Sie ist eine der wichtigsten sicherheitspolitischen Veranstaltungen überhaupt: Die Münchner Sicherheitskonferenz im Hotel Bayrischer Hof. Foto: MSC

Sie ist eine der wichtigsten sicherheitspolitischen Veranstaltungen überhaupt: Die Münchner Sicherheitskonferenz im Hotel Bayrischer Hof. Foto: MSC/Kuhlmann

18.02.2022
yb/dpa

Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz: Ukraine-Krise im Mittelpunkt

Eine Fülle von Krisen bedrohen weltweit Stabilität und Sicherheit – wie erwartet dominiert aber ein Thema die heute gestartete Münchner Sicherheitskonferenz: Die drohende Eskalation im Konflikt um die Ukraine.

München. „Ich glaube, dass dies die bedeutendste Sicherheitskonferenz in meiner 14-jährigen Amtszeit ist“, sagte Wolfgang Ischinger, scheidender Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) gleich zum Auftakt des dreitägigen Treffens. Der Ukraine-Konflikt sei eine wirklich bedrohliche Krise, sagte Ischinger.

Außenministerin Annalena Baerbock forderte Russland zu einem umgehenden Abzug seiner Truppen von der Grenze zur Ukraine auf. Erste Signale dahingehend seien ein „Hoffnungsschimmer“, nun seien aber auch Taten nötig, sagte die Grünen-Politikerin, die gemeinsam mit ihrem US-Amtskollegen Antony Blinken das erste Diskussions-Panel der MSC bestritt.

Es drohe Krieg mitten in Europa. „Russland spricht mit seinem Truppenaufmarsch eine absolut inakzeptable Drohung aus. Gegenüber der Ukraine. Aber auch gegenüber uns allen – und unserer Friedensarchitektur in Europa“, sagte Baerbock. „Diese Krise ist deswegen keine Ukraine-Krise. Sie ist eine Russland-Krise.“ Baerbock betonte: „Wer gemeinsam in Sicherheit leben will, der droht einander nicht.“

Wenn es zu einem russischen Angriff auf die Ukraine komme, dann hätte dies massive Konsequenzen für Russland – finanziell, politisch und wirtschaftlich, warnte sie. Zugleich bekräftigte Baerbock die Bereitschaft zu einem ernsthaften Dialog mit Moskau über Sicherheit und Frieden in Europa.

Dies sei nun einer der gefährlichen Momente, in denen aus Provokation und Desinformation Eskalation werden könne – dieses Spiel mache man nicht mit. Man arbeite mit aller Kraft an konstruktiven Wegen aus der Krise – im Normandie-Format mit Frankreich, Russland und der Ukraine, in der EU, in der NATO. „Wir ringen um jeden Millimeter. Aber jeder Millimeter ist besser als keine Bewegung.“

Dabei betonte Baerbock die transatlantische Geschlossenheit: „Entschlossen sind wir mit Blick auf die Maßnahmen, die wir für den Fall eines Vorgehens Russlands gegen die Ukraine vorbereiten. Diese Sanktionen wären präzedenzlos und mit allen Partnern abgestimmt und vorbereitet“, sagte sie – und nannte auch die umstrittene Pipeline Nord Stream 2. „Wir als Deutschland sind bereit, selber dafür einen hohen wirtschaftlichen Preis zu bezahlen. Deswegen liegen für mich, liegen für uns, alle Optionen auf dem Tisch, auch Nord Stream 2.“

Baerbock betonte, man stehe zur territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine. Sie fügte aber auch hinzu: „Über den Weg, den ein Land gehen will, können nur das Land selbst, und vor allen Dingen seine Menschen entscheiden. Wir verhandeln nicht über den Kopf der Ukraine hinweg.“

Auch die US-Regierung sieht weiter eine hohe Gefahr einer militärischen Eskalation durch Russland in der Ukraine-Krise. US-Außenminister Blinken sagte, auch wenn die US-Regierung mit ihren Partnern alles Denkbare für eine diplomatische Lösung tue, sei man „zutiefst besorgt, dass dies nicht der Weg ist, den Russland eingeschlagen hat“. Alles, was derzeit zu beobachten sei, sei „Teil eines Szenarios, das bereits im Gange ist: nämlich falsche Provokationen zu schaffen, dann auf diese Provokationen reagieren zu müssen und schließlich eine neue Aggression gegen die Ukraine zu begehen“. Die US-Regierung warnt seit längerem davor, Moskau könne künstlich einen Vorwand inszenieren, um einen Angriff auf die Ukraine öffentlich zu rechtfertigen.

