Der Flugzeugträger "USS Theodore Roosevelt" Mitte März im Südchinesischen Meer. Foto: U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist Seaman Kaylianna Genier

Der Flugzeugträger "USS Theodore Roosevelt" Mitte März im Südchinesischen Meer. Foto: U.S. Navy photo by Mass Communication Specialist Seaman Kaylianna Genier

18.04.2020
Yann Bombeke

Einsatzbereitschaft: Wenn ein Virus einen Flugzeugträger lahmlegt

Berlin. Verteidigungsminister und Stabschefs in aller Welt sind in den vergangenen Wochen immer wieder mit einer Botschaft in die Öffentlichkeit getreten: Der Ausbreitung des Coronavirus SARS-Cov-2 zum Trotz sei die Einsatzfähigkeit der jeweiligen Streitkräfte nicht gefährdet. Aber mittlerweile zeigt sich, dass die Realität anders aussieht. Eine ganze Reihe von Beispielen verdeutlicht, dass militärische Vorhaben empfindlich durch den unsichtbaren Feind Corona gestört werden können – auch wenn die Einsatzbereitschaft als Ganzes vielleicht nicht gefährdet ist.

Als die Nato Ende März ihren Jahresbericht vorstellte, versicherte Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass die Einsatzfähigkeit des Bündnisses trotz der Ausbreitung des weiterhin gewährleistet sei. „Die Nato hat schnelle und robuste Maßnahmen ergriffen, um die Verbreitung des Virus einzugrenzen und die Risiken für unsere Leute einzuschränken“, sagte Stoltenberg.

Ebenso stand für den Generalinspekteur der Bundeswehr von Anfang an die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft im Mittelpunkt. „Auch unter den besonderen Bedingungen der Covid-19-Lage müssen und werden wir unsere Kernaufgaben erfüllen, ob in den Auslandseinsätzen, einsatzgleichen Verpflichtungen, Dauereinsatzaufgaben oder zu Hause im Grundbetrieb“, schreibt General Eberhard Zorn in seinem Tagesbefehl vom 17. März.
 
Brutstätte Flugzeugträger

Doch schon bald machten sich die Auswirkungen von Covid-19 bemerkbar, auch im Auslandseinsatz. Anfang April setzte die EU-Ausbildungsmission in Mali (EUTM Mali) den Dienstbetrieb weitgehend aus, weil es einen Infizierten in den eigenen Reihen gab. Auch im Irak ist die Ausbildungsmission bis zum 11. Mai unterbrochen, die deutschen Ausbilder wurden in die Heimat zurückgebracht. In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland warnte General Zorn am 7. April, die Auslandseinsätze der deutschen Streitkräfte in Frage zu stellen. „Die Sicherheitslage in den Einsatzländern verändert sich durch Corona nicht zum Positiven“, so der GI.

Wirklich großes Aufsehen, auch medial, erregte aber ein Ereignis im fernen Osten. Der Flugzeugträger „USS Theodore Roosevelt“ musste Ende März seine Mission im Südchinesischen Meer – einer Region mit enormer strategischer Bedeutung für die USA –unterbrechen und vor der Insel Guam festmachen: An Bord hatte es mehrere Corona-Fälle gegeben. Der Kommandant forderte in einer E-Mail an die Admiralität die Evakuierung des Schiffs, was erst mit einiger Verzögerung bewilligt wurde.

Der Hilferuf von Kommandant Captain Brett Crozier gelangte allerdings an die Öffentlichkeit. Crozier, mittlerweile selbst an Covid-19 erkrankt, wurde von der Marineführung unprofessionelles Handeln vorgeworfen, er musste das Kommando über die „Theodore Roosevelt“ abgeben.

Vollends zum Politikum wurde die Sache mit dem Rücktritt von Marineminister Thomas M. Modly. Der Druck auf Modly war zu groß geworden, nachdem dieser sich herabwürdigend über Captain Crozier geäußert hatte. Von den 4800 Soldaten an Bord der „Roosevelt“ haben sich nach Angaben der US Navy bis zum 12. April 585 mit dem Coronavirus infiziert. Ein Besatzungsmitglied ist an Covid-19 gestorben. Die US-Marine will den ganzen Vorgang genau untersuchen. Es wird vermutlich Wochen, wenn nicht gar Monate dauern, bis der US-Flugzeugträger wieder zum Einsatz auslaufen kann.

Mehr als 1000 Infizierte auf dem Flugzeugträger „Charles de Gaulle“

Noch härter trifft es die französische Marine: Das Flaggschiff "Charles de Gaulle“, ebenfalls ein Flugzeugträger, hat vor wenigen Tagen nach einer Übungsfahrt im Ostatlantik und in der Nordsee wieder im Heimathafen Toulon festgemacht. Der Kommandant hatte sich entschieden, die multinationale Übung „Mission Foch“ zu Ende zu bringen – obwohl da schon ein Dutzend Menschen an Bord an Covid-19 erkrankt waren. Inzwischen wurde die ganze Besatzung von 2300 Mann inklusive des eingeschifften Flugpersonals getestet: Bei 1081 Soldaten fiel der Test positiv aus, bestätigte am Freitag (17. April) die französische Verteidigungsministerin Florence Parly vor der Verteidigungskommission des Parlaments. Rund 300 Testergebnisse stehen demnach noch aus. Zurzeit werde die „Charles de Gaulle“, Frankreichs einziger Flugzeugträger, dekontaminiert, ein erneutes Auslaufen könne „ab Juni ins Auge gefasst werden“, so die Ministerin. In Frankreich geht man davon aus, dass das Virus Mitte März bei einem Aufenthalt in der Hafenstadt Brest an Bord des Schiffs gelangte.

Schon im Februar hatten die zahlreichen Fälle auf zivilen Kreuzfahrtschiffen gezeigt, dass sich das Coronavirus in diesem maritimen Umfeld besonders wohl fühlt: Viele Menschen auf engem Raum sind eine ideale Brutstätte. Auf militärischen Schiffen ist der Platz noch begrenzter, der körperliche Kontakt im Dienst unvermeidbar. Wenn ein Flugzeugträger wie die „Charles de Gaulles“, deren „Rafale“-Kampfjets schon mehrfach im Einsatz gegen den IS waren, für mindestens zwei Monate ausfällt, dann kann man schon von einer nicht unerheblichen Einschränkung der Einsatzfähigkeit sprechen. Wenig tröstlich ist dabei der Gedanke, dass das Virus keine Grenzen kennt und es somit jede Streitkraft auf der Erde treffen kann.

Keine Verdachtsfälle auf der Fregatte „Lübeck

Begleitet wurde die „Charles de Gaulle“ auf ihrer Übungsfahrt von der Fregatte „Lübeck“, die am 15. April nach knapp zwei Monaten auf See wieder im Marinestützpunkt Wilhelmshaven eingelaufen ist. Ein Sprecher der Marine bestätigte der DBwV-Redaktion, dass es während der Fahrt im multinationalen Flugzeugträgerverband „Mission Foch“ keine direkten Kontakte zur Besatzung der „Charles de Gaulle“ gegeben habe. Auf den sonst auf solchen Fahrten üblichen Personalaustausch habe man aufgrund der Corona-Lage verzichtet, erklärte der Sprecher. Eine weise Entscheidung, wie sich nun zeigt. Für die Besatzung der „Lübeck“ seien auch keine weiteren Isolierungsmaßnahmen notwendig, da das Schiff mehrere Wochen auf See war und keine Verdachtsfälle festgestellt wurden.

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