Eine Drohne vom Typ Heron TP der israelischen Streitkräfte. Dieses bewaffnungsfähige Modell soll auch bei der Luftwaffe zum Einsatz kommen - zumindest als Übergangsmuster, bis in Zukunft ein europäisches Modell zur Verfügung steht. picture alliance / dpa | Abir Sultan

Eine Drohne vom Typ Heron TP der israelischen Streitkräfte. Dieses bewaffnungsfähige Modell soll auch bei der Luftwaffe zum Einsatz kommen - zumindest als Übergangsmuster, bis in Zukunft ein europäisches Modell zur Verfügung steht. picture alliance / dpa | Abir Sultan

29.09.2020
Yann Bombeke

Bewaffnete Drohnen: Endspurt in einer jahrelangen Debatte - Bundesvorsitzender als Experte in Anhörung

Berlin. Seit vielen Jahren wird über sie diskutiert, im politischen Raum seit mehr als zehn Jahren, in den Streitkräften schon deutlich länger: Es geht um bewaffnete Drohnen. Jetzt zeichnet sich – endlich – ein Ende der Debatte ab: Am kommenden Montag (5. Oktober) wird sich der Verteidigungsausschuss erneut dem Thema Drohnen widmen, und zwar mit einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen. Als Experte mit dabei: der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner.

Der Deutsche BundeswehrVerband setzt sich seit vielen Jahren für die Beschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr ein, der Verband war es seinerzeit, der die Debatte auch in die Politik und damit in den öffentlichen Raum mittrug. Der DBwV machte das bereits 2014 bei einer Anhörung im Verteidigungsausschuss deutlich. Die bitteren Erfahrungen in Afghanistan, etwa mit dem Karfreitagsgefecht im April 2010, aber auch viele andere Kampfhandlungen, die zahlreiche Opfer in den Reihen der Bundeswehr forderten, ließen eine Frage immer lauter werden: Hätte manches Gefecht, mancher Anschlag weniger Blutzoll gefordert, wenn man über bewaffnete Drohnen verfügt hätte? Zumindest hätte man eine weitere Option zur Reaktion gehabt und hätte womöglich Leben retten können.

In einigen dieser Situationen kreisten Drohnen über dem Geschehen, sie waren aber nicht bewaffnet, hatten lediglich Kameras an Bord. „Verdammt zum Zusehen“ – so hat ein Offizier der Luftwaffe, der die Beobachtungsdrohne Heron 1 in Einsätzen in Afghanistan und Mali steuerte, dieses Dilemma bei einer Präsentation des BMVg vor wenigen Monaten beschrieben. Ein anderer Offizier berichtete bei der Gelegenheit vom Raketenbeschuss auf das Camp Pamir nahe Kunduz, ebenfalls in Afghanistan. Die Raketen schlugen im Camp ein, man wusste, wo die Abschussrampen des Feindes lagen – und konnte nichts dagegen tun, außer, sich zu verstecken. „Verdammt zum Abwarten“ – so bezeichnete es der Soldat.

Für keinen Soldaten der Welt kann das eine befriedigende Situation sein: Zusehen, wie Kameraden in Lebensgefahr geraten und nichts dagegen tun können. Oder beschossen werden, ohne reagieren zu können. Die Vorteile von bewaffneten Drohnen liegen auf der Hand – eigentlich bräuchte es nicht mehr als die beiden oben genannten Beispiele, um auch den letzten Skeptiker zu überzeugen. Und dennoch war eine jahrelange Debatte notwendig, die sich, wie es nun aussieht, endlich dem Ende zuneigt.

Seit dem vergangenen Jahr hat die Drohnen-Debatte erheblich an Tempo zugelegt. Das BMVg legte eine ganze Reihe von Veranstaltungen auf – Workshops, Live-Chats, Debatten im Livestream –, um die Öffentlichkeit einzubinden und über die völker- und verfassungsrechtlichen sowie ethischen, politischen und nicht zuletzt militärischen Aspekte der Bewaffnung der „Unmanned Aircraft Systems“ (UAS) zu diskutieren. Das Fazit ist klar. Staatssekretär Peter Tauber stellte im abschließenden Bericht des BMVg fest: „Eine zusätzliche Bewaffnung der UAS der Bundeswehr entspräche heutigen Einsatzrealitäten und ist dringend geboten.“

Die wesentlichen Argumente für eine entsprechende Beschaffung sind auch die Ergebnisse der Veranstaltungsreihe des BMVg. Sie sollten auch die Bedenken von Skeptikern ausräumen.