Blinken betonte, die größte Stärke der westlichen Partner in der Krise sei ihre Zusammenarbeit und Solidarität. Er glaube, der russische Präsident Wladimir Putin sei „etwas überrascht“ darüber, wie eng die Nato-Staaten und die Europäische Union in der Krise zusammenstünden. „Solange wir diese Solidarität aufrechterhalten, werden wir so oder so – egal welchen Weg Präsident Putin wählt – bereit sein zu reagieren“, sagte der US-Außenminister.

Zuvor hatte UN-Generalsekretär Antonio Guterres die aktuelle Lage als bedrohlicher als im Kalten Krieg bewertet. Der Portugiese rief in der Eröffnungsrede zur MSC alle Beteiligten in der Ukraine-Krise zur Deeskalation auf. Es gebe keine Alternative zur Diplomatie, sagte Guterres. „Ich rufe alle Parteien auf, mit ihrer Rhetorik extrem vorsichtig zu sein. Öffentliche Stellungnahmen sollten das Ziel haben, Spannungen zu reduzieren, nicht diese anzuheizen.“

Guterres wies auf die Gefahr einer unkalkulierbaren Eskalation hin. Diese könne auch durch Kommunikationspannen und Fehlannahmen ausgelöst werden. „Oft werde ich gefragt, ob wir uns in einem neuen Kalten Krieg befinden. Meine Antwort ist, dass die Bedrohung der globalen Sicherheit nun komplexer und wohl wahrscheinlich größer ist als in jener Zeit“, sagte Guterres. Im Kalten Krieg habe es zudem Mechanismen zur Risikobewertung und informelle Wege der Prävention gegeben. „Heute existieren die meisten dieser Systeme nicht mehr und die darin geübten Menschen sind nicht mehr da“, sagte er.

Die russische Truppenkonzentration an der Grenze zur Ukraine und zunehmende Spekulation über einen militärischen Konflikt sehe er mit tiefer Sorge. Guterres: „Ich denke noch immer, dass es nicht passiert. Aber wenn es passiert, wäre es eine Katastrophe.“

In den letzten Jahren sei die Welt komplexer und gefährlicher geworden. Guterres nannte dafür fünf Gründe. Die geopolitische Kluft sei größer und tiefer geworden. Zudem griffen Spannungen größerer Mächte auf weitere, mitunter scheiternde Staaten über. „Früher gab es Putsche alle paar Jahre, im Jahr 2022 gibt es sie alle paar Wochen.“ Drittens gebe es weltweit Terrorgefahren. Dazu feuerten Ungleichheiten, der Klimawandel und die Corona-Pandemie Krisen an. Er bilanzierte fünftens, dass digitale Technologien es immer einfacher machten, schwere Schäden anzurichten.

An dem weltweit wichtigsten Expertentreffen zur Sicherheitspolitik nehmen insgesamt 30 Staats- und Regierungschefs teil, außerdem mehr als 80 Minister. Nachdem die MSC im vergangenen Jahr Pandemie-bedingt nur digital ausgetragen wurde, findet sie nun wieder in Präsenz am üblichen Ort im Hotel Bayrischer Hof in München statt – wenn auch abgespeckt: Wo sonst um die 2000 Menschen aus aller Welt eingeladen waren, sind in diesem Jahr rund 600 Gäste vor Ort.

Für US-Vizepräsidentin Kamala Harris wird es der erste Auftritt vor einem europäischen Publikum. In München werden bis Sonntag auch Reden von Bundeskanzler Olaf Scholz und des ukrainischen Präsidenten Wolodomyr Selenskyj erwartet. Vertreter der russischen Regierung nehmen erstmals nicht an dem Treffen teil.

Für Wolfgang Ischinger ist es die letzte MSC als Vorsitzender. Er übergibt die Leitung dann an den Diplomaten Christoph Heusgen.

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