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US-Fallschirmjäger bei einer Übung. Strategisch vollziehen die Vereinigten Staaten einen Schwenk nach Fernost mit Blick auf den Aufstieg Chinas zur Weltmacht. Welche Auswirkungen wird das auf das transatlantische Bündnis haben? Foto: U.S. Department of Defense
Trump oder Biden? In diesen Tagen blickt die ganze Welt auf die Vereinigten Staaten. Ganz gleich aber, wer nun die US-Präsidentschaftswahl für sich entscheidet: Das Nordatlantische Bündnis steht vor schwierigen Zeiten. Nicht nur die Position gegenüber Russland gilt es zu stärken. Die Nato muss auch den Aufstieg Chinas zur Weltmacht verkraften und sich auf die veränderte Politik der USA einstellen. Heinrich Brauß ist Generalleutnant a.D. und war von Oktober 2013 bis Juli 2018 Beigeordneter Generalsekretär der Nato für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung. Heute ist er Senior Associate Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). In einem Gastbeitrag für unser Verbandsmagazin „Die Bundeswehr“ hat Brauß beschrieben, was jetzt auf das transatlantische Bündnis zukommt.
In diesen Tagen finden die Präsidentschaftswahlen in Amerika statt. Ihr Ausgang wird weitreichende Auswirkungen auf das Nordatlantische Bündnis und die Sicherheit Europas haben. Wird Donald Trump wiedergewählt, könnte er wie 2018 versuchen, die Nato zu verlassen oder sie zumindest durch eine einschneidende Verminderung der amerikanischen Truppen in Europa auszuhöhlen. Es sei denn, Deutschland und andere steigern ihren Verteidigungshaushalt weiter signifikant, landen, wie schon 2014 durch die deutsche Regierung zugesagt, bis 2024 bei mindestens zwei Prozent des BIP, erfüllen bis dahin die Nato-Streitkräfteziele und zahlen für die Stationierung der US-Truppen.
Gewinnt Joe Biden, wird er die Beziehungen zu den europäischen Verbündeten reparieren. Denn ein stabiles, prosperierendes und vor russischer und chinesischer Kontrolle geschütztes Europa als Partner der Vereinigten Staaten bleibt eine wesentliche Grundlage für deren Weltmachtrolle. Aber auch unter Biden wird Amerika nicht mehr der „gütige Hegemon“ sein, der einen Großteil der Verteidigungsvorsorge für Europa übernimmt. Parteiübergreifend sehen die Amerikaner in China die politische, technologische und militärische Hauptbedrohung. Ihr strategischer Schwerpunkt wandert von Europa und dem Nahen Osten in den indo-pazifischen Raum. Auch Biden wird die US-Streitkräfte in Europa daher wohl nicht verstärken, manche mutmaßen sogar, auch er könnte sie verringern. Und parteiübergreifend fordern die Amerikaner, dass die europäischen Verbündeten weitaus mehr für ihre eigene und die gemeinsame Sicherheit tun als bisher – auch als Gegenleistung dafür, dass die USA weiter militärisch in Europa bleiben und den Schutzschirm ihrer erweiterten nuklearen Abschreckung über Europa aufgespannt lassen. Der Beitrag der Europäer zur nuklearen Risikoteilung auch mit Kampfflugzeugen wird eine unverrückbare Bedingung dafür bleiben.
Was kommt also auf die Nato zu? Sie muss drei große Herausforderungen gleichzeitig bewältigen:
Damit nicht genug. China und Russland arbeiten politisch, wirtschaftlich und militärisch immer enger zusammen. Sie sprechen von „strategischer Partnerschaft“. Die Entente zwischen den beiden Autokratien könnte den gesamten demokratischen Westen vor eine doppelte strategische Herausforderung stellen: in Europa und in Asien. Sollte es zu einem Konflikt zwischen den USA und China kommen, könnte sich Moskau zu einem aggressiven Vorgehen in Europa entschließen.
Vorsorge gegen Russlands Politik der Konfrontation und seiner Strategie der hybriden Kriegsführung hat daher für die Nato weiter höchste Priorität. Moskau setzt vor allem auf systematische Desinformation, Cyber-Attacken und subversive Aktionen unterhalb der Schwelle einer offenen Aggression. Nachbarn sollen verunsichert und destabilisiert, die Nato und die EU unterminiert werden. „Die Unberechenbarkeit wird zur Waffe“, schrieb der Generalinspekteur der Bundeswehr neulich. Aber – und dies wird oft übersehen – diese Strategie schließt militärische Drohung von außen ein. Mehr noch, die russische Führung bereitet sich auf regionale Kriege vor, auch unter Einsatz von Nuklearwaffen.
