Stabsbootsmann Anja Machnicki während des Lehrgangs Schiffssicherungstruppführer im August 1993. Foto: privat

Stabsbootsmann Anja Machnicki während des Lehrgangs Schiffssicherungstruppführer im August 1993. Foto: privat

22.01.2021
Christine Hepner

„Natürlich hatte ich manchmal ein schlechtes Gewissen, aber das kennt ja jede Mutter”

Als Stabsbootsmann Anja Machnicki Soldatin wurde, gehörte sie noch zu den Exotinnen in Uniform. Zwar gab es weibliche Sanitätsoffiziere schon seit 1975 in der Bundeswehr, doch erst 1991 wurden die Laufbahnen für Unteroffiziere geöffnet. Wie es ihr in den vergangenen knapp 28 Jahren ergangen ist, über welchen Ausbilder-Spruch sie heute noch lachen kann, was sie den Männern verdankt – und warum die Öffnung aller Laufbahnen im Jahr 2001 für sie zu spät kam, das erzählt sie unserer Redakteurin Christine Hepner.
 
… über ihre Anfänge:
„Ich bin in Kiel groß geworden, deshalb war für mich klar: Ich gehe zur Marine – und sonst nix. Schon mein Vater war bei der Marine. An der Marineversorgungsschule auf Sylt, wo ich 1992 meine Grundausbildung gemacht habe, waren wir maximal 25 Frauen neben mehr als 120 Männern. Das Verhältnis änderte sich natürlich: im Lehrgang zum Fachunteroffizier der Sanität waren wir tatsächlich 25 – bei nur sieben Männern. Trotzdem war damals noch nicht bei allen angekommen, dass man in Gegenwart von Frauen gelegentlich auf seine Sprache achten sollte – unvergessen ist der Tag, an dem ich mit zwei Kameradinnen am Exerzierplatz vorbeiging und für Getuschel unter den Jungs sorgte. Der Ausbilder rief: ‚Da ist Ruhe im Glied!’ Wir haben herzlich gelacht. Und niemand wäre auf die Idee gekommen, irgendetwas Sexistisches dahinter zu vermuten.“

… das Leben als junge Mutter: 
„Meine Tochter war acht Jahre alt, als ich zur Marine ging. Teilzeit war damals völlig unbekannt. Ich hatte Glück: Der Vater meiner Tochter lebte in Kiel. Unter der Woche lebte meine Tochter bei ihm, am Wochenende habe ich sie abgeholt und komplett auf Mama umgeschaltet. Sonntagabend ging es zurück nach Sylt, um unter der Woche wieder Soldat zu sein. Das war zwar eine Doppelbelastung und ich hatte natürlich ein schlechtes Gewissen, aber das kennt wohl jede berufstätige Mutter. Ab 1994 durften dann auch Männer Erziehungszeit nehmen, die ganzen Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf kamen erst deutlich später.“

… ihre Soldatenfamilie:
„Ich habe ein tolles Verhältnis zu meiner Tochter, offenbar habe ich doch eine Menge richtig gemacht. Sie ist seit 2014 auch bei der Bundeswehr – und selbstverständlich auch bei der Marine. Natürlich hat sie mich mit Anfang zwanzig um Rat gefragt und sich bei der Bundeswehr schlaugemacht. Nach einer Ausbildung zur Restaurantfachfrau ist sie dann Soldatin geworden, jetzt ist sie Oberbootsmann und Personalsachbearbeiterin. Mittlerweile bin ich Omi und sehe, dass sie es mit dem Kind heute deutlich leichter hat als ich damals.“

… die Vereinbarkeit von Familie und Dienst:
„Heute gibt es Umstandsklamotten für schwangere Soldatinnen, in Kiel und Eckernförde wurden die ersten Kindergärten aus dem Boden gestampft. Wir hatten eine Lehrgangsteilnehmerin mit einem Kleinkind, die ist hier ganz normal in die Grundausbildung gegangen, hat ihr Kind morgens abgegeben und nachmittags wieder abgeholt. Da hat sogar, nach vorheriger Absprache, die Übernachtung geklappt. Da muss ich sagen, das gibt es so noch nicht mal im zivilen Leben.“

