Zum Gespräch mit der Redaktion des DBwV ist Udo Eckert extra an einem dienstfreien Tag zur Holzdorfer Feuerwehr gekommen. Foto: DBwV/Gunnar Kruse

Zum Gespräch mit der Redaktion des DBwV ist Udo Eckert extra an einem dienstfreien Tag zur Holzdorfer Feuerwehr gekommen. Foto: DBwV/Gunnar Kruse

08.10.2020
Von Gunnar Kruse

Dieser Weg wird kein leichter sein: ein EX-NVA-Hauptmann bei der Bundeswehr-Feuerwehr

Als Hauptmann der NVA erlebte Udo Eckert die Wiedervereinigung. Wenige Monate später war seine militärische Karriere zu Ende. Trotzdem ist die Bundeswehr bis heute sein Arbeitgeber und Eckert blickt zufrieden auf die vergangenen drei Jahrzehnte – auch wenn nicht alles einfach war.

Wenn eine Juri-Gagarin-Straße auf eine Fliegerhorstallee trifft, liegen zwei Vermutungen nahe. Erstens: Man ist im Osten Deutschlands. Und zweitens: Hier muss ein Standort der Luftwaffe ganz in der Nähe sein. Und richtig, unter der Adresse Fliegerhorstallee 1 ist im südbrandenburgischen Schönewalde die Luftwaffenkaserne Flugplatz Holzdorf zu finden. Das im baden-württembergischen Laupheim beheimatete Hubschraubergeschwader 64 mit ihren CH-53 hat hier seinen zweiten Standort. Doch schon vor der deutschen Wiedervereinigung wurde in Holzdorf gestartet und gelandet. Flugzeuge vom Typ MiG 21 des Jagdfliegergeschwaders 1 der NVA hoben hier in den 80er Jahren ab.

Einer, der damals – zuletzt im Dienstgrad Hauptmann – mit dabei war, ist Udo Eckert. Auch wenn er seine militärische Karriere längst beendet hat, ist der Flugplatz Holzdorf immer noch sein Arbeitsplatz. Und auch wenn er gerne Offizier geblieben wäre, es für ihn persönlich keine Armee der Einheit gab, blickt er 30 Jahre nach der Wiedervereinigung zufrieden zurück. Seit Anfang der 90er Jahre ist der heute 60-Jährige bei der Bundeswehr-Flughafenfeuerwehr tätig, mittlerweile als Hauptbrandmeister und Beamter. Der Weg dahin war für ihn nicht einfach.

„Westverwandtschaft“: das Aus für den Traumberuf

Zur Armee wollte er schon immer. Pilot zu sein war sein Traum. „Aber ich wurde als ‚ungeeignet‘ eingestuft“, erinnert sich Eckert. Als Grund dafür habe damals schon sogenannte Westverwandtschaft gereicht. Doch zur NVA ging er 1980 trotzdem. Nach der Ausbildung zum Technischen Offizier Fachrichtung „Triebwerk/Zelle“ in Kamenz kam er vier Jahre später zum Flugplatz. „Für mich und meine Familie war das ein Glück, denn mit Holzdorf und Laage gab es damals nur zwei neu ausgebaute Standorte“, so Eckert, der aus dem nahe gelegenen Luckau stammt.

Nach dem Mauerfall kam für ihn, wie für viele Berufssoldaten der NVA, am 3. Oktober 1990 der nächste große Einschnitt. „Als Weiterverwender war ich dann noch bis Ende 1991 als Hauptmann bei der Bundeswehr“, erinnert er sich. Doch eine Grundverschiedenheit bestimmte die weitere Entwicklung: Viele Tätigkeiten, die in der NVA von Offizieren ausgeübt wurden, lagen in der Bundeswehr in der Hand von Feldwebeln. Auch Udo Eckert bekam das Angebot, als Oberfeldwebel weitermachen zu können. „Das wäre aber als SaZ 2 gewesen, da war mir das berufliche Risiko zu groß“, sagt er.

Vor allem aber sei eine derartige Degradierung mit ihm nicht zu machen gewesen, als Leutnant hätte er hingegen gern seinen Dienst fortgesetzt. Mit dieser Einstellung war er nicht allein: Fast keiner der Offiziere am Standort habe das Angebot zum Wechsel in die Feldwebellaufbahn angenommen, sagt Eckert. Und auch sonst sei das Gros der Offiziere nicht übernommen worden oder wollte es auch gar nicht. „Manche sind gleich zu Airbus nach Hamburg oder nach Stuttgart gegangen. Doch für mich mit zwei kleinen Kindern war das keine Option.“

Neue Chance bei der Feuerwehr

Eine Chance ergab sich auf einem anderen Gebiet: Für die neue Feuerwache wurde Personal gesucht. Auf die erste Bewerbung im Januar 1992 gab es zwar erstmal eine Absage, doch wenige Monate später kam dann doch der positive Bescheid. Am 1. Juli begann für Eckert das Berufsleben eines Feuerwehrmanns, vorerst als Arbeitnehmer: „Mit Lohngruppe 2A, das Niedrigste, was es gab. Aber das war uns ja egal gewesen“, muss er heute etwas schmunzeln. Und mit jedem Lehrgang, jeder Qualifikation stieg dann ja auch das Gehalt. Geld ist das eine, berufliche Sicherheit das andere. Die wuchs für Eckert Mitte der 90er Jahre erst mit dem Wechsel ins Angestelltenverhältnis.

