Mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam. Gut 60 von ihnen sind Wissenschaftler.

Mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam. Gut 60 von ihnen sind Wissenschaftler.

08.03.2021
Frank Jungbluth

„Nur wer die Geschichte kennt, kann aus der Vergangenheit lernen und Neues gestalten.“

Im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam wird die Vergangenheit erforscht, damit man vielleicht auch Lehren aus der langen Geschichte ziehen kann. 

Das Gedächtnis und die Denkfabrik des deutschen Militärs findet sich hinter Mauern und zwischen Bäumen in einer traumhaft schönen Parkanlage am Rande der geschichtsträchtigen Garnisonsstadt Potsdam. Man kann also durchaus sagen, dass Oberstleutnant Dr. Harald Fritz Potempa in seiner Eigenschaft als Pressestabsoffizier einen der schönsten und auch spannendsten Arbeitsplätze der Bundeswehr hat.

Alles um ihn und seine 100 Kolleginnen und Kollegen herum atmet Geschichte und auch in diesen Corona-Zeiten verstehen es die Wissenschaftler des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), ihr Publikum mit immer neuen Geschichten aus der Vergangenheit und sozialwissenschaftlichen Tendenzen aus der Gegenwart zu begeistern. Neuerdings auch digital, denn Corona sorgt auch hier dafür, dass es keine öffentlichen Vorträge oder Diskussionsrunden zu den drängenden Fragen der Zeit, die sich aus der Vergangenheit und aus dem Blick auf die Zukunft stellen, angeboten werden können. Dann spricht man eben virtuell zu den Interessierten am Geschehen. 

Mit Podcasts erreicht man die Freunde der Militärgeschichte, die auch lokal interessant wird, wenn man zum Beispiel erfährt, dass die frühere Garnisonkirche, über deren Wiederaufbau man in der brandenburgischen Landeshauptstadt engagiert streitet, Platz für sage und schreibe 4000 Besucher hatte. Die Nazis hatten die Kirche nach Hitlers Machtergreifung für ihre Propaganda missbraucht und den „Tag von Potsdam“ mit dem greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg gefeiert, andererseits waren Widerstandskämpfer gegen Hitler und Männer des 20. Juli wie Henning von Tresckow und Helmuth James von Moltke Mitglieder der Garnison-Kirchengemeinde. Das wird gerne vergessen, wenn manche – von gewissen Interessen geleitet – eher eindimensional auf die tatsächlichen Fakten der Geschichte schauen wollen.

Die Geschichte der Kirche, die teilweise wiederaufgebaut werden soll, zeigt den Widerspruch in der militärhistorischen Forschung für die Jahre zwischen 1933 und 1945. Da sind die Verbrechen der Wehrmacht auf der einen, die Offiziere des Widerstandes auf der anderen Seite, die Soldaten der Wehrmacht, die Frauen und Kinder töteten, sich an Hitlers Rassenkrieg beteiligten und andererseits die vielen hunderttausenden, die in den letzten Kriegswochen in den Ostprovinzen des damaligen Reiches Millionen Zivilisten vor der anrückenden Roten Armee der Sowjetunion in Sicherheit brachten.

Natürlich kann ein Historiker wie Dr. Harald Fritz Potempa gewissermaßen aus dem Stand auch über die Militär- und Staatsreformen nach der Schlacht von Jena und Auerstedt (1806) referieren, und was wir heute daraus lernen können.

