Generalmajor Carsten Breuer, Chef des Kommandos Territoriale Aufgaben, leitete von Dezember 2021 bis Mai 2022 den Corona-Krisenstab im Kanzleramt. Foto: DBwV/Yann Bombeke

15.05.2022
Von Frank Jungbluth

„Wir wollten ein Bollwerk gegen Corona errichten – das ist uns gelungen”

Vor wenigen Tagen wurde der Bund-Länder-Corona-Krisenstab im Kanzleramt aufgelöst – das nachlassende Infektionsgeschehen machte es möglich. Fünf Monate lang war das Gremium unter der Leitung von Generalmajor Carsten Breuer (57) die Schaltzentrale an oberster Stelle, um die Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie in Deutschland zu koordinieren. Kurz vor der Auflösung des Krisenstabes haben wir mit Generalmajor Breuer, Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr, gesprochen. Der Sauerländer gilt als kühler Krisenmanager.

Herr General Breuer, seit zwei Monaten wird die Nachrichtenlage vom Ukraine-Krieg bestimmt. Trotz nach wie vor hoher Infektionszahlen hört man kaum noch etwas von Corona. Ist die Pandemie vorbei?

Generalmajor Carsten Breuer: Die Pandemie ist bestimmt noch nicht vorbei. Das merke ich jeden Tag wieder – nicht nur bei der Arbeit hier im Bundeskanzleramt. Natürlich ist der Krieg in der Ukraine ein furchtbares Ereignis, das die Menschen hier in  Deutschland und damit auch Politik und Regierung in Atem hält, aber man kann jetzt nicht sagen, dass eine Krise wichtiger als die andere ist. Wir müssen also in der Lage sein, beides zu handhaben. Wir müssen deshalb in allen Institutionen und auch in der Bevölkerung eine Mehrlagenfähigkeit haben.

Mit Blick auf die Impfzahlen, 76 Prozent der Bevölkerung, 63 Millionen Menschen, sind vollständig geimpft, aber nur 49 Millionen haben bisher das Angebot für die dritte Impfung, den Booster, angenommen. Kommt da – so kurz vorm Sommer – eine gewisse Laissez-faire-Haltung zum Vorschein?
 
Ja, aber man muss auch darauf schauen, wo wir herkommen. Als wir hier Anfang Dezember als Krisenstab im Kanzleramt die Arbeit aufgenommen haben, mussten wir uns der Tatsache eines akuten Impfstoffmangels stellen. Wir sahen eine neue Corona-Welle auf uns zukommen, deshalb war es zu diesem Zeitpunkt absolut notwendig, die Impfzahlen voranzubringen. Deshalb war auch der erste Auftrag an uns, die Impflogistik so aufzustellen, dass jeder im Land möglichst kurzfristig geimpft werden kann. Wir wollten vor allem ein Bollwerk gegen die Corona-Varianten Delta und Omikron bilden – das ist uns gelungen. Darüber hinaus haben wir es in kürzester Zeit geschafft, die Impf-Infrastruktur aufzustellen und genügend Impfstoff zu haben. Heute kann sich jeder in Deutschland, der es will, impfen lassen, und zwar ohne dass er einen Termin braucht oder irgendwo lange warten muss.

Wird das Angebot ausreichend genutzt?

Wir haben leider nach Weihnachten feststellen müssen, dass die Impfbereitschaft immer weiter abgenommen hat. Es ist aus dem Bewusstsein der Menschen weiter und weiter verschwunden, dass wir in einer, mit einer Pandemie leben. Man kann aber auch niemanden zum Impfen tragen, ich kann aber nur jedem raten, sich jetzt impfen zu lassen, um damit gut durch den Sommer und vorbereitet in den nächsten Herbst zu kommen. Um ein soldatisches Bild zu nehmen : Ich gehe auch nicht in ein Krisengebiet, ohne meine Schutzweste anzulegen. Die Impfung ist diese Schutzweste für uns alle. Mein Appell : Lassen Sie sich impfen. Lassen Sie sich boostern.

Wie ist Ihre persönliche Erfahrung mit der Pandemie?

Ich war zweimal an COVID erkrankt. Zum ersten Mal habe ich mich im November 2020 in der ersten schweren Phase infiziert. Da gab es noch keinen Impfstoff und ich habe eine durchaus heftige Erkrankung erlebt. Das zweite Mal habe ich mich vor sechs Wochen infiziert, da war ich zweimal geimpft und geboostert. Ich hatte in beiden Fällen ähnliche Symptome. Nur bei der zweiten Infektion war der Verlauf wesentlich milder. Das zeigt deutlich : Boostern sorgt zwar nicht dafür, dass man sich nicht anstecken kann, aber es sorgt für mildere Verläufe und vor allem dafür, dass man an COVID nicht zwangsläufig stirbt. Das zeigt übrigens auch die Statistik.

Stichwort vierte Impfung : Wäre die jetzt auch für die Jüngeren angesagt?

Wir lernen nach wie vor noch jeden Tag dazu. Das liegt auch daran, dass das Virus immer wieder neue Volten schlägt und neue Varianten ausbringt. Jeder, der jetzt sagt, er würde eine Impfung nicht brauchen, der wird der Tatsache nicht gerecht, dass Impfen absolut entscheidend ist, um die Pandemie wirksam zu bekämpfen. Die Empfehlungen, ab welchem Alter die vierte Impfung anzuraten ist, werden von der ständigen Impfkommission immer wieder angepasst. Der Impfstoff wiederum wird neuen Varianten angepasst und dann ist womöglich eine weitere Impfung erforderlich. Als Soldaten kennen wir das, immer wenn eine Lage sich ändert, muss ich mich mit aller Flexibilität darauf einstellen.
 