Wenig später bekamen er und seine Kollegen die Info, dass die Bundeswehrfeuerwehrangestellten verbeamtet werden. „Das wollten wir natürlich auch. Doch es hieß, dass das nicht für die Wehrbereichsverwaltung Ost gelten würde“, erinnert sich Eckert. Doch über den Personalrat fanden er und die anderen heraus, dass die Verbeamtungsregeln auch für die neuen Bundesländer gelten. „Und dann ging es auch ‚ratzfatzi‘, innerhalb weniger Wochen waren wir im Herbst 1998 alle verbeamtet.“ Und auch wenn zur damaligen Zeit die Probezeit bei zwei Jahren gelegen hat, hätten er und seine Frau die sprichwörtlichen „drei Kreuze“ machen und entspannt in die Zukunft blicken können: „Das war dann der Moment, dass wir uns gesagt haben: Ach komm, jetzt bauen wir uns ein Häuschen.“

Zehn Jahre zuvor, mit den tiefgreifenden Veränderungen in der DDR bis hin zum Mauerfall, war das alles unvorstellbar. „Niemand wusste, wohin die Reise geht“, erinnert sich Eckert. Einmal war er damals bei einer Montagsdemo in Dresden dabei und kann sich nicht nur an die protestierenden Menschenmassen und die aufgeladene Atmosphäre – die Bereitschaftspolizei war bereits aufgezogen – erinnern, sondern auch an seine damalige Stimmungslage und sein Verständnis für die berechtigten Forderungen der Demonstranten. Schließlich konnte ja jeder sehen, was alles in der DDR im Argen lag und dass es so nicht weitergehen konnte. „Für mich war und ist vor allem wichtig gewesen, dass damals zur ganzen Zeit kein einziger Schuss gefallen ist – Gott sei Dank“, betont er.

Der spätere Übergang von NVA zu Bundeswehr ist aus Sicht von Eckert recht problemlos erfolgt. „Das Ganze hat sich ja fast ein Jahr lang angebahnt. So konnte jeder für sich in Ruhe ausmachen, wie es nach dem 3. Oktober weitergehen kann.“ Politische Fragen, aber auch die Karriere, waren für ihn damals zweitrangig. „In erster Linie ging es mir um meine Familie und wie es mit uns weitergeht. Wir sind da doch irgendwie alle in so ein Loch gefallen“, erinnert er sich an seine damaligen Existenzängste.  

Positive Erlebnisse mit dem früheren „Klassenfeind“

Mit der Bundeswehr und dem Tragen von deren Uniform hatte er aber auch aus einem anderen Grund keine Berührungsängste. Soldat sein sei eben vor allem auch ein Beruf. Zudem hatte er schon Monate zuvor durchaus positive Erlebnisse mit dem früheren „Klassenfeind“, wie er zumindest in der offiziellen DDR-Propaganda heraufbeschworen wurde.

Anfang 1990, der Kuwait-Krieg war gerade im Gange, ging es für Eckert und weitere NVA-Offiziere zu einer Nato-Übung nach Lechfeld bei Augsburg. Ihre Fahrzeuge: zwei russische LKW des Typs „Zil-130“, ausgerüstet mit einem Werkstattaufsatz zur feldmäßigen Flugzeuginstandsetzung. „Wir wurden mit offenen Armen, Händen, Augen empfangen“, bringt es Eckert auf den Punkt. Zwischen den sich einst gegenüberstehenden Soldaten war der Gesprächsbedarf so groß, „ich habe in der einen Woche jede Nacht höchstens zwei, drei Stunden geschlafen.“ Die noch in ihren NVA-Uniformen angereisten Soldaten seien ständig auf die Veränderungen in der DDR angesprochen worden. „Sogar mit kanadischen, amerikanischen und britischen Offizieren haben wir uns unterhalten.“

Die Tage in Lechfeld seien für ihn der erste persönliche Kontakt zu Soldaten gewesen, die einmal „auf der anderen Seite“ gestanden hatten. „Und alle – vom Oberstleutnant bis zum Soldaten – haben uns so akzeptiert, wie wir waren. Keiner hat auf uns herabgeschaut.“ Das ihm und seinen Kameraden entgegengebrachte Vertrauen hat Eckert so beeindruckt, dass er es auch nach nun mehr als drei Jahrzehnten nicht vergessen hat: „Es ist, als wäre es erst gestern gewesen.“

Dass letztlich aber doch relativ wenige NVA-Soldaten in die Bundeswehr übernommen wurden, kann Eckert schon allein im Hinblick auf die damalige Größe der beiden Streitkräfte verstehen. Allein in Holzdorf sind es nach seiner Erinnerung beispielsweise rund 1500 Offiziere gewesen.

Die Verbeamtung war „wie ein Sechser im Lotto“

Dass er wie die meisten von ihnen nach der Wiedervereinigung einen anderen Weg gehen musste und gegangen ist, hat Eckert nicht bereut. Zugleich muss er einräumen, dass ihm die Entscheidung für oder gegen die Bundeswehr, für oder gegen einen zivilen Berufsweg, einst schon schlaflose Nächte bereitet habe. Letztlich habe er sich wohl zwar für den schwierigen Weg entschieden, „aber spätestens die Verbeamtung 1998 war schon wie ein Sechser im Lotto für mich.“

Erst unlängst hat Udo Eckert gemeinsam mit seiner Frau über die Zeit vor und nach der Wiedervereinigung nachgedacht. Fazit der beiden: „Eigentlich haben wir doch so viel Glück gehabt in unserem Leben – auch wenn es doch eine sehr bewegte Zeit war.“ Nach einem erfüllten Berufsleben geht er Ende Oktober nächsten Jahres in Pension. Er hätte zwar noch weitere vier Jahre auf dem Holzdorfer Flugplatz arbeiten können, „doch dann will ich mehr um meine Familie und vor allem meine Enkel kümmern“, blickt Udo Eckert nach vorn.

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