Eva Högl bei der Übergabe des Jahresberichts 2020 der Wehrbeauftragten an Bundestagspräsident Schäuble im Reichstagsgebäude. Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

Eva Högl bei der Übergabe des Jahresberichts 2020 der Wehrbeauftragten an Bundestagspräsident Schäuble im Reichstagsgebäude. Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress

23.02.2021
ssc

Jahresbericht der Wehrbeauftragten: Covid-19, KSK, Materielle Einsatzbereitschaft

Zum ersten Mal stellte die Wehrbeauftragte Eva Högl ihren Jahresbericht zur Lage der Bundeswehr vor. Die SPD-Politikerin ist seit dem 25. Mai 2020 im Amt, der letzte Bericht war noch von ihrem Vorgänger Hans-Peter Bartels erstellt worden.

Wie zu erwarten, ging es auch in diesem Bericht wieder um die inakzeptablen Zustände im Bereich der materiellen Einsatzbereitschaft, um Extremismus in der Bundeswehr sowie die brisante Lage im Kommando Spezialkräfte (KSK). Doch es gab auch eine große Neuerung im Jahresbericht. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundeswehr behandelte der Lagebericht die Auswirkungen einer Pandemie auf die deutschen Streitkräfte. 

Covid-19-Pandemie
„Das Jahr 2020 war geprägt von der Covid-19-Pandemie“, heißt es bereits im Vorwort Högls. „Wie unsere gesamte Gesellschaft, so beschäftigte und belastete die Pandemie auch die Bundeswehr: verkürzte Ausbildung, abgesagte Lehrgänge, ausgefallene Übungen, verschobene Auswahlkonferenz, mehrfache Quarantäne vor dem und im Einsatz, Homeoffice, Videokonferenzen, Hygienekonzepte, Masken, Abstand und Amtshilfe.“ Dass es unter all diesen Umständen möglich war, die Einsatzbereitschaft aufrecht zu erhalten, wertet Eva Högl als Erfolg. Mit Stand vom 8. Februar 2021 seien neben der nahezu vollständigen Einbindung des medizinischen Personals des Sanitätsdienstes rund 11.900 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz gegen das Virus gebunden gewesen, 25.000 waren in Bereitschaft, über 3.400 Amtshilfeersuchen wurden erledigt. Dieses herausragende Engagement verdiene laut der Wehrbeauftragten eine Einsatzmedaille. Dennoch appellierte Högl, aus dieser Pandemie Lehren zu ziehen, um den Bevölkerungsschutz und die Katastrophenhilfe zukünftig zu verbessern.

Kurz vor der Vorstellung des Berichts der Wehrbeauftragten hatte sich auch Oberstleutnant André Wüstner im ZDF-Morgenmagazin zu den Auswirkungen des Amtshilfe-Einsatzes auf die Bundeswehr geäußert. Die Amtshilfe sei wichtig und rette Leben, so der DBwV-Bundesvorsitzende, aber sie sei nicht der Kernauftrag der Bundeswehr. Die Truppe müsse für die Landes- und Bündnisverteidigung sowie für die laufenden Einsätze ausbilden und üben. Dies sei jedoch aktuell nur eingeschränkt möglich. „Deswegen ist es wichtig, dass man diesen Sommer einen Übergang findet, weg von der Bundeswehr, hin zu mehr freiwilligen Helfern, Technischem Hilfswerk und vielem mehr, damit sich die Bundeswehr wieder auf den Kernauftrag konzentrieren kann", sagte Wüstner.

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Zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie
„Inakzeptabel!“ – Ein passendes Wort, mit dem Eva Högl die aktuellen Rahmenbedingungen beschreibt, in denen Soldatinnen und Soldaten derzeit ihre Ausbildungen, Übungen und Einsätze absolvieren. „Es ist absolut unverständlich, dass es nicht gelingt, Beschaffungen – selbst von kleinen Ausrüstungsgegenständen wie Kälteschutzanzügen, Gehörschutz, Helmen oder Rucksäcken – zu beschleunigen“, nicht mal zu sprechen von Hubschraubern, die nicht fliegen, und Schiffen, die nicht fahren. Instandhaltungs- und Wartungsleistungen in Sachen Großgerät seien bei den Kapazitäten der Bundeswehr nur noch rudimentär vorhanden. Seit der Initiative Einsatzbereitschaft des BMVg seien zumindest bezüglich des Eurofighters und A400M erste positive Ansätze zu erkennen. Die SPD-Politikerin fordert dringende Reformen des Vergaberechts und der Vergabeverfahren. Wie bereits im letzten Jahr heißt es: „Wir brauchen mehr Flexibilität, mehr Verantwortungsbewusstsein und klarere Entscheidungsstrukturen.“

Auch die Gewinnung neuen Personals sei zunehmend schwieriger geworden, nicht zuletzt aufgrund der Pandemie, auch wenn die Bundeswehr sich hier als krisensicherer Arbeitgeber präsentieren konnte. Nicht nachvollziehbar war laut Högl, dass die Auswahlkonferenz für Feldwebel für eine Übernahme als Berufssoldatin oder -soldat wegen der Pandemie nicht durchgeführt wurde, trotz 7.000 Anträgen bei etwa 1.500 Übernahmemöglichkeiten. „Etwas mehr Phantasie, Kreativität und Nutzung aller bestehenden Möglichkeiten, […] wären angesichts des verständlichen Wunsches der Betroffenen nach Planungssicherheit zweckdienlich gewesen.“ Die Anstrengungen, das Bild als moderner, attraktiver und familientauglicher Arbeitgeber in die Öffentlichkeit zu tragen, müssen nach Meinung der SPD-Politikerin noch verstärkt werden.

Extremismus
„Wer sich extremistisch verhält oder Extremismus nur akzeptiert, gehört nicht in die Bundeswehr“, macht die Wehrbeauftragte deutlich. Obwohl die klare Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes stehe, seien die Fälle zu extremistischen Tendenzen im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Es bestehe also weiterhin Handlungsbedarf hinsichtlich konsequenter Aufklärung, Sanktion und Prävention. Die Bundesregierung hat daher im Berichtsjahr eine Neuregelung im Soldatengesetz angestoßen. Danach soll es künftig möglich sein, Soldatinnen und Soldaten auf Zeit noch bis zum Ablauf des achten statt bisher des vierten Dienstjahres zu entlassen.

KSK
Den Reformprozess sowie die damit einhergehende Auflösung der 2. Kompanie hält die Wehrbeauftragte für richtig. Der jetzt bekannt gewordene Vorwurf einer „Amnestie“ für Waffen- und Munitionsbesitz im KSK belaste demzufolge den gesamten Prozess von Aufklärung und Reform erheblich. „Wir brauchen die Aufklärung aller Sachverhalte im KSK und absolute Transparenz.“

Lesen Sie hier den vollständigen Jahresbericht.

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