  • Wie bei jedem anderen Auslandseinsatz der Bundeswehr ist auch der Einsatz von bewaffneten Drohnen nur mit vorheriger Zustimmung des Bundestages möglich. Das gebietet die Verfassung und ist im Parlamentsbeteiligungsgesetz klar geregelt.
  • Verfassungs- und völkerrechtlich ist die Drohne jedoch kein neuartiges Waffensystem, dessen Einsatz rechtlich erst noch geregelt werden müsste, sondern sie kann vergleichbar mit dem Jagdbomber eingesetzt werden.
  • Wann eine Drohne eine Rakete abfeuern darf, ist in den Einsatzregeln („Rules of Engagement“) klar reglementiert. Die Entscheidung darüber trifft der verantwortliche militärische Vorgesetzte in einem mehrstufigen Verfahren. Auch ein Abbruch ist jederzeit möglich.
  • Das Bedienpersonal ist grundsätzlich in der Nähe des Einsatzgebietes stationiert. Es handelt sich also um keine autonomen Waffensysteme, für deren internationale Ächtung sich Deutschland einsetzt.
  • Die bessere Aufklärungsfähigkeit erlaubt eine bessere Freund-Feind-Unterscheidung („Unterscheidungsgebot“).
  • Die unmittelbare Reaktionsmöglichkeit, die sich u.a. aus der langen Stehzeit ergibt, wirkt abschreckend.
  • Drohnen erhöhen den Schutz der eigenen Kräfte und der Zivilbevölkerung im Einsatzland.
  • Durch den skalierbaren Waffeneinsatz wird außerdem dem „Exzessverbot“ Rechnung getragen.

Im Juli lenkte dann auch die anfangs skeptisch bis ablehnend reagierende SPD ein und gab sich „offen in der Frage der Bewaffnung von Drohnen“, wenn strenge Bedingungen erfüllt würden, so die stellvertretende Fraktionschefin Gabriela Heinrich. In einem Bericht des Tagesspiegels sagte sie: „Wir wollen den bestmöglichen Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten in ihren gefährlichen Auslandseinsätzen.“ Linke und Grüne zeigen sich indes weiter ablehnend in der Drohnenfrage.

Da es ohnehin noch einige Jahre dauern würde, bis die Bundeswehr über einsatzbereite bewaffnete Drohnen verfügt – bevor ein europäisches Modell zur Verfügung steht, soll zunächst die israelische Heron TP zum Einsatz kommen – wäre eine zügige Entscheidung des Bundestags wünschenswert. Das fordert auch Verbandschef Oberstleutnant André Wüstner: „Alles andere wäre gegenüber den Soldatinnen und Soldaten nicht mehr zu erklären.“ Bereits im Mai wandte sich der Bundesvorsitzende in der „Welt“ mit eindringlichen Worten an die Parlamentarier: „Wenn Sie gegen dieses protektive Waffensystem sind, entgegen den Forderungen aus den Einsatzgebieten: nun denn. Aber dann entsenden Sie nie wieder Soldaten in Konfliktgebiete. Denn wenn in Mali oder sonst wo Kameraden fallen, weil Sie mit Nein gestimmt haben, dann sind das auch Ihre Gefallenen.“

Die öffentliche Anhörung unter dem Titel „Völkerrechtliche, verfassungsrechtliche und ethische Bewertung einer möglichen Bewaffnung ferngeführter, unbemannter Luftfahrzeugsysteme der Bundeswehr (Drohnen)“ am 5. Oktober wird ab 14.30 Uhr live auf der Homepage des Deutschen Bundestages übertragen. Neben Oberstleutnant Wüstner wurden Generalleutnant a.D. Joachim Wundrak, der Rechtsanwalt Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights, Prof. Dr. Andreas Zimmermann von der Universität Potsdam, Prof. Dr. Carlos Masala von der Universität der Bundeswehr München und Dr. Christian Marxsen vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht als Sachverständige geladen.

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