Oberst Ulrich Kirsch 2013 bei der Vorstellung der Ergebnisse der Zielgruppenbefragung in der Bundespressekonferenz. Foto: DBwV/Christine Hepner

Oberst Ulrich Kirsch 2013 bei der Vorstellung der Ergebnisse der Zielgruppenbefragung in der Bundespressekonferenz. Foto: DBwV/Christine Hepner

26.07.2021
Christine Hepner

65 Jahre DBwV: „Die Bundeskanzlerin fand das überhaupt nicht lustig“

Oberst a.D. Ulrich Kirsch stand dem DBwV von 2009 bis 2013 als Bundesvorsitzender vor. Für unsere Redaktion  erinnert er sich an die Anfänge seiner Zeit im Verband, berichtet von den Höhepunkten seiner Amtszeit und erinnert an Kardinalfehler zu Lasten der Bundeswehr.

Als der Fahnenjunker Ulrich Kirsch sich bei seinem Spieß melden musste und von ihm gefragt wurde, ob er seine Erkennungsmarke dabeihätte, verneinte der Offizieranwärter und wurde entsprechend belehrt. Als nächstes wurde er gefragt, ob er schon Mitglied im Deutschen BundeswehrVerband sei. „Da habe ich mir gedacht, bevor ich nochmal einen Anschiss bekomme, werde ich mal Mitglied.“ So berichtet Oberst a.D. Kirsch mit einem Schmunzeln über den Beginn seiner Karriere im DBwV, die in einer fünfjährigen Amtszeit als Bundesvorsitzender gipfelte.

Schnell sei ihm klar geworden, welche Chancen der Deutsche BundeswehrVerband bot, Themen an allen Hierarchien vorbei bis ganz nach oben zu transportieren. Ulrich Kirsch engagierte sich in den jeweiligen Truppenkameradschaften seiner Dienstorte, war Vorsitzender der TruKa in Sonthofen und selbst als Kommandeur Beisitzer in der eigenen Truppenkameradschaft. „Das hatte den Vorteil, dass ich wusste, was da gedacht wird, und unmittelbar mitbekommen habe, was meine Frauen und Männer bewegt. Dann bin ich zum Bezirksvorsitzenden gewählt worden und eines schönen Tages kam Bernhard Gertz auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht mehr machen wolle.“ So wurde Kirsch stellvertretender Vorsitzender Heer im Bundesvorstand und als das Mandat des Zweiten Stellvertreters des Bundesvorsitzenden eingerichtet wurde, stellte sich Kirsch zur Wahl und konzentrierte sich nach seiner Bestätigung auf den Schwerpunkt Einsätze.

Dieses Thema begleitete Ulrich Kirsch auch in seiner Amtszeit als Bundesvorsitzender, die 2009 mit dem Stabswechsel von Oberst Bernhard Gertz beim Verbandstag begann. Insbesondere befasste er sich mit dem Einsatz in Afghanistan und dem Umgang in der deutschen Gesellschaft mit der Tatsache, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten in Einsätzen waren, die nicht nur kriegsähnlich gewesen seien. „Das ist ganz zentral deutlich geworden durch die gefallenen Kameraden, die wir zu beklagen hatten. Ich nenne als Beispiel nur das Karfreitagsgefecht, wo die Seedorfer Fallschirmjäger schwere Verluste hatten. Das Gerangel um die Begrifflichkeiten hat mich immer am meisten beschäftigt, denn im Grunde genommen wurde vertuscht, dass es um einen Kriegseinsatz in Afghanistan ging. Und wie lange hat es gedauert, bis wir von gefallenen Soldaten gesprochen haben, was ja nicht nur dem Soldaten und seinen Gefühlen gerecht wird, sondern auch rechtliche Konsequenzen hat.“

Die Absicherung der Soldaten und ihrer Angehörigen im und nach dem Auslandseinsatz war bereits unter Bernhard Gertz ein wichtiger Punkt für den DBwV, den Kirsch mit seinen Mitstreitern fortführte. „Die Gedanken, die wir uns darüber gemacht hatten, was denn bei der Einsatzversorgung noch fehle, die haben wir dem BMVg vorgetragen und dort hieß es: Nein, das sei nicht nötig, das sei alles Überversorgung von Soldaten. Da sind wir gegen eine Wand gelaufen.“ Letztendlich sei es über die Lobbyarbeit gelungen, die Parlamentarier von der Notwendigkeit des Einsatzversorgungsverbesserungsgesetzes zu überzeugen und ein Gesetz aus der Mitte des Parlaments herauszugeben, gegen die Auffassung des BMVg. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, als der damalige Verteidigungspolitiker und heutige Generalsekretär der SPD, Lars Klingbeil, im Deutschen Bundestag seine Rede hielt und ich war oben auf der Zuschauertribüne. Er bedankte sich beim Deutschen BundeswehrVerband und bei mir, als er mich entdeckt hatte, und dann drehten sich die Abgeordneten unten alle um und applaudierten in meine Richtung, also in Richtung des DBwV. Also, das war schon etwas Besonderes. Ich habe dann überlegt, was ich mache und ich habe einfach sehr staatstragend geguckt.“

In seiner fünfjährigen Mandatszeit als Bundesvorsitzender gab es viele weitere wichtige Ereignisse und Erfolge des DBwV. Ulrich Kirsch erwähnt unter anderem die Ansage des damaligen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg, in den Sparkurs zu gehen. „Das war 2010 die Einsparung von 8,3 Milliarden Euro und die Aussetzung der Wehrpflicht. Zwei Kardinalfehler, aus meiner Sicht.“ Die Themen, die der Wehrbeauftragte des Bundestages Reinhold Robbe damals schon bemängelte, seien auch heute noch Thema, unter anderem die fehlende Anerkennung und die Bürokratie. Aber auch die Befragung des militärischen Führungspersonals zur Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr im Jahr 2013 will Kirsch nicht unerwähnt lassen. Die durch die Technische Universität Chemnitz im Auftrag des DBwV durchgeführte Befragung habe für sehr viel Aufsehen gesorgt, da sie sehr schlecht für den Dienstgeber ausging. „Ein unangenehmer Weckruf“ zitiert Kirsch aus der damaligen Verbandszeitschrift. „Da wurde Tacheles geredet vom Führungspersonal. Das wurde sehr ernst genommen, auch wenn das alles leider immer eine sehr geringe Halbwertzeit hatte angesichts der permanenten Reformen und Wechsel an der Führung.

Als ein besonderes Highlight bezeichnet Oberst a.D. Kirsch aus heutiger Sicht die „Postkartenaktion“. „Wir waren ja stinksauer, als 2010 die Sparklausur stattfand und die Bundesregierung sich entschloss, die zugesagte Wiedergewährung der Sonderzahlung, oder auch Weihnachtsgeld im Volksmund, weiterhin auszusetzen. Das habe ich als Wortbruch empfunden. Ich habe damals der Kanzlerin gesagt: ‚Frau Merkel, machen Sie das nicht, sonst wird das ärgerlich.’“ Der Verband habe dann zur Protestkartenaktion aufgerufen mit einer Postkarte, auf der eine Karikatur von Merkel einem Soldaten das Geld aus der Tasche zieht und dabei sagt: „Alle Soldaten, die in Afghanistan Dienst tun, verdienen unsere uneingeschränkte Solidarität.“ Aus dem Bundeskanzleramt sei ein Anruf gekommen, dass die Bundeskanzlerin das überhaupt nicht lustig finden würde. „Es waren rund 140.000 Protestkarten zusammengekommen und die haben wir in einer medienwirksamen Aktion ins Kanzleramt gefahren. Die Bundespolizei, die davon nebenbei bemerkt auch betroffen war, hat uns reingelassen und dann haben wir die Protestkarten an der Poststelle des Bundeskanzleramts abgegeben. Das waren unzählige Kartons“, erinnert sich Kirsch. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Das Weihnachtsgeld wurde wiedergewährt.

Oberst a.D. Ulrich Kirsch erinnert sich gern an die Zeit als Bundesvorsitzender des DBwV, das wird im Gespräch sehr deutlich. Und eigentlich gibt es noch von vielen weiteren Ereignissen und Erfolgen zu berichten, mit denen er nicht im Traum gerechnet hatte, als er sich als „g‘schlamperter Fahnenjunker“ zum Eintritt in den Deutschen BundeswehrVerband entschloss.

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