Vergabeausschusssitzung unter Vorsitz von Oberstarzt Prof. Dr. Matthias Port im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags. Foto: Bundeswehr/Loik

Vergabeausschusssitzung unter Vorsitz von Oberstarzt Prof. Dr. Matthias Port im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags. Foto: Bundeswehr/Loik

03.05.2021
Gunnar Kruse

Härtefallstiftung hilft in größter Not

Noch heute kämpfen radarstrahlengeschädigte Soldaten für Entschädigungen. Ihnen zur Seite steht die Deutsche Härtefallstiftung. Deren Vorstandsvorsitzender ist der DBwV-Ehrenvorsitzende Oberst a.D. Bernhard Gertz. In unserer Reportage erinnert er sich an die Gründungsgeschichte der Stiftung.

Radargeräte sind auch für die Bundeswehr unverzichtbar. Doch sie haben einen entscheidenden Nachteil. Bei ihrem Betrieb entsteht Röntgenstrahlung, die die Gesundheit des Menschen stark schädigen kann. Gegen diese Störstrahlung müssen Radargeräte ausreichend abgeschirmt sein. Bis in die 80er Jahre ist genau das aber bei der Bundeswehr - wie auch bei der damaligen NVA - nicht der Fall. Vor allem Techniker trifft es hart: Sie warten die geöffneten Geräte – und das bei laufendem Betrieb. „Das Gesundheitsrisiko war nicht hinreichend bekannt, aber auch das Bedrohungsbewusstsein bei Betroffenen und Vorgesetzten nicht immer ausreichend ausgeprägt“, schätzt Oberst a.D. Bernhard Gertz ein.

Auch wenn die Betroffenen teils schwer erkranken, rückt erst 2001 eine Studie der Universität Witten-Herdecke das Thema in den Fokus der Öffentlichkeit. Der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping kündigt an, die Angelegenheit einschließlich der Entschädigungen „großherzig, streitfrei und noch in diesem Jahr“ zu regeln.

Beweislast wird zum Problem

Doch es bleibt bei der Ankündigung. Denn schnell taucht ein Problem auf. Die Betroffenen beantragen zwar die Anerkennung ihrer Erkrankung als Wehrdienstbeschädigung (WDB), doch nach dem Soldatenversorgungsgesetz liegt die sogenannte Darlegungslast bei ihnen, wie Gertz erläutert. Doch wie soll das für teils Jahrzehnte zurückliegende dienstliche Rahmenbedingungen gelingen? „Diese Quasi-Beweislast und nach Auffassung der Versorgungsverwaltung nicht ausräumbare Zweifel an der Kausalität der Störstrahlung für zahlreiche Krankheitsbilder führten zur Zurückweisung der Masse der WDB-Anträge“, so Oberst a.D. Gertz. Daraufhin hätten sich die Geschädigten im „Bund zur Unterstützung Radarstrahlengeschädigter Deutschland e.V.“ (BzUR) organisiert.

Eine „Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlung in früheren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der NVA“, eingesetzt nicht zuletzt auf Veranlassung des Parlamentarischen Staatssekretärs im BMVg, Walter Kolbow, nimmt 2002 ihre Arbeit auf.

In ihrem 185-seitigen Bericht, der im Juli 2003 veröffentlicht wird, definiert die Radarkommission für die ionisierende Strahlung drei Phasen (I: bis 1975; II: 1975-1985; III: ab 1985) und empfiehlt unter anderem für die Phasen I und II maligne (bösartige) Tumore anzuerkennen, sofern sie mindestens fünf Jahre nach Beginn der Exposition entstanden sind.

„Der Bericht der Kommission führt zu einer erhöhten Anzahl von Anerkennungen in WDB-Verfahren. Es bleibt jedoch dabei, dass die Mehrzahl der Anträge und der anschließenden Klagen zurückgewiesen wird“, erinnert sich der DBwV-Ehrenvorsitzende.

Unterstützt vom Deutschen BundeswehrVerband habe der BzUR deshalb gefordert, für diese Art von Fällen die Darlegungslast zu streichen. Stattdessen sollte der Dienstgeber im Sinne einer Beweislastumkehr verpflichtet werden, die mangelnde Kausalität zu beweisen. „Leider führte diese Forderung nicht zum Erfolg“, so Gertz.

Doch die Politik bleibt nicht untätig: „Besonders der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verteidigung Walter Kolbow und sein Nachfolger Christian Schmidt stoßen immer wieder Überlegungen zur Gründung eines Entschädigungsfonds oder einer Stiftung an.“ Aber erst 2012 habe der Verteidigungsausschuss mit den Stimmen aller Fraktionen eine Resolution des Bundestages herbeigeführt, in der die Bundesregierung aufgefordert wird, eine Stiftung zur Unterstützung der Betroffenen zu errichten.

