Soldaten des deutschen Einsatzkontingentes KFOR üben im Lager Nothing Hill das Eindämmen und Kontrollieren (Crowd and Riot Control-Übung) einer gewaltbereiten Ansammlung von Menschen. Das KFOR Camp Nothing Hill ist eine militärische Einrichtung im Norden des Kosovo nahe der Grenze nach Serbien. Archivfoto: Bundeswehr/Sebastian Wilke

01.08.2022
dpa/ffs

Spannungen auf dem Balkan - Lambrecht sieht Lage an Grenze zwischen Kosovo und Serbien mit Sorge

Pristina/Berlin. Die Regierung des Kosovos hat auf Druck von US-amerikanischen und europäischen Diplomaten die Umsetzung neuer Einreiseregeln für Serben vorerst um einen Monat verschoben. Militante Serben im Norden des Landes begannen am Montag, die Barrikaden zu entfernen, die sie am Vortag aus Protest gegen die neue Regelung an den Zufahrtsstraßen zu zwei Grenzübergängen nach Serbien errichtet hatten.

Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht beobachtet die angespannte Lage an der Grenze zwischen Kosovo und Serbien besorgt. «Es ist gut, dass die kosovarische Regierung jetzt zunächst besonnen reagiert hat und so zur Entspannung beiträgt», sagte die SPD-Politikerin am Montag in Berlin.

Die Sicherheitslage im Norden des Kosovos sei angespannt, hatte die NATO-Mission KFOR am Sonntagabend mitgeteilt. Gemäß ihrem Mandat sei sie «bereit, einzugreifen, sollte die Stabilität gefährdet sein.» Die Situation werde permanent genau beobachtet, hieß es. Die NATO-geführte Mission konzentriere sich jeden Tag darauf, ein sicheres Umfeld und Bewegungsfreiheit für alle Menschen im Kosovo zu garantieren. Der seit 1999 im Kosovo stationierten Schutztruppe gehören knapp 4000 Soldaten an. Darunter sind auch mehrere Dutzend Angehörige der Bundeswehr. «Die Bundeswehr bleibt in der NATO und mit KFOR engagiert, um ein sicheres Umfeld und die Bewegungsfreiheit für alle Menschen im Kosovo zu garantieren», sagte Lambrecht.

Die Verordnung der kosovarischen Regierung sollte ursprünglich an diesem Montag um Mitternacht in Kraft treten. Demnach hätten sich Personen, die sich an der Grenze mit serbischen Personaldokumenten ausweisen, eine zusätzliche Bescheinigung der kosovarischen Grenzpolizei ausstellen lassen müssen. Auch serbische Kfz-Kennzeichen sollten nicht mehr anerkannt werden. Pristina verstand dies als Gegenmaßnahme dafür, dass das Nachbarland Serbien seit mehreren Jahren kosovarische Dokumente nicht anerkennt. Kosovarische Staatsbürger erhalten bei der Einreise ein ähnliches Dokument, wie es das Kosovo nun für Reisende mit serbischen Dokumenten einführen wollte.

Serbien droht: «Es wird keine Kapitulation geben, und Serbien wird gewinnen, wenn sie es wagen, Serben zu verfolgen, Serben zu töten.»

Aus Protest gegen die geplante Verordnung hatten militante Aktivisten im überwiegend von Serben bewohnten Norden des Kosovo am Sonntag die Straßen zu den Grenzübergängen Jarinje und Brnjak mit schweren Baumaschinen verbarrikadiert. Unbekannte hätten zudem Schüsse in Richtung kosovarischer Polizisten abgegeben, verletzt worden sei dabei niemand, sagte die Polizei in Pristina am späten Sonntagabend. Bei der Polizei in Pristina meldeten sich vier Bürger, die behaupteten, im Nord-Kosovo von militanten Serben festgehalten und misshandelt worden zu sein.

Unterstützung erhielten die Kosovo-Serben von der Führung in der serbischen Hauptstadt Belgrad. Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vucic hatte in einer Fernsehansprache am Sonntagvormittag - also noch vor Errichtung der Barrikaden - Albaner und Serben zur Zurückhaltung aufgerufen. Zugleich hatte Vucic betont: «Es wird keine Kapitulation geben, und Serbien wird gewinnen, wenn sie es wagen, Serben zu verfolgen, Serben zu töten.» Hinweise dafür, dass die kosovarischen Behörden ethnische Serben physisch attackieren wollten, lagen zu dem Zeitpunkt nicht vor.

Russland unterstützt Serbien und wirft dem Kosovo «Provokationen» vor

Russland, das als Verbündeter Serbiens gilt, warf dem Kosovo «Provokationen» vor. Die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa, sagte laut einer Mitteilung vom Sonntagabend zudem: «Eine solche Entwicklung der Ereignisse ist ein weiterer Beweis für das Scheitern der Vermittlungsmission der Europäischen Union.» Russland hat europäischen Staaten in der Vergangenheit bereits immer wieder eine angeblich jahrelang misslungene Mediation in Bezug auf die Ukraine vorgeworfen und seinen Ende Februar begonnenen Angriffskrieg gegen das Nachbarland auch in diesem Kontext gerechtfertigt.

Wegen der angespannten Lage traten internationale Diplomaten auf den Plan. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sowie der US-Botschafter im Kosovo, Jeff Hovenier, traten an den kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti heran, um einen Aufschub für das Inkrafttreten der Einreiseregeln zu erwirken. Der kosovarische Regierungschef teilte schließlich in der Nacht zum Montag auf Twitter mit, dass die Maßnahme für 30 Tage ausgesetzt werde, sobald die Serben die Barrikaden im Nord-Kosovo beseitigen würden.

Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo gehörte bis 1999 zu Serbien. Nach einem bewaffneten Aufstand der Kosovo-Albaner zwang die NATO den serbischen Staat mit Luftangriffen zum Rückzug. Von 1999 bis 2008 regierte die UN-Verwaltung Unmik die Provinz. Serbien erkennt die von den Kosovaren im Jahr 2008 ausgerufene Unabhängigkeit nicht an.

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