Der Bundesvorsitzende des DBwV, Brigadegeneral Wolfgang Keilig (r.) und sein Stellvertreter, Hauptfeldwebel, Hermann Stahlberg (l.), gratulieren am 18. Juli 1964 Otto Mosbach zum 75. Geburtstag. Als Dank für die enge und fruchtbare Zusammenarbeit in Unteroffiziersfragen überreicht Hermann Stahlberg den silbernen Ehrenteller des DBwV. Foto: DBwV Archiv

30.10.2021
Michael Rudloff

Otto Mosbach – „Vater der Unteroffiziere“

In zahllosen Filmen und Büchern verkörpern Unteroffizierstypen den typischen „kleinen Mann“, der im Heer eine gewisse Macht über andere bekommt und diese ausnutzt. Abschätzigen Urteilen über Unteroffiziere, die gerne bespöttelt und als „Menschenschinder“, „Schleifer“ oder „Nichtskönner“ dargestellt werden, begegnet der junge Soldat Otto Mosbach nach seiner Einberufung zum Militär häufig. Sie stehen im Widerspruch zu seinen Erfahrungen und wecken sein Gerechtigkeitsempfinden.

Die Empörung über verbreitete Zerrbilder motiviert Otto Mosbach zu seinem Lebenswerk, den Unteroffizieren einen geachteten Platz in der Gesellschaft zu schaffen. Der Einsatz für die Verbesserung der rechtlichen Absicherung der Unteroffiziere, für Qualifizierungs- und Aufstiegsmöglichkeiten und für Perspektiven nach dem Ausscheiden aus der Armee wird sein Leben bestimmen.
Mosbach wird am 18. Juli 1889 in einer katholischen Familie Euskirchen geboren und wächst im Oberbergischen Land auf. Als ältestes von sieben Geschwistern trägt er durch schwere körperliche Arbeit in einer Fabrik zum Lebensunterhalt bei. Gefördert durch seinen Religionslehrer bereitet er sich zunächst auf eine Ausbildung durch den Volksverein für das katholische Deutschland vor, um eine Aufgabe in der christlichen Gewerkschaftsbewegung zu übernehmen. Seine Lebensplanung nimmt 1911, nach seiner Einberufung zum Militär nach Koblenz, eine Wende. Beeindruckt durch die Persönlichkeit seines Kompaniefeldwebels entscheidet er sich, Soldat zu bleiben.

Mutter der Kompanie
Zwei Jahre später wird Otto Mosbach als jüngster Unteroffizier seines Infanterie-Regiments mit der Ausbildung einer Rekrutenkorporalschaft betraut. Nach wenigen Monaten muss er sich auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges bewähren. Bereits im September 1914 erhält für eine erfolgreiche Patrouille das Eiserne Kreuz. Bald wird er zum Feldwebel befördert und „Mutter der Kompanie“. Zu den ihn schwer belastenden Aufgaben gehören auch die Briefe, die er an die Angehörigen der gefallenen, vermissten und verwundeten Soldaten schreiben muss. „Die blutige Fratze des grausamen Krieges stierte mich bei jedem Brief an und ich lernte diese Menschheitsgeisel zutiefst hassen“, bekennt er in seinen Erinnerungen. Andererseits fürchtet er bei einer Niederlage ein „Ende mit Schrecken“.
Als dieses Ende nicht abzuwenden ist, sind es vor allem die Unteroffiziere, die  die Disziplin im Heer aufrechterhalten und den geordneten Rückzug organisieren. Die Revolution bringt den Soldaten neben dem Wahlrecht das Koalitionsrecht. Unteroffiziervereinigungen werden gebildet. Einstimmig wählen die Kameraden des Infanterieregiments 68 den Offizier-Stellvertreter Otto Mosbach zum 1. Vorsitzenden.

Berater im Stab des Reichswehrministers

Im März 1919 wird der erst 29-jährige Mosbach durch die Delegierten von Unteroffizier-Vereinigungen aller Armeekorps und der beiden Marinestationskommandos zum Vertreter von Unteroffiziersfragen im Stab des Reichswehrministers gewählt. Im Bendlerblock sichert ihm Gustav Noske zu, ihn bei allen zur Entscheidung anstehenden Unteroffizier-Angelegenheiten zu konsultieren. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist das 1919 durch die Nationalversammlung in Weimar angenommene sogenannte „Kapitulanten-Entschädigungsgesetz“. Kernpunkte bilden Übergangregelungen, laufende Beihilfen und einmalige Abfindungen für ausscheidende Berufssoldaten.

Der inzwischen gebildete „Reichswirtschaftsverbands deutscher derzeitiger und ehemaliger Berufssoldaten (R.d.B.), dessen Vorstand Otto Mosbach angehört, richtet „Militäranwärterkurse“ ein, um Unteroffiziere nach der zwölfjährigen Dienstzeit für eine Beamtenlaufbahn zu qualifizieren. Um eigene Wissenslücken zu schließen, bereitet sich Mosbach im Abendgymnasium auf das Abitur vor.
Im R.d.B., den man als Vorläufer des DBwV ansehen kann, sind 1920 bereits nahezu 100.000 Mitglieder organisiert – aktive und ausgeschiedene Soldaten und auch deren Angehörige. Um die sich daraus ergebenen heterogenen Bestrebungen zu bündeln, werden Fachgruppen gebildet. Mosbach wird 1. Vorsitzender der mit etwa 60.000 Mitgliedern stärksten Gliederung im R.d.B., der „Fachgruppe Reichswehr“.

