Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg war am Dienstag zu Gast bei Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. In einem Interview sprach Stoltenberg von der "echten gefahr eines militärischen Konfliktes in Europa". Foto: Nato

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg war am Dienstag zu Gast bei Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. In einem Interview sprach Stoltenberg von der "echten gefahr eines militärischen Konfliktes in Europa". Foto: Nato

19.01.2022
Yann Bombeke/mit Material von dpa

Nato-Generalsekretär Stoltenberg spricht von Kriegsgefahr in Europa

Von Entspannung im Ukraine-Konflikt ist trotz aller diplomatischer Bemühungen in diesen Tagen keine Spur zu sehen: Für die Nato besteht Kriegsgefahr in Europa. In Deutschland bleibt die Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine umstritten. Und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert eine neue europäische Sicherheits- und Stabilitätsordnung.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht die Gefahr eines neuen Krieges in Europa. Bei „Bild Live“ sagte Stoltenberg: „Es gibt eine echte Gefahr für neue militärische Konflikte in Europa.“ Der Däne sprach von „signifikanten militärischen Bewegungen auf russischer Seite in der Nähe der Ukraine, kombiniert mit einer „bedrohlichen Rhetorik“. Die Lage sei auch aufgrund der Erfahrungen mit Russland seit 2014, dem Jahr der Invasion der Krim, ein „echtes Risiko“.

Stoltenberg betonte, wie wichtig es daher sei, den politischen Dialog mit Russland aufrecht zu erhalten. Im Falle eines Angriffs Russlands auf die Ukraine kündigte Stoltenberg „schwerwiegende finanzielle, wirtschaftliche und politische Sanktionen“ an. Die Alliierten des Bündnisses würden die Ukraine zudem auf sehr unterschiedliche Weise unterstützen, damit sich diese verteidigen könne. Der Generalsekretär betonte aber auch, dass für die Ukraine als Nicht-Mitglied der Allianz nicht die Sicherheitsgarantien gelten könnten, die Mitgliedern im Falle eines Angriffs zustehen.

Stoltenberg hatte sich am Dienstag mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht getroffen. Die SPD-Politikerin sagte, dass der russische Aufmarsch an der ukrainischen Grenze „gegen alle Regeln des friedlichen Miteinanders“ verstoße. Lambrecht weiter: „Wir haben nicht vergessen: Der Aggressor ist Russland.“ Moskau habe kein Vetorecht bei den freien Entscheidungen seiner Nachbarstaaten, betonte die Ministerin. Die Nato halte Kurs mit dem Doppelansatz der glaubwürdigen Abschreckung und des substanziellen Dialogs.

Politiker fordern Waffenlieferungen an die Ukraine

Wenn es um Unterstützung für die Ukraine geht, ist die Frage von Waffenlieferungen in Deutschland umstritten. Während Großbritannien jetzt angekündigt hat, Panzerabwehrwaffen an das osteuropäische Land zu liefern, schließt die Bundesregierung einen solchen Schritt bislang aus. Doch auch hierzulande mehren sich die Stimmen, die die Lieferung von defensiven Waffensystemen an die Ukraine fordern. So sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt, Deutschland solle „mehr als nur Verbandszeug“ liefern. Im Interview mit „Phoenix“ forderte Hardt, dass die bisherige Position der Bundesregierung angesichts des russischen Truppenaufmarschs an der ukrainischen Grenze überdacht werden müsse. Ähnlich argumentiert Hardts Parteikollege Henning Otte gegenüber der „Bild“: „Wenn die Ukraine um Defensivwaffen bittet, um sich eines möglichen russischen Angriffs erwehren zu können, dürfen wir diese Bitte nicht ablehnen.“ Sich hinter einer „restriktiven Rüstungspolitik aus dem Koalitionsvertrag zu verstecken“, sei keine verantwortungsvolle Politik. Otte machte deutlich, dass für ihn auch die Lieferung von Flugabwehrraketen infrage kommt.

Doch auch Politiker der Regierungsparteien scheinen nun über einen Kurswechsel nachzudenken. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, sagte der „Bild“, dass man über die Lieferung von Defensivwaffen nachdenken solle. „Wir haben in unserem Koalitionsvertrag vereinbart, dass keine Waffen in Krisengebiete geliefert werden sollen. Angesichts der aktuellen Lage und Betroffenheit unseres Kontinents sollten wir das im konkreten Fall überdenken“, argumentierte die FDP-Politikerin beim Nachrichtenportal „t-online“. „Die Lieferung von Defensivwaffen könnte eine Möglichkeit zur Unterstützung der Ukraine sein.“

Für militärische Ausrüstungshilfe an die Ukraine hat sich auch der FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff ausgesprochen, wobei er Waffenlieferungen aber ablehne. In einer Runde mit Journalisten nannte er dabei am Mittwoch „nicht kinetische Ausrüstungsgegenstände“ wie Schutzwesten, Helme, Radar oder Nachtsichtgeräte.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine am Dienstag bekräftigt. „Die deutsche Bundesregierung verfolgt seit vielen Jahren eine gleichgerichtete Strategie in dieser Frage. Und dazu gehört auch, dass wir keine letalen Waffen exportieren“, sagte er. „Daran hat sich nichts geändert mit dem Regierungswechsel, der im Dezember letzten Jahres stattgefunden hat.“

Angesichts der drohenden Eskalation im Ukraine-Konflikt hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine neue europäische Sicherheits- und Stabilitätsordnung gefordert. Ein Vorschlag dazu müsse in den kommenden Wochen von den Europäern erarbeitet und anschließend mit den Nato-Partnern geteilt werden, sagte Macron am Mittwoch bei einer Rede im EU-Parlament in Straßburg. Anschließend müsse der Vorschlag Russland für Verhandlungen vorgelegt werden.

Der Dialog mit Russland bleibe essenziell. „Wir werden mit Deutschland im Rahmen des Normandie-Formats weiter eine politische Lösung im Ukraine-Konflikt suchen“, betonte Macron. Die Unverletzbarkeit der Grenzen, die freie Bündniswahl, der Verzicht auf Gewalt – all das seien Prinzipien, auf die Europa und Russland sich vor vielen Jahren geeinigt hätten. „Es ist an uns Europäern, diese Prinzipien und inhärenten Rechte der Souveränität der Staaten zu verteidigen“, sagte Macron.

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