Menschenleer: Die Bundeswehrfachschulen spüren auch deutlich die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Foto:

Menschenleer: Die Bundeswehrfachschulen spüren auch deutlich die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Foto: Bundeswehr

20.04.2020
Martina Mayer-Ullmann

„Wir unterrichten in der Lage“ - Eine Bundeswehrfachschule in Zeiten von Corona

Martina Mayer-Ullmann, Dir'inFSch Leiterin Bundeswehrfachschule Karlsruhe berichtet über das BwFachS in Zeiten von Corona.

Montag, 16. März
Am Wochenende war die Weisung gekommen: Kein Präsenzunterricht mehr an Bundeswehrfachschulen bis vorerst 17. April. Letzte, lange terminierte Tests werden schnell noch geschrieben, die Lehrkräfte geben rasch ein paar Infos weiter, dann leert sich die Schule. Viele stehen noch im weitläufigen Foyer, können es gar nicht recht fassen und haben viele Fragen: "Wie geht es weiter?" "Was ist mit unseren Prüfungen?" "Und was mit unseren Noten?" Wir müssen erstmal kurz vertrösten: "Ihre Lehrkräfte nehmen Kontakt zu Ihnen auf - schauen Sie in Ihre Mails und auf ILIAS!"

Dienstag, 17. März
Die Lehrkräfte der BwFachS Karlsruhe kommen noch einmal zusammen, nicht im Lehrerzimmer, sondern - gemäß den neuen Regeln - in einem großen Unterrichtsraum, wo jeder viel Platz um sich herum hat. Wir besprechen alles: wie wir jetzt mit unseren Klassen weitermachen, wie wir auch in der Fernunterrichtsphase Leistung beobachten und dokumentieren können, ob wir notfalls auf die zweite Klassenarbeit verzichten und trotzdem vernünftige Noten machen könnten, ob die Abschlussklassen auch im Fernunterricht auf die Prüfung weiter vorbereitet werden können, wie wir feststellen können, ob alle auch mitmachen - und mitmachen können.

Unser großer Vorteil: mit ILIAS haben die Bundeswehrfachschulen (mit Unterstützung des Uni Bw Hamburg HSU) eine eigene, internetbasierte Lernmanagementplattform. Das ist bisher ziemlich einzigartig in der Bundeswehr, die bisherige Plattform ITAPBw läuft im Intranet. Eigentlich läuft "unser ILIAS" noch in der "Beta-Version", aber es steht zu unserer Verfügung und kann jetzt sofort auf 100 Prozent Nutzung hochgefahren werden. Alles, was unsere Lehrgangsteilnehmenden brauchen, ist ein Internetzugang. Wer hat den heute nicht?

Mittwoch, 18. März
Alle Klassen sind auf ILIAS angemeldet, alle ehrgangsteilnehmenden haben mithilfe einer FAQ-Datei Antworten auf die wichtigsten Fragen, soweit diese gegeben werden können. Die "Frequently Asked Questions" werden sich noch zu einem ganz wichtigen Tool entwickeln, und werden sowohl über ILIAS als auch über unsere Schul-eigene Handy-App allen zugänglich gemacht und in der Folge stetig aktualisiert.

Wir "leben in der Lage", und es wird neben ILIAS schon heftigst ganz viel mehr ausprobiert und genutzt: Aufgaben über klassische Email, der LIVE-Chat über ganz verschiedene Kanäle - unsere Schüler*innen tun engagiert mit und laden so manch eine Lehrkraft zu sich in den eigenen Gruppenchat ein. Wir lernen in dieser Phase ganz viel voneinander - die Erfahrung auf der Spielekonsole mit einem Teamchat haben uns unsere Schüler voraus, und das ist jetzt Gold wert! Auch die Lehrkräfte geben Rückmeldung, welche LIVE-Tools im Videobereich funktionieren, welche Schwächen haben, und wo es wie "hakt", aber auch, was funktioniert. Die Telefonkonferenz wird als wichtiges
Ergänzungstool genutzt.

Montag, 23. März
Inzwischen können wir sagen: "Wir unterrichten in der Lage"! Vier Unterrichtstage nach dem Stopp der Präsenzlehre haben sich die Reihen alle geschlossen, die ersten Fernunterrichtsroutinen haben sich gebildet, die ersten Erfahrungen mit dem ganz anderen Unterricht sind gemacht, der Unterricht "läuft"! Nicht einen Tag waren die Klassen ohne Aufgaben oder Kontakt zu ihren Lehrkräften. Der Unterricht ging sofort weiter, nur in alternativer Form. Ich telefoniere mich durch mein Kollegium. "Ganz anders, ganz viel mehr Arbeit, aber es macht auch Spaß, diese Herausforderung anzunehmen!" "Die Klassen machen toll mit!" "Die Schüler*innen WOLLEN weiter lernen!" aber auch "Hilfe, ich versinke in Korrekturen!", oder Lehrgangsteilnehmer Mustermann ist abgetaucht". Wertvolle Infos sammle ich, verarbeite sie in updates für die FAQ-Datei, multipliziere Hinweise und Erfahrungen bei meinen Lehrkräften.

