Die Gedenktafel für das von Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg verübte Attentat auf Hitler auf dem Gelände des ehemaligen Hauptquartiers "Wolfsschanze". Foto: Brunswyk/CC BY-SA 3.0 de

Die Gedenktafel für das von Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg verübte Attentat auf Hitler auf dem Gelände des ehemaligen Hauptquartiers "Wolfsschanze". Foto: Brunswyk/CC BY-SA 3.0 de

20.07.2021
Frank Jungbluth

Der letzte Versuch, noch Schlimmeres für Deutschland zu verhindern

Die Westalliierten waren in der Normandie gelandet, die Rote Armee stand am Bug: Das Attentat der Verschwörer vom 20. Juli 1944 war eine Verzweiflungstat angesichts des Massensterbens. Was wir von Claus Schenk Graf von Stauffenberg auch heute noch lernen können.

Es war, als würde der Generalmajor Henning von Tresckow ahnen, dass es vielleicht nicht die beste Idee war, ausgerechnet den schwerst kriegsversehrten Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg die Bombe gegen den Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zünden zu lassen: „Das Attentat muss erfolgen, coute que coute. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat.“ Das schrieb von Tresckow vor dem Anschlag vom 20. Juli 1944, den die Verschwörer geplant hatten. Wehrmachtsoffiziere waren darunter, Politiker der verbotenen Parteien und andere Oppositionelle.

Wie die Geschichte ausging, ist bekannt: Nur einer von zwei Sprengsätzen explodierte während einer Lagebesprechung zwischen Hitler und führenden Militärs in einer Baracke des Hauptquartiers Wolfsschanze in Ostpreußen. Der Putsch gegen das NS-Verbrecherregime, vom Bendlerblock aus gesteuert, scheiterte an handwerklichen Fehlern und dem Widerstand von Getreuen des Führers, und die führenden Männer des 20. Juli wurden nachts nach dem Umsturzversuch im Hof des damaligen Kriegsministeriums erschossen.

Die Rache der Nazi-Häscher war furchtbar. Hunderte wurden eingesperrt oder in Konzentrationslager deportiert, darunter die komplette Familie von Stauffenberg mitsamt seiner schwangeren Ehefrau. In widerlichen Schauprozessen urteilte der geifernde Nazi-Richter Roland Freisler diejenigen Offiziere ab, die nicht erschossen waren. Sie hängte man mit Drahtschlingen an Fleischerhaken in der Berliner Strafanstalt Plötzensee. Hitlers Helfer zeigten sich neun Monate vor dem Untergang ihres Terrorstaates im Blut- und Racherausch.

Man kann heute, 77 Jahre nach dem gescheiterten Staatsstreich der Offiziere und Politiker des 20. Juli, nach wie vor nur tief bedauern, dass der Anschlag misslungen ist: Denn im letzten Kriegsjahr, von der Invasion der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944 bis zur bedingungslosen Kapitulation am 7. Mai 1945, starben die meisten Menschen im Kugel- und Bombenhagel. Es versanken in diesem Jahr die meisten deutschen Städte im Feuersturm des Bombenkrieges. Die Todesmaschine von Auschwitz vernichtete weiter hunderttausende Juden. Die Flucht und Vertreibung von mehr als zwölf Millionen Deutschen aus dem Osten des Reiches erreichte ab Ende 1944 den Höhepunkt.

Was wäre gewesen, wenn Stauffenbergs Bombe Hitler und am besten noch den Reichsführer SS, Heinrich Himmler, ausgelöscht hätte? Wäre es zu Verhandlungen mit den Alliierten gekommen? Hätte der Krieg beendet werden können? Wäre die Verwüstung und Teilung des Reiches noch zu verhindern gewesen? Fragen, die man nur theoretisch beantworten kann.

Mit dem Blick von heute ist Claus Schenk Graf von Stauffenberg ein Held, der den Mut hatte, alles dafür zu geben, Hitler zu töten. Die Studenten der Weißen Rose haben Widerstand auf ihre Weise geleistet, auch sie haben dafür mit ihrem Leben bezahlt. Auch Georg Elser, der Hitler beinahe bereits im November 1939 getötet hätte, ist so ein Held. Allen ist gemeinsam, dass sie nicht nur mehr zugesehen haben, sondern auch mit dem Risiko, selbst sterben zu müssen, gegen den Führer und sein verbrecherisches Regime vorgegangen sind.

Nicht wenige der Offiziere des 20. Juli haben sich anfangs mit dem Umstand schwergetan, einen Mann beseitigen zu wollen, auf den sie einen Eid geschworen hatten. „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.“ So wurden Soldaten der Wehrmacht vom 20. Juli 1935 an vereidigt. Das sorgte bei nicht wenigen für Skrupel, sich gegen Hitler zu stellen.

Dieses Dilemma macht deutlich, warum die Vordenker der Bundeswehr ausdrücklich den Staatsbürger in Uniform im Dienst sehen wollten, der bereit ist, die Demokratie und das Grundgesetz zu verteidigen. „Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.“ Innere Führung, die Bundeswehr als Parlamentsarmee, eine strenge Kontrolle des Bundestages über die Einsätze der Streitkräfte im Ausland – die Mechanismen der Demokratie sind vielfältig. Vor allem, sie funktionieren seit 66 Jahren, seit Gründung der Bundeswehr.

Die Männer des 20. Juli, allen voran Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, waren in der überwiegenden Zahl, jedenfalls spätestens im Jahr 1944, davon überzeugt, dass der verbrecherische Vernichtungskrieg ein Ende haben muss, dass ihr Vaterland vor weiterem Schaden bewahrt werden müsse. Sie haben vor allem gezeigt, dass ein anderes Deutschland möglich gewesen wäre. Stauffenberg selbst hat ein Beispiel gegeben, wie man seinem Land noch dienen kann, wenn andere sich längst mit der Diktatur arrangiert und eingeordnet haben. Selbst in den ersten Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war der Ungeist der NS-Zeit nicht ganz vertrieben, denn die Männer des 20. Juli mussten sich nicht selten posthum als Verräter beschimpfen lassen.

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