Aktuell befindet sich nur noch eine kleine einstellige Zahl an Soldatinnen und Soldaten in der Corona-Amtshilfe, das „Hilfeleistungskontingent Corona“ wurde vor wenigen Wochen beendet. Ist der Amtshilfe-Einsatz damit endgültig abgeschlossen? Können die Amtshilfemaßnahmen bei Bedarf, etwa beim Auftreten einer neuen, eventuell gefährlicheren Variante, schnell wieder hochgefahren werden?

Wir haben eine enorme Fülle von Amtshilfeanträgen gehabt, die während der vergangenen zwei Jahre gestellt worden sind. Wir reden von knapp 10.000 gebilligten Hilfeleistungsanträgen. Knapp 10.000 Mal, wo die Bundeswehr Corona-Amtshilfe geleistet hat. Das ist eine beeindruckende Leistung unserer Soldatinnen und Soldaten. Wir hatten insgesamt ein Kontingent von 25.000 Soldaten in der Spitze im Einsatz. Dieses Kontingent ist jetzt aufgelöst worden. Wir sind jetzt im Regelbetrieb, das heißt, wir prüfen bei allen Anträgen auf Amtshilfe auch weiterhin, ob die Kapazitäten dafür vorhanden sind, und wenn dem so ist, wird die Bundeswehr bei diesen Anträgen auch so unkompliziert unterstützen wie bisher.

Sie haben es eben gesagt, in der Spitze waren mehr als 25.000 Soldatinnen und Soldaten im Corona-Einsatz gebunden, es war der größte und längste Amtshilfe-Einsatz der Bundeswehr. Wie bilanzieren Sie diesen Einsatz?

Es war unheimlich fordernd für alle, die im Corona-Einsatz waren. Es war sehr fordernd für alle, die Entscheidungen zu treffen hatten. Aber es war vor allem für die fordernd, die Amtshilfe vor Ort umgesetzt haben. In den Impfzentren, in den Gesundheitsämtern, in Alten- und Pflegeheimen. Unsere Soldatinnen und Soldaten haben vor Ort garantiert, dass Hilfe und Unterstützung überhaupt ankam. Deswegen habe ich hohen Respekt vor allen, die es bis an die Grenzen ihrer Kräfte immer wieder möglich gemacht haben, dass diese Amtshilfe geleistet werden konnte. Hut ab vor dieser Leistung. Ich danke allen Soldaten und Soldatinnen, jeder und jedem einzelnen, für dieses außergewöhnliche Engagement.

Verschiedene Politiker haben sich dahin gehend geäußert, auch die Wehrbeauftragte, der Vorsitzende des BundeswehrVerbandes, der Generalinspekteur: Der Zivilschutz muss in die Lage versetzt werden, bei Katastrophen mehr Aufgaben zu übernehmen, damit sich die Bundeswehr auf ihren Kernauftrag konzentrieren kann. Wie sehen Sie das?

Die Medaille hat wie immer zwei Seiten : Am Ende steht immer, dass den Menschen, die in eine Notlage geraten sind, geholfen werden kann. Amtshilfe ist Nachbarschaftshilfe. Der Kernauftrag der Bundeswehr wiederum ist im Grundgesetz festgeschrieben – der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Es darf deshalb nicht so sein, dass man sagt, wir können andere Strukturen vernachlässigen, wir haben ja die Bundeswehr. Darauf verlassen wir uns. Die Bundeswehr kann immer nur dann subsidiär unterstützen, wenn andere an ihre Grenzen gekommen sind – und wenn wir selbst nicht in unserem Kernauftrag gebunden sind.
 
Mit Ihrer Berufung im Dezember 2021 in den neuen Corona-Krisenstab direkt im Kanzleramt sollte ein effizienter Stab aufgestellt werden. Ist das aus Ihrer Sicht gelungen?

Soldaten sind für Krisensituationen besonders befähigt, weil wir dazu ausgebildet sind, weil wir die gleiche Sprache sprechen, kurzum, weil wir in Krisen nicht nur reagieren, sondern auch agieren. Der Corona-Krisenstab war, als wir übernommen haben, acht Mann stark, jetzt sind wir 30 Frauen und Männer, zwei Drittel davon Soldaten. Ich habe von Anfang an ein hervorragendes Zusammenspiel zwischen den Ressorts, aber vor allem auch in Koordinierung zwischen Bund und Ländern erlebt. Wir haben hier aus dem Kanzleramt heraus eine große Durchschlagskraft entwickelt. Ich denke, das, was wir seit Dezember bis heute geleistet haben, das kann sich sehen lassen. Das akute Krisenmanagement ist, so glaube ich, ganz gut gelungen.

Müssen wir lernen, mit Corona zu leben?

Ein deutliches Ja. Für unseren Alltag wird das Virus ein Wegbegleiter bleiben und wir tun gut daran, wenn wir die Vorsichtsmaßnahmen weiterhin beherzigen. Hängen Sie Ihre Maske nicht an den Nagel. Die nächste Welle kommt bestimmt. Wir haben eine bewährte Testinfrastruktur, ebenso eine fürs Impfen, es ist genügend Impfstoff vorhanden, wir sind jetzt geübt, wie man schnell Patienten verlegt. Bundeskanzler Olaf Scholz, mit dem ich im beinahe täglichen Austausch bin, hat immer deutlich gemacht, dass alles, was wir machen, nachhaltig aufgestellt sein soll. Wir müssen im nächsten Herbst auf jeden Fall besser dastehen als im Jahr zuvor. Das bereiten wir jetzt vor. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Wenn wir jetzt ein Impfzentrum schlafen legen, weil die Impfzahlen im Sommer zurückgehen, dann sollte es im Herbst in kurzer Zeit wieder einsatzbereit sein, um dann auch reaktionsschnell impfen zu können.

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