Treuhänderische Stiftung nimmt Arbeit auf

Am 22. Mai 2012 ist es soweit: Die „Treuhänderische Stiftung zur Unterstützung besonderer Härtefälle in der Bundeswehr und der ehemaligen NVA“ mit einem Grundstockvermögen von fünf Millionen Euro und einem Verbrauchsvermögen von jährlich einer Million Euro entsteht. „Schon im Folgejahr erhält die Stiftung auf Drängen von FDP-Haushälter Jürgen Koppelin drei weitere Millionen, von denen nach Entscheidung des Stiftungsrates zwei Millionen in das Grundstockvermögen und eine in das Verbrauchsvermögen fließen“, sagt Oberst a.D. Bernhard Gertz, der den Vorsitz im siebenköpfigen Stiftungsrat übernimmt. Die Treuhandkonstruktion hat allerdings Schwächen, die aber behoben werden können.

Der Stiftungsrat beschließt die Umwandlung in eine rechtsfähige Stiftung, das Soldatenhilfswerk der Bundeswehr als Treuhänder trägt die Entscheidung mit. Seit dem 31. Juli 2015 ist die „Deutsche Härtefallstiftung“ eine rechtlich selbständige Stiftung des Bürgerlichen Rechts und sowohl mildtätig als auch gemeinnützig tätig. Den Vorsitz im Vorstand überträgt der Stiftungsrat an Gertz.

In der ersten Zeit ist die Härtefallstiftung ein Helfer in der Not für strahlungsgeschädigte Soldaten, später zunehmend auch für Kameraden, die mit posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) aus den Einsätzen zurückkehren. Gertz: „Seit 2016 übersteigt die Anzahl der Anträge von PTBS-Erkrankten und seit 2018 auch das Aufkommen von Anträgen aufgrund sonstiger Gesundheitsschädigungen die Zahl der Radarstrahlenfälle deutlich.“ Die Gesamtzahl der jährlichen Anträge schwanke um die 90. 

Seitens des Verteidigungsausschusses, des BMVg und der jeweiligen Wehrbeauftragten werde besonders begrüßt, dass die Stiftung mit ihren Unterstützungsleistungen die Palette gesetzlicher Leistungen ergänzen kann. Und die Bilanz der Stiftungsarbeit kann sich sehen lassen: „Ende Januar 2021 waren 725 Anträge abgeschlossen und eine Gesamtsumme von rund 10,4 Millionen Euro an die Antragsteller ausbezahlt“, bilanziert der Vorsitzende des Vorstands. Dabei habe es sich um 314 Radarstrahlengeschädigte, 260 PTBS-Geschädigte und 151 Betroffene mit anderen Gesundheitsschäden gehandelt. 

Lob kommt dafür unter anderem von der aktuellen Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags: „Insbesondere die Fälle von Einsatzgeschädigten sind hoch komplex. Wo der Dienstherr an seine Grenzen gelangt, kann die Härtefallstiftung nachhaltig helfen“, heißt es in Eva Högls Jahresbericht für das Jahr 2020.

1,75 Millionen Euro jährlich vom Bund

Heute ist das Grundstockvermögen der Stiftung nach Gertz’ Angaben auf über acht Millionen Euro angewachsen. Für die Ausgaben der Stiftung dürfen nur die Erträge daraus verwendet werden. Als Verbrauchsvermögen erhält die Stiftung seit diesem Jahr jährlich 1,75 Millionen Euro vom Bund, zuvor lag diese Summe bei 1,5 Millionen Euro. Dieses Geld fließe vollständig in die Unterstützungsleistungen, betont der Stiftungsvorstandsvorsitzende. Für die sechs bei der Geschäftsstelle der Stiftung eingerichteten Dienstposten werde das Personal durch das BMVg gestellt.

Die Deutsche Härtefallstiftung

Organe der Stiftung sind der Vorstand, der Stiftungsrat und der Vergabeausschuss. Der Stiftungsrat besteht derzeit aus neunzehn Personen, darunter neun Abgeordnete des Deutschen Bundestags. Vorsitzende ist Sabine Bastek.
Dem dreiköpfigen Vorstand gehören Oberstarzt a.D. Prof. Dr. Viktor Meineke, General a.D. Hans-Peter von Kirchbach und Oberst a.D. Bernhard Gertz als Vorsitzender an.
Der Vergabeausschuss unter Leitung von Oberstarzt Prof. Dr. Matthias Port erarbeitet alle zwei Monate Empfehlungen für die Gewährung von Unterstützungen. Er setzt sich aus zahlreichen Experten zusammen. Die Entscheidung über die Empfehlungen trifft der Vorstand.

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