Unter Bruch des INF-Vertrags von 1987 hat Moskau neue landgestützte nuklearfähige Mittelstreckenwaffen aufgestellt. Erstmals seit fast 30 Jahren können weite Teile Europas wieder von Russland aus atomar bedroht werden. Im Baltikum besitzt Russland eine große Überlegenheit an konventionellen Streitkräften. Dort sind für russische Truppen die Wege kurz. 60.000 Mann können innerhalb weniger Tage überall hin an die Grenze verlegt werden, bereit zum Einmarsch. In einer großen Krise könnte Moskau versuchen, mit einem raschen regionalen Angriff vollendete Tatsachen zu schaffen, untermauert durch nukleare Drohung gegen europäische Hauptstädte und kritische Infrastruktur. Der Kreml könnte darauf setzen, dass die Nato dann aufgibt aus Furcht vor nuklearer Eskalation. Alle zwei Jahre wird dieses Szenario in der Großübung ZAPAD als regionaler Krieg gegen die Nato geübt, auch mit Atomwaffen.
Die Strategie der Nato ist daher darauf ausgerichtet, der russischen Führung diese Optionen zu verwehren. Deren Risikobeurteilung muss stets zu dem Schluss kommen, dass ein militärischer Angriff nicht zum Erfolg führen und im Extremfall zu einem nicht akzeptablen Schaden für Russland selbst führen könnte. Dazu hat die Allianz ein umfangreiches Programm entwickelt. Im Kern stellt es darauf ab, bedrohte Verbündete in einer Krise in verschiedenen Regionen – von Nordnorwegen bis zur Osttürkei – rasch mit Nato-Kräften verstärken zu können. Nur in den baltischen Staaten und Polen, die direkt an Russland grenzen, sind dauerhaft multinationale, einsatzbereite Battlegroups präsent. Rund 20 Verbündete stellen Truppen. Sie signalisieren der russischen Führung, dass sie selbst im Falle eines begrenzten Einfalls sofort mit der Nato als ganzer im Krieg wäre, einschließlich der drei Nuklearmächte USA, Frankreich und Großbritannien. Dann wäre Russland selbst mit einem untragbar hohen Risiko konfrontiert.
Die Glaubwürdigkeit dieser Strategie hängt aber von der Fähigkeit ab, bedrohte Verbündete schnell verstärken zu können, schon in einer Krise, um die Eskalation hin zu einem Krieg zu verhindern. Der Aufbau dieser Fähigkeiten ist im Gange, aber noch längst nicht vollendet. Es geht zu langsam voran. Die schnellsten und glaubwürdigsten Kräfte haben die Amerikaner. Aber wenn Trumps Abzugsplan realisiert wird, vermindern sie ihre Kampftruppen um mindestens ein Drittel. Deutschlands erste voll einsatzfähige Brigade soll erst 2023 kommen. Großbritannien ist dabei, seine mechanisierten Verbände zugunsten von Cyber-Fähigkeiten und neuen Technologien zu reduzieren. Und Frankreich orientiert sich vor allem nach Süden.
Was ist zu tun? Die Europäer und wir Deutsche im Zentrum, auf das alle schauen, werden sich grundlegend umstellen müssen. Mehr sicherheitspolitisches Engagement, mehr Zusammenhalt, mehr Ressourcen, mehr und bessere militärische Fähigkeiten sind geboten – für Abschreckung gegenüber Russland, Krisenbewältigung im Süden und auch zur Unterstützung der Amerikaner darin, die globalen Seewege zu schützen, die gerade für Europas Wirtschaften wichtig sind.
Deutschland muss daher die volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr viel eher herstellen als bisher geplant. Flug- und Raketenabwehr müssen drastisch verstärkt werden. Die Bundeswehr muss das Rückgrat der konventionellen Verteidigung Europas werden. Deshalb müssen auch die Verteidigungsausgaben weiter substanziell steigen. Nicht um einem amerikanischen Präsidenten zu gefallen, sondern weil es unsere eigene Sicherheit, unsere Solidarität mit unseren östlichen Verbündeten, die Glaubwürdigkeit der Nato und die Handlungsfähigkeit der Europäer auch in der EU erfordern.
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