Verteidigung der Demokratie
Innerhalb des Bendlerblocks trifft die Vertretung des R.d.B. zunehmend auf Vorbehalte. Als Unteroffizier im Stab des Ministers fühlt sich Otto Mosbach verschiedentlich von oben herab behandelt und nicht ernst genommen. Bei seiner Verehrung für Noske, die ihn zum Beitritt in die SPD motiviert haben dürfte, übersieht er, dass der Minister eher bereit ist, die Argumente der Offiziere zu übernehmen, während er den Unteroffizieren, die ihre Loyalität ihm gegenüber mehrfach unter Beweis gestellt haben, misstraut. Von der Besetzung des Reichswehrministerium am Morgen des 13. März 1920 durch Putschisten um den Generallandschaftsdirektor Kapp und die Generäle von Lüttwitz und Ludendorff wird Mosbach überrascht. Er wird zunächst im Bendlerblock festgehalten, kann aber ein Gespräch zwischen dem Vorsitzenden des R.d.B., Otto Franke, und dem Stabschef des Generals von Lüttwitz, Oberst Max Bauer, vermitteln. Dabei erfahren sie vom Plan, die nach Dresden ausgewichenen Regierungsmitglieder durch den dortigen Befehlshaber des Wehrkreiskommandos IV, General Maercker, festnehmen zu lassen. Während Franke nach Dresden eilt, um Noske vor der unzuverlässigen Haltung des Generals zu warnen, mobilisiert Mosbach in Berlin den Widerstand gegen die Putschisten, die nach wenigen Tagen zur Aufgabe gezwungen werden.

Im RIngen um das Koalitionsrecht der Soldaten
Als im Oktober 1920 deutlich wird, dass mit dem neuen Wehrgesetz den Soldaten das aktive Wahlrecht genommen und das Koalitionsrecht durch starke Einschränkungen faktisch aufgehoben werden soll, organisiert der R.d.B. den Widerstand. Mosbach setzt darauf, dass die SPD der vermeintlichen „Entpolitisierung“ der Reichswehr die erforderliche Zustimmung verweigern wird. Es ist eine herbe Enttäuschung, als die sozialdemokratische Fraktion das Wehrgesetz vom 23. März 1921 passieren lässt. Seinem Urteil zufolge hatte die junge Demokratie die Hilfe der Berufssoldaten in der Stunde der Gefahr begrüßt, diese jedoch beim Kampf um die Erhaltung der Staatsbürgerrechte im Stich gelassen, mit Misstrauen verfolgt und sich so von ihnen entfremdet.
In der Konsequenz untersagt der neue Reichswehrminister Otto Geßler im Juli 1921 den aktiven Soldaten die Mitgliedschaft im R.d.B., was das Ende der Fachgruppe Reichswehr besiegelt. Der unbequeme Mahner Mosbach soll mit Versetzung zum Reichswehr-Schützen-Regiment 14 nach Hameln aus dem Ministerium entfernt und mit einer in Aussicht gestellten Beförderung zum Offizier ruhiggestellt werden. Da er diese Absicht durchschaut, bittet er um Entlassung aus der Reichswehr, die wegen „Heeresverminderung“ gewährt wird.

Soldat im "Bürgerrock"
Seine Lebensaufgabe, Ansehen und rechtliche Stellung der Unteroffiziere zu verbessern, erfüllt Otto Mosbach von nun an als „Soldat im Bürgerrock“ – in leitenden Funktionen u.a. im „Reichsbund der Zivildienstberechtigten“, als Chefredakteur des Verbandsorgans. Als 1933 der Verband unter nationalsozialistischer Führung zum „Reichstreubund ehemaliger Berufssoldaten“ umgeformt wird, kann er zwar eine Stellung als Geschäftsführer behalten. Als ehemaliges SPD-Mitglied wird er jedoch mit einem Schreibverbot belegt. Dies verursacht eine besondere Tragik. Mit einer umfassenden Geschichte des deutschen Unteroffiziers will er dem in der Öffentlichkeit unterschätzten Berufsstand die notwendige Anerkennung verschaffen. Fünf Jahre arbeitet er an dem Projekt in Archiven und Bibliotheken. Das repräsentative, mehr als 1.200 Seiten umfassende Werk erscheint 1939 in zwei Auflagen – wegen des Schreibverbots jedoch nicht unter dem Namen Otto Mosbachs. Schweren Herzens übergab er im Interesse seines Anliegens das in mühsamer Arbeit zusammengetragene Material einem „soldatisch ausgerichteten ‚alten Pg.‘“, der ihn immerhin im Vorwort erwähnt.


Genugtuung erfüllt Otto Mosbach, als in den fünfziger Jahren in der Bundesrepublik Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaftsdienstgrade ihre Interessen gemeinsam wahrnehmen. Er warnt davor, die Fehler der Weimarer Republik zu wiederholen und „die nach einem festen demokratischen Standpunkt und Leitbild strebenden ehemaligen Berufssoldaten“ zurückzustoßen, „statt sie verstehend und helfend fest mit der Demokratie zu verbinden“. Der Verband deutscher Soldaten (VdS) ernennt ihn zum Ehrenvorsitzenden. Besonders erfüllt ihn aber die respektvolle Ernennung zum „Vater der Unteroffiziere“ mit Stolz. Mit dem DBwV einigt sich der VdS im August 1956 auf eine Kooperation und Arbeitsteilung. Aktive Soldaten der jungen Bundeswehr werden fortan durch den DBwV vertreten und nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst durch den VdS betreut. Otto Mosbach ist gern gesehener Ehrengast auf den Hauptversammlungen des DBwV, seine Erfahrungen werden geschätzt und gewürdigt. Am 24. Mai 1969 vollendet sich das Leben des „Vaters der Unteroffiziere“.

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