Der Bundesvorsitzende, Oberst André Wüstner (l.), bei der Anhörung zum Wehrdienstmodernisierungsgesetz im Bundestag. Begleitet wurde er von DBwV-Justitiar Christian Sieh. Foto: DBwV/Yann Bombeke

Der Bundesvorsitzende, Oberst André Wüstner (l.), bei der Anhörung zum Wehrdienst-Modernisierungsgesetz im Bundestag. Begleitet wurde er von DBwV-Justitiar Christian Sieh. Foto: DBwV/Yann Bombeke

10.11.2025
Von Frank Jungbluth

DBwV für neuen Wehrdienst: Freiwilligkeit allein wird nicht reichen

Drei Wochen nach der Einbringung des Wehrdienst-Modernisierungsgesetzes (WDModG) in den Deutschen Bundestag hat der Verteidigungsausschuss heute, Montag, 10. November, in öffentlicher Anhörung den Bundesvorsitzenden Oberst André Wüstner als Experten zum Gesetzentwurf befragt. Mit dem Gesetz soll vom nächsten Jahr an die Zahl der Freiwilligen, die Wehrdienst leisten wollen, deutlich gesteigert werden. „Angesichts der Größenordnung des gebotenen personellen Aufwuchses fehlt dem DBwV die Zuversicht, dass die Personalgewinnung allein auf freiwilliger Basis erfolgen kann“, machte Wüstner während der Anhörung deutlich.

Der Verband spricht sich deshalb klar dafür aus, schon jetzt die Möglichkeit zu verankern, eine Auswahlwehrpflicht mit der Mehrheit des Bundestags beschließen zu können: „Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Bedrohungslage, dem enormen Personalbedarf und der volatilen politischen Lage in Deutschland, muss die Möglichkeit zur Aktivierung einer Bedarfswehrpflicht bereits im vorliegenden Gesetz enthalten sein. Die „Verpflichtungsoption“ würde der im Koalitionsvertrag beschriebenen Orientierung am schwedischen Wehrpflichtmodell Rechnung tragen“, so der Bundesvorsitzende in seiner Stellungnahme. Dringend notwendig, sei auch, dass im nächsten Jahr ein „Artikelgesetz Aufwuchs“ vorgelegt werde, das neue Laufbahn- und Dienstmodelle, Maßnahmen zur Strukturreform mit einem Begleitgesetz sowie eine eigene Besoldungsordnung für Soldatinnen und Soldaten enthält.

Artikelgesetz „Aufwuchs“ ist notwendig

Das WDModG sei dennoch, so Wüstner, für eine im Spannungs- oder Verteidigungsfall aufwuchs- und durchhaltefähige Bundeswehr von enormer Bedeutung. Der DBwV unterstützt den automatisierten Datenaustausch zwischen der Bundeswehr und den Meldebehörden zum Zweck der Wehrerfassung und -überwachung. Die vorgeschriebene Pflicht zur Musterung eines gesamten Geburtsjahrgangs spätestens ab dem 1. Juli 2027 sei überfällig und ohne plausible Alternative. „Positiv zu bewerten ist außerdem die Änderung des Wehrpflichtgesetzes (WPflG), sodass wehrpflichtige Männer ab dem Geburtsjahrgang 2008 eine Erklärung zur Bereitschaft und Fähigkeit zu einer Wehrdienstleistung (Online-Fragebogen) verpflichtend abzugeben haben“, sagt der Bundesvorsitzende.

Der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner, Professor Dr. Sönke Neitzel von der Uni Potsdam, Generalleutnant Robert Sieger, Präsident des BAPersBw und auch Quentin Gärtner, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, das sind die wichtigsten Sachverständigen in dieser Anhörung, die entscheidend ist für die Verteidigungsfähigkeit und Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr, des ganzen Landes.

„Auch wenn wir weiterhin an das Gute glauben, müssen wir uns auf das Böse vorbereiten“, betonte der Bundesvorsitzende zu Beginn der Anhörung. „Wer verteidigungsfähig ist, schreckt ab, wer dies nicht ist, lädt ein! Dieser Satz gilt heute mehr denn je. Unterwerfungspazifismus kann und darf keine Option sein.“

„Zuversicht nicht verlieren“

Bereits in der Vergangenheit, so Wüstner, habe Deutschland große Herausforderungen bewältigt und ist gestärkt aus Krisen hervorgegangen. Angst sei dabei stets ein schlechter Ratgeber gewesen. „Daher kommt es heute entscheidend darauf an, dass umstrittene Maßnahmen fundiert begründet sind, sodass wir als Gesellschaft die Zuversicht nicht verlieren.“

Grundsätzlich, sagte der Bundesvorsitzende, sehe die Truppe positiv, was in den vergangenen eineinhalb Jahren passiert sei: Bessere Ausrüstung, eine angepasste Basisausbildung. Aber: „Es wird natürlich gefragt, inwieweit der personelle Aufwuchs gelingen kann. Minister Pistorius will bis 2029, bis zum Ende der Dekade, die volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erreichen und die NATO-Planungsziele erfüllen. Das heißt:  260.000 Profis und 200.000 Reservisten. Dafür braucht es einen klaren Aufwuchsplan. Genauso muss jetzt schon ein Umschaltmechanismus, vergleichbar mit dem schwedischen Modell, ins Gesetz implementiert werden.“

Für den DBwV ist ein Zitat des Heeresreformers Gerhard Johann David von Scharnhorst beispielgebend: „Alle Bewohner des Staates sind geborene Verteidiger desselben.“ 

Der personelle Aufwuchs ist eine enorme Herausforderung

Das Gesetz muss immer vor dem Hintergrund der akuten Bedrohungslage selbst betrachtet werden. Der Bundeskanzler hat das immer wieder benannt und Minister Boris Pistorius hat bei der Bundeswehrtagung das Ziel definiert: „Wir müssen die Bundeswehr in dieser Dekade vollumfänglich ausstatten und damit die NATO-Planungsziele erreichen, die Streitkräfte für den OP-Plan Deutschland bereit machen und drittens an der NATO-Ostflanke starke Präsenz zeigen.“

Wüstner betont: „Das sind enorme Herausforderungen vor allem mit Blick auf den personellen Aufwuchs, deswegen unterstützen wir als Berufsverband, dass erstens zunächst auf Freiwilligkeit gesetzt wird, so, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht. Aber gleichermaßen, wie es auch im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, muss man sich am schwedischen Modell orientieren, um umschalten zu können, wenn die Zahlen Freiwilliger nicht ausreichen. Alles andere wäre eine fahrlässige Wette auf die Zukunft.“

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hofft unterdessen, dass sich die Koalitionäre in dieser Woche über wichtige Inhalte des Gesetzes einigen: Es geht um die verpflichtende Musterung für alle jungen Männer und das Losverfahren, sollten sich für den Wehrdienst nicht genug Freiwillige melden. Pistorius selbst erklärte schon nach einem Truppenbesuch in Schweden im Frühjahr 2024, dass er für eine flächendeckende Musterung sei, wie er dem SPD-Parteiblatt „Vorwärts“ sagte. 

Hier gelangen Sie zum vollständigen Statement des Bundesvorsitzenden bei der Anhörung zum Wehrdienst-Modernisierungsgesetz im Bundestag.

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