Die Verteidigungsministerin hatte bereits im März bekanntgegeben, dass für die Tornado-Nachfolge der F-35A beschafft werden soll. Das ist aber nur eines von vielen Projekten, für die das Sondervermögen dringend gebraucht wird. Foto: Lockheed Martin Corporation/Todd R. McQueen

27.04.2022
fke

Erste Lesung des Sondervermögensgesetzes: „15 Jahre Vernachlässigung unserer Streitkräfte beenden“

Über das Sondervermögen für die Bundeswehr diskutieren seit über zwei Monaten das politische Berlin ebenso wie Militärexperten und Soldaten und Soldatinnen. Wofür wird es aufgewendet? Kommt es ins Grundgesetz?  

Heute nun fand im Bundestag die erste Beratung der Regierungsentwürfe für das Bundeswehrsondervermögensgesetz (BwSVermG) und das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 87a) statt. Für die Änderung des Grundgesetzes braucht die Bundesregierung eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Die gibt es nur mit Stimmen aus der CDU/CSU-Fraktion. Deren Sprecher Friedrich Merz hatte zuvor gesagt, dass mit diesen nur zu rechnen sei, wenn klar sei, dass die 100 Milliarden Sondervermögen wirklich nur für die Ertüchtigung der Bundeswehr eingesetzt würden.

Zuletzt hatte Oppositionssprecher Merz gesagt, das Gesetz in seiner jetzigen Form sei nicht zustimmungsfähig, hatte aber Redebereitschaft angekündigt. Zu Gesprächen haben sich Vertreter der Ampel und der Union vor der heutigen Beratung im Bundestag getroffen. Dass diese Gespräche aus seiner Sicht nur mit der Zustimmung der Union zum Sondervermögen enden können, machte Bundesfinanzminister Linder in der heutigen Debatte deutlich. Er verglich die Bedeutung des Gesetzes zum Sondervermögen mit der Bedeutung des NATO-Doppelbeschlusses und rief daher die Union dazu auf, sich diesem historischen Moment „nicht zu verschließen“.

Oberst André Wüstner forderte im MOrgenmagazin-Interview die Regierung und Opposition dazu auf, einen Kompromiss zu finden. Käme der nicht zustande „wäre das innerhalb der Bundeswehr ein massiver Schaden“, sagte der Bundesvorsitzende. „Die Bundeswehr braucht dieses Geld“, betonte der Stabsoffizier.

Was steht drin im Bundeswehrsondervermögensgesetz?
Ziel des Gesetzes ist es, die Bundeswehr so aufzustellen, dass die Bundesrepublik ihre Verantwortung im „internationalen Rahmen“ wahrnehmen und die Landes- und Bündnisverteidigung gewährleisten kann, so der Entwurf. Um das zu erreichen, sollen mit dem Gesetz „die Mittel des Sondervermögens an den Zweck Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit“ gebunden werden und „sollen der Finanzierung bedeutsamer Ausrüstungsvorhaben, insbesondere komplexer überjähriger Maßnahmen, dienen.“ Das klingt nach den Waffensystemen, auf die Heer, Luftwaffe und Marine dringend angewiesen sind.
Ein Wirtschaftsplan ist dem Gesetzentwurf vor der ersten Lesung noch nicht beigefügt. Aber wenn im Wirtschaftsplan einmal Mittel für ein Projekt festgelegt sind, können diese nicht mehr umgewidmet werden. Das macht der Entwurf klar.
Klarheit besteht nun auch in der Frage, ob die 100 Milliarden für sich stehen oder ob sie auf das Zwei Prozent Ziel der NATO einzahlen. Denn in der Begründung zum Regierungsantrag steht: „Die Ausgaben des Sondervermögens müssen auf das NATO-Ziel für die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten anzurechnen sein.“

Wie lief die Debatte?
Dass den Politikern der Unionsparteien der Wortlaut der beiden Gesetzesentwürfe nicht klar genug ist, machten sie in der Debatte erneut deutlich. Bei einer Änderung des Grundgesetzes müsse, so Alexander Dobrindt (CSU), auch im Grundgesetz verankert werden, dass die Mittel nur für „Rüstungsvorhaben“ und „Aufrüstung“ aufgewendet werden. Dem entgegnete Bundesfinanzminister Lindner, dass bereits „über den Standort in der Verfassung, nämlich in der Wehrverfassung,“ deutlich werde, „welchem Zweck das Gesetz dient“ und zwar „insbesondere zur Stärkung unserer Streitkräfte“, so der FDP-Politiker. Außenministerin Annalena Baerbock ergänzte: „Aufrüstung und Ausrüstung ist kein Gegensatz, sondern das gehört ganz eng zusammen.“ Es genüge nicht „die Battlegroups zu verstärken“, man könne nicht sagen „Ostflanke oder NATO-Fähigkeiten oder Einsätze. Alles gehört zusammen.“

Ähnlich äußerte sich Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht. „Es geht nicht nur um Aufrüstung, es geht auch um Ausrüstung, es geht um langfristige Großprojekte und um Munition.“ Sie bedankte sich, ebenso wie der Finanzminister, bei den Unionsparteien für die konstruktiven Gespräche der vergangenen Tage und Wochen, aber sie appellierte auch an die Abgeordneten der Opposition: „Ich weiß doch, dass in den Reihen der Union alle Abgeordneten hinter der Bundeswehr stehen. Und dann zeigen Sie das auch, indem Sie dem Sondervermögen zustimmen.“
Kritik übte Alexander Dobrindt auch an der Finanzierung des Sondervermögens durch Kreditaufnahme. Er wiederholte die Forderung der Unionsparteien, dass die Ampel klar machen müssen „wie wir diese Schulden wieder tilgen.“ Bundesfinanzminister Lindner verteidigte die Entscheidung, das Sondervermögen nicht mit Steuererhöhungen zu finanzieren und sagte mit einem Seitenhieb auf die Union, es gehe darum „15 Jahre Vernachlässigung unserer Streitkräfte zu beenden“.

Der Befürchtung des CDU-Politikers Dr. Mathias Middelberg, mit dem Sondervermögen könnten auch Kosten für humanitäre Hilfe abgedeckt werden, hielt Außenministerin Annalena Baerbock entgegen: „Es geht nicht um humanitäre Hilfe. Es geht hier um harte Sicherheitsmaßnahmen, im Sinne der vernetzten Sicherheit.“ Und warum die zwei Prozent aus ihrer Sicht nicht im Grundgesetz verankert werden sollen? „Was ist mit dem Jahr, in dem wir die F35 kaufen und mehr als die zwei Prozent ausgeben? Wollen wir dann wieder das Grundgesetz ändern?“

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick