Seine Expertise war bei der öffentlichen Anhörung zur Beschaffung bewaffneter Drohnen im Bundestag gefragt: Der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner. Screenshot: DBwV

Seine Expertise war bei der öffentlichen Anhörung zur Beschaffung bewaffneter Drohnen im Bundestag gefragt: Der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner. Screenshot: DBwV

07.10.2020
Von Yann Bombeke

Der Bundesvorsitzende André Wüstner als Experte bei Drohnen-Anhörung im Bundestag: „Schutz der eigenen Soldaten bleibt das zentrale Argument“

Berlin. Im Bundestag zeichnet sich inzwischen eine deutliche Mehrheit für den Einsatz bewaffneter Drohnen ab: Auch die SPD-Fraktion hat im Juli erklärt, sich in der Frage auf die Union zuzubewegen. Am Montag (5. Oktober) hat der Verteidigungsausschuss des Bundestages die monatelange Diskussion zum Thema mit einer Expertenanhörung abgeschlossen. Denn: Die meisten Soldatinnen und Soldaten empfinden es als überfällig, dass sich nach vielen Jahren der Diskussion endlich eine Entscheidung abzeichnet. Diese Anhörung im Verteidigungsausschuss, an der der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner als Experte gefragt war, hat erneut verdeutlicht, was eigentlich schon lange klar ist: Die Bundeswehr braucht bewaffnete Drohnen. Je schneller, desto besser. Es geht schlicht und ergreifend um den Schutz von Leib und Leben der Soldaten. Deshalb fordert der BundeswehrVerband, endlich auch die Bewaffnung für die für die Bundeswehr vorgesehene Drohne „Heron TP“ zu realisieren.

Gleich zu Beginn der Anhörung machte Wüstner, der selbst über Einsatzerfahrung auf dem Balkan und in Afghanistan verfügt, deutlich, worum es geht: „Zum Soldatenberuf gehört es dazu, sein Leben im Auftrag von Regierung und Parlament einzusetzen, es handelt sich um keinen Beruf wie jeden anderen. Die Angehörigen der Bundeswehr und ihre Familien erwarten daher, dass ihnen für die Auftragserfüllung das bestmögliche Material zur Verfügung gestellt wird, jetzt geht es um den Schutz durch Drohnen.“ Der Deutsche BundeswehrVerband habe sich bereits 2010 zur Thematik der Bewaffnung von Drohnen positioniert. „Diese Position hat sich im Kern nicht verändert“, sagte der Bundesvorsitzende in der Ausschusssitzung, die von Wolfgang Hellmich (SPD) geleitet wurde.

Wüstner stellte fest, dass sich offensichtlich viele der an der jetzigen Debatte Beteiligten zuvor niemals mit den ethischen Herausforderungen des Soldatenberufs beschäftigt hätten: „Das Auslösen einer Waffe, ob als Infanterist, als Kampfpilot, als U-Boot-Kommandant oder Artillerie-Geschützführer ist immer mit einer Entscheidung über Leben oder Tod eines Gegners verbunden.“ Der Verbandschef weiter: „Diese ethische Herausforderung stellt sich für die Soldatinnen und Soldaten – als Staatsbürger in Uniform und als Mensch – lange vor einem möglichen Ernstfall. Deshalb ist die ethische Dimension des Berufs Kern der Ausbildung, verankert in der Konzeption der Inneren Führung.“ Auch eine bewaffnete Drohne werde durch einen Menschen ausgelöst. Die Befürchtungen einer Entmenschlichung der militärischen Gewalt teile in der Bundeswehr niemand, so Wüstner.

„Wir empfinden es als eine ethische Verpflichtung, für den bestmöglichen Schutz der Soldatinnen und Soldaten zu sorgen“, sagte Oberstleutnant Wüstner zu den Ausschussmitgliedern. Jetzt hofften die Angehörigen der Bundeswehr, dass nach der Anhörung schnellstmöglich der Weg für die Bewaffnung von Drohnen freigemacht werde. Sollte der Bundestag grünes Licht geben, müsse die Beschaffung schnellstmöglich angegangen werden. Wüstner machte klar: „Bei der Frage der Bewaffnung der Heron TP sind wir extrem spät dran.“

Der Bundesvorsitzende wies auf die Gefahr hin, die in den Einsätzen nach wie vor durch asymmetrische Bedrohungen gegeben sei. Von besonderer Bedeutung seien dabei eine intakte Rettungskette, „aber auch Aufklärung und Wirkungsmöglichkeiten müssen auch in überdehnten Einsatzgebieten sichergestellt sein“. Ohne Aufklärung vorab und ohne verfügbare schnelle Wirkung stünden die Chancen bei einem Hinterhalt schlecht. Der Bundesvorsitzende weiter: „Es gibt aktuell kein besseres Mittel als Drohnen, um zusätzlich zu einer hervorragenden Aufklärung schnell wirken zu können.“ Wüstner nannte am Beispiel des Raketenbeschusses auf das Feldlager in Kundus ein weiteres Szenario, wo schnelles Wirken notwendig sei. „Verdammt sein zum Zusehen ist eine extrem belastende Situation für die heutigen Drohnen-Piloten, die lediglich Beobachter traumatischer Ereignisse sein können anstatt für Ihre Kameraden unterstützend wirken zu können“, so Wüstner.

