Das aktuelle Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt dürfte auf alle Statusgruppen übertragbar sein. Foto: BAG

22.12.2022
BK

Verjährung und Verfall nicht genommenen Urlaubs: Bundesarbeitsgericht ändert seine Rechtsprechung zugunsten der Arbeitnehmer

Das Urteil dürfte auf alle Statusgruppen übertragbar sein, denn nach dem europäischen Arbeitszeitrecht unterfallen neben Tarifbeschäftigten auch Beamte und Soldaten dem Arbeitnehmerbegriff.

Nach bisheriger Rechtslage verfiel der nicht genommene Jahresurlaub von arbeitsunfähigen Beschäftigten spätestens mit Ablauf von 15 Monaten nach Beginn des ersten Jahres der Arbeitsunfähigkeit. In allen Fällen nicht genommenen Urlaubs verjährte der Urlaubsanspruch drei Jahre nach dem Ende des Jahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist.   

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) änderte mit den Urteilen vom 20. Dezember 2022 – 9 AZR 266/20 – und – 9 AZR 245/19 – die bisherige Rechtsprechung und setzte die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs um. Damit werden die Rechte von Arbeitnehmern bei der Behandlung ausstehenden Urlaubs massiv gestärkt.

Keine Verjährung des Urlaubanspruchs bei fehlender Hinweispflicht des Arbeitgebers

Im ersten Fall verlangte eine Arbeitnehmerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung von Urlaub aus mehreren Jahren. Der Arbeitgeber berief sich auf die dreijährige Verjährungsfrist der Urlaubansprüche und verweigerte die Zahlung. Das BAG gab dem Anspruch der Arbeitnehmerin jedoch statt. Bei europarechtskonformer Auslegung beginne die Verjährung nicht mit dem Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat.

Kein Urlaubsverfall nach 15 Monaten bei fehlender Hinweispflicht des Arbeitgebers

Im zweiten Fall erkrankte ein Arbeitnehmer am 1. Dezember 2014 und blieb mehrere Jahre arbeitsunfähig krank.  Er verlangte den ihm noch zustehenden Resturlaub aus dem Jahr 2014. Das BAG entschied hier nach den gleichen Grundsätzen. Habe der Arbeitnehmer im entscheidenden Urlaubsjahr gearbeitet, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist, verfalle der Urlaubsanspruch dieses Jahres erst, wenn der Arbeitgeber ihn rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. Da der Arbeitgeber seiner Pflicht nicht nachgekommen sei, den Arbeitnehmer auf seinen Urlaubsanspruch hinzuweisen und ihm die Urlaubsinanspruchnahme zu ermöglichen, sei der Urlaubsanspruch für das Jahr 2014 nicht verfallen. Für die weiteren Jahre, in denen der Arbeitnehmer durchgehend arbeitsunfähig war, bleibe es bei der europarechtskonformen Verfallsfrist von 15 Monaten. Hier müsse der Arbeitgeber nicht seiner insoweit zwecklosen Mitwirkungsobliegenheit nachkommen, denn der Arbeitnehmer konnte seinen Urlaub wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen.

Handlungsempfehlung

Vor dem Hintergrund der geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es empfehlenswert mögliche bereits als verfallen oder verjährt bedachte Urlaubsansprüche zu überprüfen und gegebenenfalls gegenüber der Dienststelle deren Gewährung schriftlich und gegen Zustellungsnachweis zu beantragen.
 
Ein Verfall und die Verjährung von Urlaubsansprüchen kann nur eintreten, wenn gegenüber dem Arbeitnehmer zuvor und rechtzeitig ein individualisierter Hinweis auf den Urlaubsverfall erfolgt ist.

Für künftige Urlaubsansprüche ist davon auszugehen, dass ein individualisierter Hinweis seitens der Dienststelle gegenüber den Arbeitnehmern ergehen wird. Dieser sollte dann von Arbeitnehmern gleichfalls geprüft und beachtet werden.

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