Schiffe der britischen, französischen und deutschen Marine begleiten den Flugzeugträger „Charles de Gaulle” im Rahmen des Einsatzes Counter DAESH. Foto: Bundeswehr/Französische Marine/Cindy Luu

Schiffe der britischen, französischen und deutschen Marine begleiten den Flugzeugträger „Charles de Gaulle” im Rahmen des Einsatzes Counter DAESH. Foto: Bundeswehr/Französische Marine/Cindy Luu

31.08.2020
Christian Bock

„Die Sorge wächst, jetzt noch die Pandemiedividende zu zahlen”

Flottillenadmiral Christian Bock ist Kommandeur der Einsatzflottille 1 und Direktor des Nato „Centre of Excellence for Operations in Confined and Shallow“ sowie Vorsitzender des Gesamtvorstands des Deutschen Maritimen Instituts. In einem in unserem Magazin "Die Bundeswehr" veröffentlichten Gastbeitrag beschreibt er, warum die Politik den Beitrag der Bundeswehr für die Grundversorgung an Sicherheit anerkennen muss.

„Zukunft der Marine“: Wieso schon wieder die Bedarfe der Marine und die Erwartungshaltung an die Politik ableiten? Aus dem Titel und der Bitte für einen rahmengebenden Artikel aus Sicht des Deutschen Maritimen Instituts wuchsen mir Zweifel: Warum werden noch einzelne Teilstreitkräfte für „Die Bundeswehr“ um ein Showlaufen gebeten. Warum haben wir es nötig, sei es innerhalb der Organisation des DBwV oder in der Bundeswehr, uns eher abgrenzend darzustellen, anstatt uns gemeinsam zu positionieren?

Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt keine unabhängige „Zukunft der Marine“! Es gibt aber den Bedarf, die Zukunft der Fähigkeiten der Marine im Kontext von Auftrag und Aufgaben der Bundeswehr auszurichten und abzusichern. Insofern möchte ich den Rahmen etwas weiter setzen: Nach der Zäsur von Krim- und Ukraine-Krise wurde die gesamte sicherheitspolitisch-strategische und -planerische Ableitung der Bundeswehr und ihrer Streitkräfte von oben nach unten neu durchdekliniert. Weißbuch 2016, Konzeption der Bundeswehr (KdB) 2018 und Fähigkeitsprofil der Bundeswehr (FPBw) 2018 ff. machen deutlich: Wie ist die Lage? Wie wollen wir damit umgehen? Was brauchen wir dafür? Hier finden sich Aussagen zur vernetzten Sicherheit und Multinationalität. Der Gleichklang aller Sicherheitsressorts und mit Bündnispartnern im Ausland, insbesondere der US-Streitkräfte, erzielt die gewünschte Wirkung. Gemäß KdB ist Bündnissolidarität Staatsräson. Mit der multinationalen Integration als Schlüsselprinzip der Planung geht Deutschland weiter als jeder andere Partner. Das „Was“ ist nicht statisch angelegt. Es muss entlang aktueller Bedrohungen, neuer Einflüsse und Technologien und den in der Nato festgelegten Zielen regelmäßig überprüft und angepasst werden. Diese „Targets“ sind „Joint“, werden der „Maritime Domain“ zugeordnet und nicht der „Navy“. Zudem sind multinationale Zukunftsanalysen in die Strategische Vorausschau (SV) 2040 eingeflossen. Hier sind schon 2017 Überlegungen zum Beispiel zu Folgen aus Pandemien genannt und dies nicht rein militärisch, sondern aus ressortübergreifender Sicht.

Das Virus bestimmt das Sicherheitsempfinden

Alle diese Dokumente sind dem Souverän bekannt, liegen in der Geheimschutzstelle des Bundestages oder sind öffentlich. Wer die aktuellen Grundsätze deutscher Streitkräfte verstehen und faktenbasiert argumentieren möchte, muss diese Standardwerke kennen. Für die Bundeswehr ist dies der Handlungsrahmen. Heute beeinflusst ein Virus das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung und unser gewohntes Leben. Bei diesem Desaster steht das Gesundheitsressort im Vordergrund. Die Streitkräfte leisten Amtshilfe. Ein wichtiger Beitrag, der aber nicht überhöht werden darf. Das Pflegesystem und die Grundversorger stehen mehr im Feuer. Dennoch: Der Bereich der äußeren Sicherheit leistet weiter seinen eigenen Teil zur Grundversorgung. Unter erheblichem Mehraufwand erfüllt die Bundeswehr alle von der Politik erteilten Aufträge mit hoher Professionalität unter Inkaufnahme hoher Belastungen für Mensch und Material. Zeiten des Personals im Auslandseinsatz werden verlängert, Besatzungen bleiben für Monate ohne Landgang an Bord „einkaserniert“ auf wenigen Metern Stahl. Die Botschaft ist: Wir sind immer bereit, auch dann, wenn der Fokus auf anderen Politikfeldern liegt! Wir tragen bei zur nationalen Resilienz und haben damit auch, wie beispielsweise Polizei, Bildung und Energie, eine Systemrelevanz.

