Klaus-Friedrich Flade an Bord der "MIR". Mit dabei ist die Maus aus der "Sendung mit der Maus". Foto: DLR

Klaus-Friedrich Flade an Bord der "MIR". Mit dabei ist die Maus aus der "Sendung mit der Maus". Foto: DLR

23.11.2021
Von Michael Rudloff

Ein DBwV-Mitglied erreichte sogar den Orbit

Eine Kooperation im Weltall wurde zum Symbol für das Ende des „Kalten Krieges“ auf der Erde.

„Und wenn alles klappt, dann hat nächstes Jahr der Deutsche Bundeswehr-Verband sein erstes Verbandsmitglied in der Erdumlaufbahn, einen Kosmonauten mit der DBwV-Mitgliedsnummer 36 84 92-6“. So stimmte vor 30 Jahren „Die Bundeswehr“ voller Stolz auf die für März 1992 vorbereitete erste gemeinsame Raumfahrtmission des wiedervereinten Deutschlands mit der UdSSR ein, auf die sich der damals 39-jährige Luftwaffenmajor Klaus-Dietrich Flade vorbereitete.

Die Zusammenarbeit in der prestigeträchtigen Raumfahrt weckte die Hoffnung, dass der „Kalte Krieg“ endgültig Geschichte sei und Entspannung, Annäherung und ein neues Miteinander die künftige deutsch-sowjetische Tagesordnung bestimmen würden. Bei ihrem historischen Treffen voller symbolischer Gesten im Kaukasus im Juli 1990 hatten Michail Gorbatschow mit Helmut Kohl den Gedanken entwickelt, dass eine gemeinsame Raumfahrtmission die deutsch-sowjetischen Beziehungen öffentlichkeitswirksam unterstreichen kann.

„MIR“ als Symbol für „Weltfrieden“

Wenige Tage nach der Herstellung der Einheit Deutschlands wurden die künftigen deutschen Kosmonauten Klaus-Dietrich Flade und Reinhold Ewald in Dresden vorgestellt. Gemeinsam mit sowjetischen Kollegen sollten sie im März 1992 zu der 1986 in Betrieb genommenen bemannten Raumstation „MIR“ fliegen. Deren russischer Name, der sowohl mit „Welt“ als auch mit „Frieden“ übersetzt werden kann, bildete ein willkommenes Symbol für „Weltfrieden“. Eine wichtige Vermittlerrolle bei der Herstellung der notwendigen Kontakte übernahm Siegmund Jähn, der 1978 als erster Deutscher im All gewesen war. Für die mehrtägige Mission wurden 14 Experimente aus den Bereichen Medizin, Biologie, Physik und Materialforschung vorbereitet. Im November 1990 begannen Flade und Ewald das einjährige Basistraining im Kosmonautenausbildungszentrum des Sternenstädtchens (Swjosdny Gorodok) bei Moskau. An dessen Ende fiel die Entscheidung, dass Flade der MIR-92-Flugmannschaft angehören und Ewald sein Double sein sollte.

Vom „Starfighter“ ins Raumschiff

Dem 1952 im rheinland-pfälzischen Büdesheim geboren Klaus-Dietrich Flade war die Fliegerei in die Wiege gelegt. Sein Vater, Generalmajor Hans-Ulrich Flade, gehörte 1960 zu den ersten sechs Piloten der Luftwaffe der Bundeswehr, die sich in den USA zu Fluglehrern für den Lockheed F-104 Starfighter ausbilden ließen. Seine Begeisterung für diese „bemannte Rakete“ konnte auch ein glücklich überlebter Absturz nicht schmälern. Er übertrug dies auf seinen Sohn, den er sich bei seinen Landungen in Memmingen zur Wartung seines Starfighters anforderte. Klaus-Dietrich Flade war 1974 in die Bundeswehr eingetreten, wo er zunächst eine Ausbildung zum Flugzeugmechaniker durchlief. Ein 1976 begonnenes Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr München beendete er 1980 als Diplom-Ingenieur. Danach war er als Flugzeugführer auf den Mustern F-104 Starfighter und Panavia Tornado eingesetzt. In den Jahren 1988/89 ließ er sich in England zum Testpiloten ausbilden.

Von der Raumfahrt träumte er in dieser Zeit nicht; auch als er die Mondlandung auf dem Fernseher verfolgte, sei der Funke nicht übergesprungen, bekannte er später in einem Interview. Nach einem schwierigen Manöver über dem Lechfeld sei er von seinem Vorgesetzten gefragt worden, ob er Astronaut werden wolle. Kurzentschlossen habe er mit „Ja“ geantwortet. Am Ende der Blockkonfrontation ausgewählt zu werden, „in das Heiligtum der Sowjetunion einzutreten und an einer Raummission teilzunehmen“, habe ihn sehr stolz gemacht und euphorisiert, so dass kein Raum für Zweifel blieb. Die herzliche Begrüßung durch Legenden der Raumfahrt auf dem Moskauer Flughafen ließ ihn sein flaues Gefühl bei seinem Schritt hinter den ehemaligen „Eisernen Vorhang“ vergessen. Kein Geringerer als Generalmajor Alexei Leonow, 1975 Teilnehmer der ersten sowjetisch-amerikanischen Kooperation im All, empfing den Major der Bundeswehr mit dem sowjetischen Bruderkuss.