Kontaktiere Lehrgangsteilnehmer Mustermann direkt und umgehend. Mustermann erzählt: "Ich wohne im Funkloch" oder "ich habe kein Equipment" oder "ich muss Kinder betreuen". Für alles finden wir Lösungen. Funklöcher kann man schnell mal verlassen und auf dem nächstgelegenen LTE-Hügel alles Wichtige downloaden. Auch die Chatverläufe oder Konferenzaufnahmen. Und dann in heimischer Stube alles mitbearbeiten. Beim Equipment lässt sich die BFD-Pauschale nutzen (gut, eine kleine Erhöhung wäre sinnvoll, und schnell umsetzbar, liebe BFD-Verantwortlichen im Ministerium! Ich hätte da eine Idee...), und für die Eltern unter unseren Schüler*innen haben viele Lehrkräfte "Elterngruppen" eröffnet, die dann am Abend ihre Fragen besprechen können.

Es ist alles nicht einfach, aber es funktioniert. Und es läuft vor allem in einem Geist gegenseitiger Unterstützung, Hilfe, Beratung. In einer Atmosphäre guten Willens und der festen Orientierung aufs Ziel: "Ich will JETZT meine Prüfung schreiben, ich habe JETZT die Lebensanschlussplanung, ich will möglichst bruchfrei in meine neue Lebensphase". Das melden mir auch der Schul- und die Klassensprecher zurück. Manch eine*r realisiert, dass selber lernen ganz schön anstrengend sein kann. Mit ganz wenigen Ausnahmen klappt es den Umständen nach recht gut.

Auch unsere "grüne Klasse", die Mannschafter, die im Realschullehrgang "feldwebelreif" werden sollen, müssen sich nun ohne Präsenzphase durchkämpfen. Aber dabei unterstützt auch die Betreuungsstelle - die Zusammenarbeit ist hervorragend!

Mittwoch, 8. April
Mehr als drei Wochen dauert nun der "Unterricht in der Lage" schon. Die Routinen haben sich gut eingespielt, Von vielen Klassen höre ich ein dickes Lob, wie ihre Lehrkräfte mit der Situation umgehen. Von vielen Lehrkräften höre ich ein dickes Lob, wie ihre Schülerinnen und Schüler mitziehen. Wenn es doch irgend ein Problem gibt, gehen wir unterstützend, vermittelnd, motivierend an die Lösung. Wenn ich auf unsere Lernplattform schaue, finde ich in den Kursen Vereinbarungen zum Umgang miteinander, Lernstrategien für schwierige Zeiten, und ganz viel Kommunikation untereinander.

Alle sagen aber auch "Ich merke jetzt, was mir der Unterricht vor Ort doch alles bringt - ich freue mich, wenn wir zurück in unsere Schule dürfen!" Und die Lehrkräfte: "Es gibt so vieles, was ich jetzt NICHT wahrnehmen kann, das fehlt mir, und direkte Interaktion ist eben doch eine andere Qualität!" Auch ich gehe durch meine leere Schule und sehne mich nach dem Trubel des Schulalltags zurück.

Martina Mayer-Ullmann, Dir'inFSch
Leiterin BwFachS Karlsruhe

PS
Wie lange das noch so weiter geht? Für Glaskugeln gibt es keinen Rahmenvertrag, Beschaffung schwierig. Wir richten uns auf alle möglichen Szenarien ein, bereiten die Prüfung vor und den Semesterwechsel. Wenn es denn sein muss, auch "online". Bis dahin, flüstert der Buschfunk, haben wir dann auch unsere eigenen, an ILIAS angedockten Videoklassenräume, das vereinfacht vieles.... To be continued.

PPS
Ohne das gute Miteinander aller Kräfte wäre das alles nicht möglich. Ich kann nur danken: Meinen Lehrkräften, die sich über die Maßen engagieren, meinen Klassen, die alle super mitarbeiten, "Meiner" Betreuungsstelle, die viele Fragen im Umfeld klärt. Meinem Mutterhaus, dem Bildungszentrum der Bundeswehr, in dem so viele fleißige Menschen uns nun technisch unterstützen, wo es nur geht. Und das auch administrativ die Bedarfe vor Ort aufnimmt, bündelt und weitergibt. Meinem Sekretariat in der Schule, das sich auch auf die neue Situation eingestellt hat. Dem BwDLZ Bruchsal für die Unterstützung bei der Umsetzung von Corona-Regelungen. Es sind immer die Menschen, die das Notwendige ermöglichen.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

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