„Wir reden hier über die nicht gesicherte Gegenwart, die ist für den Historiker – wie auch die Zukunft – immer reine Spekulation. Aber, wenn ich die Vergangenheit betrachte, dann ist es sicherlich richtig, dass der Leidensdruck relativ groß sein muss, damit Dinge in Bewegung gesetzt werden, damit sich Sachen und auch Strukturen ändern und damit vor allem auch die Bereitschaft der Verantwortlichen überhaupt da ist, die vorhandenen Strukturen verändern zu wollen. Dazu muss es keinen verheerend verlorenen Krieg geben. Aber die Zeit nach 1806 und die daraus folgenden Befreiungskriege haben sicherlich den Mythos im späteren Kaiserreich und auch danach begründet, den man so beschreiben kann: Katastrophale Niederlage, daraus lernen wir, wir verändern alles und danach siegen wir.“

Während unseres Redaktionsbesuches erleben wir, dass die militärhistorische Forschung und ihre Kommunikation angesichts der Tatsache, dass die sonst jährlich üblichen gut 100 Veranstaltungen des ZMSBw jetzt nicht stattfinden dürfen und können, mit der Zeit geht: Der Kommandeur, Kapitän zur See Jörg Hillmann, nähert sich, um, wie auch der leitende Wissenschaftler Prof. Dr. Michael Epkenhans, an diesem Tag einen aktuellen Podcast in einem Raum nebenan aufzunehmen. So pustet man mit dem digitalen Zeitgeist den Staub von der Geschichte und ist damit in guter Tradition der Militärforschung der Bundeswehr, die in diesem Jahr ebenso alt wie die Truppe selbst wird und somit gewissermaßen auch den 65. Geburtstag der Bundeswehr als ihr historisches Gedächtnis mitfeiert, wenn auch die Geschichte schon 1952 begann.

Im Amt Blank, wo seit der Himmeroder Denkschrift von 1950 die Aufstellung einer westdeutschen Armee mehr oder weniger im Verborgenen geplant wurde, richtet man schon 1952 ein Referat für Zeitgeschichte ein. Am 1. Januar 1957 wird die Militärgeschichtliche Forschungsstelle in Langenau nahe Ulm aufgestellt. Daraus wird ein Jahr später das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA), das wiederum im Oktober 1958 nach Freiburg im Breisgau umzieht, wo auch das Bundesarchiv-Militärarchiv seinen Sitz hat. Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften, wie man es heute kennt, ist am 1. Januar 2013 in Potsdam am heutigen Standort in der Villa Ingenheim an der Zeppelinstraße in Potsdam. Auch von 1958 bis 1990 wurde hier schon zur Militärgeschichte geforscht, von Wissenschaftlern der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR.

Historische Bildung ist ein Auftrag und eine entscheidende Funktion, die man beim ZMSBw mehr als ernst nimmt. Nicht ohne Sinn ist die Einrichtung mit ihren mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in der Mehrzahl Historiker, dem Zentrum für Innere Führung unterstellt. Dort pflegt man die Errungenschaft des Staatsbürgers in Uniform, eine umso herausforderndere Aufgabe, seit die Wehrpflicht vor zehn Jahren ausgesetzt worden ist.

Die haben nach 1806 die Preußen eingeführt, als sie nach der furchtbaren Niederlage von Jena und Auerstedt zu der Erkenntnis kamen, dass man mit Landsleuten, die überzeugt sind, auch im Felde mehr Staat machen kann als mit gedungenen Söldnern. Gleichzeitig hat man damals die Schikane als Mittel der Erziehung beim Militär abgeschafft. Man dachte nach Jena und Auerstedt fast schon an den Staatsbürger in Uniform.

Aus der Vergangenheit lernen, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft im Blick haben zu können – das wäre die beinahe schon philosophische Betrachtung dessen, was man aus den Zeiten der Niederlage Preußens von Jena und Auerstedt mit ins Hier und Jetzt nehmen kann. „Der Bogen ist weit gespannt, vieles ist anders und eine militärische Niederlage dieses Ausmaßes ist der Bundeswehr Gott sei Dank erspart geblieben“, sagt Dr. Harald Fritz Potempa. Das sei, sagt der Pressestabsoffizier, ohnehin das Großartige an der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 und der Deutschen Einheit 1990: „Es ist kein Schuss gefallen für diesen neuen Staat nach der Vernichtung des Zweiten Weltkrieges.“ Deshalb also auch das Credo des ZMSBw – „Nachdenken über deutsche Geschichte und Militärgeschichte und politische und historische Bildung heute.”

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