewaffnete Drohnen für die Truppe. Foto: privat

02.01.2021
DBwV

Florian Hahn im Interview: „Wer mit der Truppe spricht, weiß, dass wir oft nicht mal 50 Prozent Einsatzbereitschaft erreichen“

Florian Hahn (46) ist CSU-Bundestagsabgeordneter und war bis 2018 Sprecher der CSU-Landesgruppe für Auswärtiges, Verteidigung, Angelegenheiten der Europäischen Union, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Der bayerische Politiker hat nach dem Abitur bei der Gebirgsjägertruppe gedient. Im Gespräch mit dem BundeswehrVerband moniert er die Trickserei im Verteidigungsministerium bei den Zahlen der materiellen Einsatzbereitschaft und fordert endlich eine Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes, um ähnliche Fehler in der Sahel-Region zu vermeiden.

Seit Jahren gilt es die Ausrüstung der Bundeswehr zu modernisieren und zu verbessern. Schon Frau von der Leyen machte große Versprechungen, allerdings hakt es immer noch, die gewonnenen PS auf die Straße zu bringen. Wie bewerten Sie die seitens des BMVg medial gesetzten 74 Prozent materielle Einsatzbereitschaftslage?

Florian Hahn: Wer mit der Truppe im Austausch ist, der weiß, dass dort oft nicht einmal 50 Prozent erreicht werden. Obwohl das Parlament eine 25-Millionen-Vorlage nach der anderen billigt, lässt die Sichtbarkeit in den Kasernen noch immer zu wünschen übrig. Wie die Truppe auch frustriert es mich, wenn ich vom Inspekteur des Heeres höre, dass es vermutlich wieder nicht gelingt, die nächste VJTF-Brigade aus sich heraus führungs- und einsatzfähig zu stellen. Hier müssen wir als Parlament auf das Verteidigungsministerium mehr Druck machen, es aber auch mit den nötigen Mitteln ausstatten, denn die versprochenen Trendwenden müssen endlich vollständig ankommen!

Zuletzt waren seitens der CSU auch aus industrie- und arbeitsmarktpolitischen Gründen mit Blick auf die Haushaltsverhandlungen der Bereich Cyber oder die Luftwaffe im Fokus. Sind Heer oder Marine für Sie nachrangig?

Hahn: Einerseits gab es bei Luftwaffe und Digitalisierung besonderen Handlungsbedarf, das Ergebnis war gut. Wer uns aber kennt, der weiß, dass wir trotzdem stets alles im Blick haben. Nichts ist nachrangig, wenn es um die Streitkräfte geht. Und der Partei ist durchaus bewusst, dass wir Unmengen Heeresstandorte in Bayern haben. Auf die sind wir stolz, nicht nur in Phasen der jetzigen Amtshilfe oder in Phasen von Schneekatastrophen, sondern ganz grundsätzlich. Wir wissen um die Leistungsfähigkeit der bayrischen Soldatinnen und Soldaten sowie Zivilbeschäftigten, aber auch der gesamten Bundeswehr. Deswegen stehen wir zur schnellstmöglichen Modernisierung der Truppe und sind auch bereit, dafür den Verteidigungshaushalt in den kommenden Jahren weiter aufzustocken.

Im Parlament gibt es Parteien, die denken, dass die Erhöhungen des Einzelplan 14 der letzten Jahre ausreichen müssten. Wie wollen Sie überzeugen?

Hahn: Das Verteidigungsministerium sollte noch klarer als bisher den Bedarf der Streitkräfte darstellen. Parolen – Stichwort 74 Prozent – helfen uns da nicht unbedingt weiter, auch wenn tatsächlich in den letzten Jahren schon vieles passiert ist. Ohne Transparenz und Klarheit wird der dringende finanzielle Mehrbedarf schwer erklärbar. In der Realität hat die Bundeswehr zu viele Oldtimer in allen Teilstreitkräften. Hier muss erstens modernisiert und zweitens müssen die Lücken schnellstmöglich gefüllt werden. Ebenso sollte offengelegt werden, dass es auch industriepolitische Schwerpunkte gibt. Wir in Bayern stehen zur Bundeswehr wie auch zur Rüstungsindustrie, durch deren Forschung und Entwicklung Deutschland ebenso Technologiestandort bleibt. Letzteres darf nicht kleingeredet werden.

Vereinzelt liest man immer wieder mal, dass die Europäer Angst vor einem zu starken Militär Deutschlands hätten?

Hahn: Nonsens, im Gegenteil. Alle wollen, das erlebe ich bei einer Vielzahl von Gesprächen auf europäischer Ebene, dass wir konventionell stärker werden und eine Art Anlehnungspartner für unsere Verbündeten sind. Und ebenso haben die USA, welche sich zunehmend mit Blick auf China auf den Pazifik konzentrieren, eben auch ein steigendes Interesse an einem konventionell starken Deutschland. Aber bevor etwas falsch gedeutet wird. Wir wollen lediglich die Lücken in den TSK füllen und im Cyber- und Informationsraum stärker werden. Das heißt, dass wir beispielsweise bei den drei, ich betone drei – nicht sieben, zehn oder zwölf – Heeresdivisionen bleiben. Aber die müssen eben bis 2031 einsatzbereit sein.

Für die Einsätze bräuchte es auch aus Sicht des Generalinspekteurs endlich bewaffnete Drohnen. Aber Pustekuchen, die SPD hat ja jüngst eine Kehrtwende eingeleitet.