… das Miteinander von Frauen und Männern:
„Der Umgang war für mich nie ein Problem: Ich war ja schon 27, kam aus der Motorradszene, hatte Masseurin gelernt und konnte damit umgehen, wenn es mal einen derben Spruch gegeben hat. Grundsätzlich ist es bei der Bundeswehr so, wie ich es schon in der Schule erlebt habe – und später auch bei meiner Tochter gesehen habe: Es gibt immer einen kleinen Konkurrenzkampf zwischen Jungs und Mädchen, zwischen Männern und Frauen. Auch bei uns legen sich die Frauen meistens sehr ins Zeug und sagen beispielsweise beim Marsch: In meinem Rucksack ist das gleiche drin wie bei den Männern, warum soll ich eher schlappmachen? Ich habe es mal bei einem Lehrgang erlebt, da war ich die einzige Frau, und es hieß beim Marsch: Du gehst voran und gibst das Tempo vor. Weil ich aber mit 1,80 Metern größer war als einige der Kameraden, war ich zu schnell. Wir haben dann doch lieber nach Größe sortiert. Kameradschaft funktioniert ja in beide Richtungen!“

… Fragen der Gerechtigkeit: 
„Beim Sport sagt man uns Vorteile nach, weil uns andere Leistungen abverlangt werden. Ich bin nicht sicher, ob das wirklich sein muss: In anderen Berufen wird ja auch kein Unterschied gemacht – da heißt es dann: Friss oder stirb! Es ist schon wichtig, dass Frauen eine vernünftige Leistung bringen, denn wenn es tatsächlich mal hart auf hart kommt, muss ja jeder seinen Part leisten, da kann das nicht heißen: Frau kann das nicht. Als Frau muss man mal ab und zu zeigen, dass sie auch möchte und was sie draufhat. Aber Frauen und Männer können ja schon rein physiologisch nicht das Gleiche leisten, das ist nicht machbar, und da brauche ich mir auch nichts vormachen. Ich habe nicht die Voraussetzung gehabt, um Kampfschwimmerin zu werden. Aber wenn jemand sagt, ich bin so fit, ich komme aus der DLRG, dann soll sie das machen. Wenn sie die Leistungen bringen, die gefordert sind, dann sollen sie in jede Verwendung, die ihnen Freude macht. Wenn sie die Leistung bringt, dann müssen die Männer auch mal die Klappe halten und eingestehen, die Frau ist zu Recht da.

… ihren Einsatz:
„Ich habe mit dem Marinefliegergeschwader 3 am ORF-Einsatz teilgenommen, war für drei Monate in Mombasa/Kenia. Unter 140 Soldaten waren nur vier Frauen. Zwei bei den Marinesicherern, eine war mein Unteroffizier und eben ich als Fliegerarztgehilfe. Es gab dort das übliche Gerede. Sobald man Männlein und Weiblein mehrmals miteinander gesehen hatte, wurde ein Verhältnis unterstellt. Ich habe das häufiger erlebt und finde das sehr schade: Gerade im Einsatz ist es sehr wichtig, jemanden zu haben, dem man mal sein Herz ausschütten kann, beispielsweise wenn man mal Heimweh hat.“

… ihr Fazit
„Ich fand es sehr gut, dass 2001 alle Laufbahnen für Frauen geöffnet wurden. Als ich mich seinerzeit beworben habe, gab es nur zwei Möglichkeiten: Marinesanitätsdienst und Marinemusikkorps. Eigentlich wäre ich viel lieber Funker geworden. Insofern fand ich es gut, dass die Frauen nun andere Möglichkeiten haben. Die Bundeswehr hat sich dadurch geändert, das sieht man an Kleinigkeiten. Ich kann mir jetzt zum Beispiel Absatzschuhe oder einen Badeanzug abholen. Früher musste ich mir so etwas selbst aus einem Budget kaufen, mittlerweile gibt es diese Sachen dienstlich geliefert. Unterm Strich sage ich: Man sollte nicht nur das Augenmerk auf die Frauen richten. Die Bundeswehr gibt es jetzt seit 65 Jahren, da haben Männer viele Wege geebnet. Davon profitiere ich heute!“ 

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