Kein Rückfall in eine neue „Eiszeit im Wetall“

Während sich die beiden deutschen Anwärter in dem abgeschotteten Sternenstädtchen für den Weltraumflug trainierten, spitzte sich im etwa 50 Kilometer westlich gelegenen Moskau die Auseinandersetzung um die Zukunft der Sowjetunion dramatisch zu. Am 19. August 1991 versuchten konservative Kräfte in der sowjetischen Führung, mit einem Staatsstreich die Unterzeichnung eines neuen Unionsvertrags durch den Präsidenten Gorbatschow und eine Gruppe der Republikchefs zu verhindern. Der Versuch, auf diese Weise die Umwandlung der Sowjetunion in eine eher lose Konföderation aufzuhalten, scheiterte nach wenigen Tagen am Widerstand der Bevölkerung und der Weigerung der Streitkräfte, den Putschisten Folge zu leisten. Die Verzweiflungstat verkehrte sich in ihr Gegenteil und bewirkte den endgültigen Zerfall der Sowjetunion. Zum Ende des Jahres 1991 war die einstige Supermacht Geschichte.

Zahlreichen deutsch-sowjetischen Projekten drohte ein vorzeitiges Aus. Damit schien auch das Ende des gemeinsamen Raumunternehmens besiegelt. „Nix Weltall“ titelte bereits die Bild-Zeitung. Eine dpa-Meldung beendete die Furcht vor einer neuen „Eiszeit im Weltall“ und brachte die erlösende Nachricht, dass die Mission als nun deutsch-russische Kooperation weitergeführt werde. Bereits im September 1991 konnten die deutschen Kosmonauten-Kandidaten ihr Training im Ausbildungszentrum „Juri Gagarin“ fortsetzen. Im anschließenden Missionstraining bereiteten sich Flade und Ewald bis zum 26. Februar 1992 auf ihre Aufgaben vor.
 
Weltraummedizin eröffnet neue Einblicke

Am 17. März 1992 hob das Raumschiff Sojus TM-14 mit der 11. Stammbesatzung der „MIR“, Kommandant Alexander Wiktorenko, Bordingenieur Alexander Kaleri und Forschungskosmonaut Klaus-Dietrich Flade, vom Weltraumbahnhof Baikonur im nun unabhängigen Kasachstan ab. Es war der erste Raumflug seit dem Ende der UdSSR.

Vom Start zeigte sich der erfahrene Pilot wenig beeindruckt, da die Rakete längst nicht so beschleunigte, wie er es von seinen Starfighter- und Tornadoflügen her kannte. Am 19. März koppelte die Sojus an die Raumstation an. Während der sechs Tage an Bord erforschte Flade bei einem täglichen Arbeitspensum von 16 Stunden thermodynamische Eigenschaften verschiedener Substanzen und führte materialwissenschaftliche Tests für die Züchtung reiner Kristalle durch. Auf medizinischem Gebiet untersuchte er Veränderungen im Erbgut (Chromosomenanalyse), den Schlaf-Wach-Rhythmus und die Auswirkung auf die physische sowie psychische Leistungsfähigkeit, die Funktion des Gleichgewichtsorgans und das Orientierungsvermögen, die Merkleistung des Kurzzeitgedächtnisses, die Verteilung von Körperflüssigkeit in Muskeln und Gefäßen sowie die Hormonregulation im menschlichen Organismus. Praktische Anwendung fanden die hier gewonnen Erkenntnisse bei der Verbesserung von Behandlungsmethoden im Gesundheitswesen. Für die populärwissenschaftliche Vermittlung begleitete die Maus aus der „Sendung mit der Maus“ im silbernen Raumanzug die Mission und vermittelte das Ereignis den jungen Zuschauern auf der Erde.

 

Grenzüberschreitendes Gemeinschaftsgefühl

Nach fast acht Tagen in All brachte eine Landekapsel Klaus-Dietrich Flade am 25. März 1992 sicher auf die Erde zurück. Der Blick aus dem Weltraum auf die Erde bestärkte ihn in dem Bewusstsein, wie notwendig die grenzüberschreitende Kooperation ist. Er kenne kaum einen Raumfahrer, der aus dem All zurückkommt und noch national denkt: „Man wird international.“ Dieses Gemeinschaftsgefühl spüre er bei den regelmäßigen Treffen der 1983 initiierten Association of Space Explorers (ASE), deren ideelles Ziel es ist, „die weltweite, planetare, Zusammenarbeit aller Menschen, ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer Nation oder Rasse, auf allen erdenklichen Gebieten zu fördern und zu verwirklichen“.

1997 folgte Reinhard Ewald auf die „MIR“. Genau neun Jahre nach Flades Flug, am 23. März 2001, wurde die russische Raumstation gezielt zum Absturz gebracht. Die ursprünglich für eine Lebensdauer von sieben Jahren ausgelegte Station hatte in den 15 „Dienstjahren“ die Erde 86.325 Mal in einer Höhe von 390 Kilometern über der Erdoberfläche umrundet.

1995 schied Klaus-Dietrich Flade im Rang eines Oberstleutnants aus der Bundeswehr aus. Trotz eines Angebots, an einem weiteren Weltraumflug teilnehmen zu können, entschied er sich für das Angebot aus Frankreich, Testflieger bei Airbus in Toulouse zu werden. Seit einigen Jahren ist er pensioniert und lebt mit seiner Frau im Unterallgäu. Dem Deutschen BundeswehrVerband hält er seit nunmehr 45 Jahren die Treue.

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