Hahn: Das ist unfassbar, schließlich geht es hier um den Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten! Vor allem die Argumentationslinie für das kurzfristige Nein ist sowas von schräg. Leider ist hier auf die SPD trotz guter Zusammenarbeit in den letzten Jahren nicht mehr Verlass. Da verschiebt sich in der Partei so viel nach links, in der Hoffnung, man könnte dann als Kopie besser sein als „Die Linke“ im Original. Die Verteidigungspolitiker der SPD mussten zuletzt schmerzhaft realisieren, dass Ihre Fachexpertise bei der Entscheidung keinerlei Rolle spielt. Ich ziehe daher vor Fritz Felgentreu den Hut, der deshalb leider als verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion zurücktrat.

Alles spannend, denn andererseits gibt es zunehmend Kommentare in der Medienlandschaft, dass Bündnis 90/Die Grünen dafür irgendwie mehr in der Realität angekommen zu sein scheinen.

Hahn: Das mag bei manchen Sonntagsreden einzelner Vertreter der Grünen sich so anhören. Doch bei der Drohnenfrage sind die auch keinen Deut besser, auch hier steht Ideologie vor dem berechtigten Bedarf unserer Streitkräfte. Ich habe den Eindruck, bei den Grünen gibt es noch genügend Pazifisten, die glauben, der Wolf sei Vegetarier und die damit die Bedrohungen für Deutschland und Europa schlicht nicht wahrhaben wollen.

Zuletzt wurde der Blick auf den Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien gelenkt. Unzählige Drohnen waren ebenso wirkungsvoll im Einsatz. Was sollten unsere Lehren sein?

Hahn: Dass andere Drohnen haben und nutzen, ob wir das wollen oder nicht. Und dass die Bundeswehr ihre Flugabwehr auf gesamter Linie wieder auf Vordermann bringt. Gerade auch zur Drohnenabwehr und damit meine ich auch kleinere Modelle als den Heron TP. Hier haben wir eine echte Lücke! Hier muss schnell gehandelt werden. Im Heer spricht man von der „Qualifizierten Fliegerabwehr“, die es schnell aufzubauen gilt. Aktuell sind wir zu verwundbar und es wäre unverantwortlich nicht zu reagieren. Das Verteidigungsministerium sollte dazu das Parlament über den Planungsstand informieren.

Im Februar wird auf Ebene der Nato-Außenminister über das auslaufende Engagement in Afghanistan beraten. Wir sind im zwanzigsten Kriegsjahr. Wäre es nicht höchste Zeit für eine Evaluierung?

Hahn: Absolut. Das hat auch etwas mit Verantwortung zu tun. Der Außenminister sollte dazu endlich einen Aufschlag machen. In Afghanistan haben wir vielen Menschen geholfen, Soldaten, Entwicklungshelfer und Diplomaten haben einen hervorragenden Dienst geleistet. Dennoch lief einiges gerade auch politisch recht holprig. Falsche Annahmen führten zu falschen Zielen zur falschen Zeit. Die Ressortabstimmung lief nicht immer optimal und auch die Informationsarbeit war teilweise schwach. Ein „Lessons learned“ wäre zweckmäßig, denn nur so stellen wir sicher, dass wir gleiche Fehler nicht wieder machen. Und in der Sahel-Region sollte uns das nicht wieder passieren.

Mit Bezug auf die letzten Klausurbeschlüsse der CSU konnte vieles angegangen werden. Mehr Haushaltsmittel für Verteidigung, kostenfreies Bahnfahren in Uniform und trotzdem blieb das eine oder andere Projekt stecken. Zufrieden?

Hahn: Wir sind nie zufrieden, aber vieles haben wir schon erreicht, ob Gesetze zu sozialen Rahmenbedingungen der Menschen in der Bundeswehr, 25-Mio.-Vorlagen für Ausrüstung oder eben das kostenfreie Bahnfahren in Uniform. Im politischen gelingt nicht immer alles, denn Demokratie braucht Mehrheiten, aber wir werden weiterhin für eine einsatzbereite Bundeswehr kämpfen. Die CSU hält auch für die Bundeswehr weiter Kurs. Wir bleiben die Partei der Bundeswehr! Die Sicherstellung der äußeren Sicherheit ist für uns mehr als eine Floskel. Und wer in der Partei mitmachen will, ist jederzeit eingeladen. Es ist eben eins zu meckern oder zu kommentieren, oder andererseits an der parteiinternen Willensbildung mitzuwirken. Das ist wie in der Bundeswehr und diesbezüglich im DBwV als einzig wahren Berufsverband.

Sie haben nach den Weihnachtsfeiertagen Reservedienst in der Corona-Amtshilfe geleistet. Warum und wie waren Ihre Eindrücke?

Hahn: Erstens, weil ich selbst einen Beitrag im Zuge der Pandemie leisten wollte und zweitens, weil ich vor Ort sehe, wie die Bundeswehr im Verbund wirkt. Da kann ich nur feststellen: Respekt, was die Bundeswehr da außerhalb ihres Kernauftrags leistet. Dabei möchte ich auf die vielen sehr engagierten Reservisten hinweisen, die dabei unterstützen. Die gesellschaftliche Anerkennung dafür steigt stetig und zwar völlig berechtigt. Gut, dass wir unsere Bundeswehr haben, auch dafür. Darin schließe ich die Kameradinnen und Kameraden mit ein, die außerhalb Deutschlands gerade Dienst für unsere Sicherheit leisten. Ich sage danke und wünsche allen einen guten Start in das neue Jahr und Gottes Segen. Ob mit oder ohne Pandemie, an Herausforderungen wird es uns auch in Zukunft nicht mangeln. 

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