Gesellschaftlich wird die Relevanz des jeweiligen Politikfelds konkurrierend diskutiert, um Haushaltsmittel über die Resorts anders zu priorisieren und umzuschichten. Die Sorge innerhalb der Bundeswehr wächst, nach der „Friedens-“ nun die „Pandemiedividende“ zahlen zu müssen. Reflexartig werden die alten „Relevanz-Argumente“ der jeweiligen Teilstreitkraft aus der Schublade geholt, um gewappnet zu sein vor dem roten Stift. Dabei beweist jeder Bereich der Bundeswehr der Bundeswehr täglich seine spezifischen Fähigkeiten, die im gemeinsamen Wirken aller Organisationsbereiche der Bundeswehr der Politik den geforderten sicherheitspolitischen Instrumentenkasten verfügbar macht, der wiederum nur im ressortgemeinsamen Wirken funktioniert.

Mit diesem Angebot muss der Souverän umzugehen verstehen. Meine Forderung an die „Politik“, gemeint ist jeder einzelne politisch Aktive, wäre damit die Akzeptanz des Beitrags der Bundeswehr an der „Grundversorgung an Sicherheit“ im bündnisgemeinsamen Kontext. Hierfür bedarf es eines politischen Narrativs. Dieses zu schreiben, darf nicht die alleinige Aufgabe des zuständigen Ressorts sein. Die wichtigen strategischen Erklärstücke erwarte ich aus dem Parlament als Teil politischer Aufklärungsarbeit zur elementaren Sicherheitsvorsorge durch den Staat für seine Bevölkerung, ergänzt durch Facherläuterungen aus der Bundeswehr.

Deutschland ist maritim geprägt

Welche einzigartigen Teilaspekte kann die Marine im streitkräftegemeinsamen Kontext anbieten? Deutschland ist maritim geprägt, weiß es nur nicht. Küste sieht man im Urlaub, Abhängigkeiten von Seehandelslinien sind nicht eingebrannt in das kollektive Gedächtnis. Diese Linien sucht der eine auf die Wasseroberfläche gemalt, verbindet der andere nicht mit dem Schutz von Häfen, künstlichen Wasserstraßen, mit Zoll, den Fischereibehörden und dem einen ressortgemeinsam besetzten Havariekommando in Cuxhaven. Marineschiffe sieht man selten. Nicht, weil es zu wenige sind für alle Aufgaben. Sondern weil sie auf den Weltmeeren unterwegs sind (oder getaucht fahren).

Kontinuierlich wird die westliche werte- und normenbasierte Ordnung über den Einsatz der Flotte geschützt. Russische Flottenparaden mit Atom-UBooten, Großmanöver auf der Ostsee vor der Haustür oder ausgehend von der Barentssee die Nordflanke nutzend, sind die Zeichensprache von gegenseitiger Abschreckung. Unser maritimer Nato-Beitrag hat militärische Nachschubrouten, zivile Handelswege und vitale Versorgungsleitungen, Kommunikations- und Datenkabel im Blick, ohne die das gesamte westliche Streitkräftedispositiv seine Wirkung verliert. Hier liegt das Kerngeschäft der Deutschen Marine mit seinen spezifischen Fähigkeiten für flache Gewässer, Minenabwehr, U-Bootabwehr und -einsatz sowie dauerhaften Einsatz von Überwasserschiffen mit den inhärenten (de-)eskalatorischen Möglichkeiten von „Präsenz“ bis zum „mehrdimensionalen Seekrieg“.

Alle maritimen Mittel der Bundeswehr lassen sich vorausstationieren, auf neutralem Boden und der „Hohen See“. So kann der oder die politisch Entscheidende Zeit gewinnen, einen Lagebildbeitrag erhalten sowie abgestimmte Signale und diplomatische Botschaften aussenden, an Partner und mögliche Gegner. Um so zu handeln, muss man das maritime „Besteck“ verstehen.

Im südchinesischen Meer wachsen völkerwiderrechtlich künstliche bewaffnete Inseln auf Atollen, wird die Zwölf-Dash-Linie durch China konfrontativ festzementiert, fischen Schwärme paramilitärischer Fischer die Gewässer der Anrainer leer. Dieses Szenar klingt weit weg. Hier aber wird die regelbasierte Grundordnung zerstört, gegen Deutschlands
fundamentales Interesse. Wird dem nicht widersprochen, berühren die Spill-over-Effekte die Arktis, wo China neue Interessen geltend machen will, werden andere Werte über die neuen Seidenstraßen zu Land und zur See bis nach Europa und seine Häfen getragen.

Die maritim geprägten USA senden deshalb Flugzeugträger in das Südchinesische Meer, flankiert durch eindeutige diplomatische Sprache seines Außenministers, um politische Verhandlungen zum regionalen maritimen „Codes of Conduct“ militärisch zu flankieren. Als Bündnismarine ist die Deutsche Marine der ideale und logische Partner für gemeinsame Operationen zum Erhalt der normativen Ordnung. Dies wissend wäre eine politische Diskussion, wie vorhandene Fähigkeiten im Sinne eigener deutscher politischer Botschaften in UN, EU und Nato gemeinsam mit Partnern genutzt werden sollen, gefordert.

Auf dieser Basis ließe sich dann der Gesellschaft viel besser erläutern, warum die laufende und zukunftsgerichtete Modernisierung des maritimen Fuhrparks so wichtig ist.

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