In der Phoenix-Runde diskutierte der Bundesvorsitzende, Oberst André Wüstner (r.) mit Prof. Sönke Neitzel (l.), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Moderator Alexnder Kähler (M.) und Ralf Stegner (SPD) über Begriffe wie "Kriegstüchtigkeit", "Resilienz" und "Wehrhaftigkeit". Foto: Screenshot

In der Phoenix-Runde diskutierte der Bundesvorsitzende, Oberst André Wüstner (r.) mit Prof. Sönke Neitzel (l.), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Moderator Alexander Kähler (M.) und Ralf Stegner (SPD) über Begriffe wie "Kriegstüchtigkeit", "Resilienz" und "Wehrhaftigkeit". Foto: Screenshot

15.11.2023
Von Yann Bombeke

Die Provokation ist gelungen

Der Überfall Russlands auf die Ukraine, das blutige Massaker der Hamas-Terroristen an jüdischen Bürgern, die Reaktion der Streitkräfte Israels und ein drohender Flächenbrand im Nahen Osten: All dies hat Begriffe in die politische Diskussion eingebracht, die lange Zeit niemand mehr in Deutschland aussprechen wollte: Von Wehrhaftigkeit, Kriegsbereitschaft und Kriegstüchtigkeit ist nun die Rede. Dieses Vokabular dominierte den Talk in der Phoenix-Runde – mit im Gespräch: Der Bundesvorsitzende, Oberst André Wüstner.

„Auch Worte können Waffen sein, je nachdem wie man sie versteht“ – so läutete Moderator Alexander Kähler die Phoenix-Runde am Dienstagabend ein. Mit ihm am Talk-Tisch: Marie-Agnes Stack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner, der Militärhistoriker Prof. Sönke Neitzel und der Bundesvorsitzende, Oberst André Wüstner.

Tatsächlich haben die Worte, die Verteidigungsminister Boris Pistorius zuletzt genutzt hat, viel politischen Wirbel ausgelöst. Deutschland solle verteidigungsbereit und wehrhaft sein, sagte etwa CSU-Chef Markus Söder, „aber nicht kriegsbegeistert“. Erlebt Deutschland die Renaissance einer martialischen Kriegsrhetorik, war die Frage in dieser Sendung?

Positive Resonanz in der Gesellschaft

Für den Bundesvorsitzenden ist klar: Mit seinen Worten habe der Verteidigungsminister auch provozieren wollen – „und das ist ihm gelungen“, sagt Oberst Wüstner, für den die Verteidigungsfähigkeit eines Landes mit drei Dingen zusammenhängt: Der einsatzbereiten Bundeswehr, einer leistungsfähigen Rüstungsindustrie und einer gesellschaftlichen Resilienz. Er selbst habe in einigen Interviews provokant über Wehrhaftigkeit gesprochen und sei positiv überrascht gewesen über die Resonanz, die er erfahren habe, sagt Wüstner. So sei er auch zu Diskussionen in Schulen eingeladen worden. „Es ist gut zu bemerken, dass sich die Gesellschaft in Deutschland damit auseinandersetzt, ohne Angst zu entwickeln.“

Viele Menschen in Deutschland, auch jene, die eigentlich eine pazifistische Grundhaltung hätten, würden jetzt laut Wüstner feststellen, dass Wehrhaftigkeit doch einen Sinn ergibt. Daher werde die Diskussion positiver geführt, als er es vor zwei Jahren noch gedacht hätte. Sönke Neitzel unterstützt diese Sichtweise. „Wir leben in einer anderen Zeit“, betonte der Militärhistoriker der Universität Potsdam. Es sei wichtig, dass Pistorius von Kriegstüchtigkeit und Resilienz spreche, „denn es ist ein Stück weit die Akzeptanz der Realität“. Ähnlich sieht es die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses: „Ich fand das sehr ehrlich von Herrn Pistorius. Man sollte sich nicht an der Terminologie festsetzen, sondern an der Realität“, sagte Strack-Zimmermann.

Der SPD-Außenpolitiker Stegner hingegen findet die Formulierung „nicht gelungen“. Kriegstüchtigkeit ist für ihn der falsche Begriff. Es gebe zwar die Kriege, „aber unser Ziel ist es, die Kriege zu beenden, sie zu verhindern und wir wollen Zustimmung für die Bundeswehr generieren und nicht den Menschen Angst machen“. Das „Vokabular aus Zeiten des Kalten Krieges“ sei daher nicht geeignet.

Es ist übrigens nicht Boris Pistorius, der den Begriff der Kriegstüchtigkeit aus dem Vokabular des Kalten Krieges hervorgeholt hat. Bereits im Juli sagte der Generalinspekteur, General Carsten Breuer, dass die Bundeswehr „kriegstüchtig“ werden müsse. Und schon Anfang des Jahres hatte Oberst Wüstner gesagt: „Wir brauchen eine Art Kriegswirtschaft.“

Die Rüstungsindustrie ist ein Teil der Sicherheitsvorsorge

Von einer „Kriegswirtschaft“ ist man allerdings nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa noch weit entfernt, während Russland seine Industrie konsequent umgestellt hat. Belegt wird dies unter anderem durch die Ankündigung der Europäischen Union, bis Frühjahr 2024 eine Million Artilleriegeschosse in die Ukraine liefern zu wollen – ein Ziel, das man nicht erreichen werde, wie die EU-Verteidigungsminister bei ihrem Treffen in dieser Woche in Brüssel eingestehen mussten.

„Wir müssen im Land wieder lernen, dass die Rüstungsindustrie ein Teil von Sicherheitsvorsorge ist und national wie im europäischen Verbund müssen wir die Kapazitäten stärken“, sagte Oberst Wüstner in der Phoenix-Runde. Und weiter: „Gelingt das nicht, schaffen wir es nicht einmal, den aktuellen Bedarf, etwa bei Artilleriemunition, mit Blick auf die Ukraine zu decken.“

Der Umgang mit der Rüstungsindustrie bedürfe also ebenfalls einer „mentalen Zeitenwende“, so der Bundesvorsitzende. Die aktuellen Probleme seien nicht dem Beschaffungsamt zuzuordnen, sondern lägen an den Kapazitäten der Rüstungsindustrie. Der Bundesvorsitzende fordert: „Über Zusagen und Rahmenverträge muss der Rüstungsindustrie Planungssicherheit verschafft werden.“

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