Völkerrechtliche Bedenken, wie sie etwa in der Diskussion von Rechtsanwalt Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights und Dr. Christian Marxsen vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht geltend gemacht wurden, teilt der Bundesvorsitzende nicht. An die Adresse der Parlamentarier gerichtet sagte Oberstleutnant Wüstner: „Wir gehen davon aus, dass wir von Ihnen allen völkerrechtskonforme Mandate erhalten.“

Auf den völkerrechtlichen Aspekt ging auch Prof. Dr. Andreas Zimmermann von der Universität Potsdam ein. Der Wissenschaftler beklagte, dass die Diskussion vom mitunter völkerrechtswidrigen Einsatz von Drohnen durch Staaten wie die USA geprägt sei. „Doch darum geht es hier nicht“, sagte Zimmermann, „die Rakete, die von einer Drohne abgeschossen wird, unterscheidet sich nicht vom Einsatz durch eine andere Waffenplattform“. Die Regeln des humanitären Völkerrechts gelten auch für den Einsatz von Drohnen, sagte Zimmermann. Zudem habe es der Bundestag in der Hand, wie eng er die Drohneneinsätze mandatiere.

Auch Generalleutnant a.D. Joachim Wundrak betonte, dass der Einsatz von Drohnen nach den gleichen Regeln und Vorgaben wie der Einsatz von herkömmlichen Waffensystemen erfolge. Bei der Vermeidung ziviler Opfer hätte der Einsatz von UAV (Unmanned Aircraft Vehicle) zudem erhebliche Vorteile – die lange Stehzeit im Einsatzraum ermögliche eine größere „taktische Geduld“.

Für Prof. Dr. Carlos Masala von der Universität der Bundeswehr München hat Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten ein Alleinstellungsmerkmal in Form des Parlamentsvorbehalts. Allein dadurch schließt auch Masala einen völkerrechtswidrigen Einsatz von bewaffneten Drohnen durch Deutschland aus. Der Professor von der Bundeswehruniversität fügte hinzu, dass bewaffnete Drohnen kein „Gamechanger“ seien. Sie verfolgten das gleiche Ziel wie andere Waffensysteme wie Kampfflugzeuge oder Artillerie: zwischen Kämpfenden Distanz herstellen. Drohnen seien lediglich ein weiteres Instrument.

Insgesamt wurden durch die Mehrheit der anwesenden Experten die Argumente der Gegner bewaffneter Drohnen widerlegt. Kein Wunder, denn gemäß Prof. Dr. Masala und Oberstleutnant Wüstner ist spätestens seit 2017 alles zu bewaffnungsfähigen Drohnen am Beispiel der „Heron TP“ gesagt. Dies sei jedoch zu trennen von beispielsweise in China, den USA oder Russland in Entwicklung befindlichen autonom agierenden Systemen – hier gelte es, schnellstmöglich völkerrechtliche Pflöcke einzurammen. Darin waren sich die Experten einig.  

„Zur Bewaffnung der Heron TP ist von allen bereits alles gesagt, es wird nun Zeit, dass endlich die Beschaffung eingeleitet wird. Alles andere wäre nicht mehr zu erklären“, so Wüstner. Union, AfD und FDP sprachen sich bereits für eine Beschaffung aus. Die SPD-Verteidigungspolitiker sahen die Auflage des Koalitionsvertrages seitens der Bundesregierung erfüllt und äußerten sich bereits positiv, allerdings war noch offen, ob die Mehrheit der SPD-Bundestagsfraktion dies ähnlichsieht. Bekanntlich gibt es dort sehr unterschiedliche Auffassungen. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Fritz Felgentreu, sagte am Montagabend in der ARD-Tagesschau, dass er sich eine Zustimmung seiner Partei für den Fall, dass der Einsatz bewaffneter Drohnen für den Schutz der Soldaten am Boden festgeschrieben werde, vorstellen könne. Grüne und Linke bleiben bei ihrer bisherigen Position der „Nichtbewaffnung“.

Zum Hintergrund:
Die Debatte um bewaffnete Drohnen ist nicht neu – sie wird seit vielen Jahren geführt. So war es auch der Deutsche BundeswehrVerband, der seinen Anteil daran hatte, dass die Diskussion immer wieder auf die politische Ebene gelangte. Die blutigen Gefechte in Afghanistan vor allem in den Jahren 2009 bis 2011 führten auch der Öffentlichkeit vor Augen, dass die Soldaten in den Einsätzen zusätzlichen Schutz aus der Luft benötigen. Und doch dauerte es ein Jahrzehnt, bis die Debatte endlich Fahrt aufnahm. Im Koalitionsvertrag wurde 2017 festgehalten, dass eine Regierungsvorlage erstellt werden sollte, die ethische, völker- und verfassungsrechtliche Fragen thematisiert. Auf dieser Grundlage sollte schließlich der Bundestag eine Entscheidung treffen.

Das BMVg legte in diesem Jahr eine ganze Reihe von Veranstaltungen auf – Workshops, Live-Chats, Debatten im Livestream –, um die Öffentlichkeit einzubinden und über die völker- und verfassungsrechtlichen sowie ethischen, politischen und nicht zuletzt militärischen Aspekte der Bewaffnung der „Unmanned Aircraft Vehicles" zu diskutieren. Die Ergebnisse sind eindeutig – bewaffnete Drohnen dienen dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten und werden dringend benötigt. An dieser Erkenntnis hat die jüngste Anhörung im Bundestag nichts geändert. Jetzt ist es an der Zeit, endlich eine Entscheidung zu treffen. Alles andere wäre den Soldatinnen und Soldaten kaum zu vermitteln.

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