Der Kampfpanzer Leopard 2A7V im scharfen Schuss bei der NATO-Übung Grand Quadriga auf dem Truppenübungsplatz Pabrade/Litauen. Die Bundeswehr will mehr als 100 neue Leopard bestellen. Das Geld dafür gibt es im Haushalt allerdings nicht. Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

Der Kampfpanzer Leopard 2A7V im scharfen Schuss bei der NATO-Übung Grand Quadriga auf dem Truppenübungsplatz Pabrade/Litauen. Die Bundeswehr will mehr als 100 neue Leopard bestellen. Das Geld dafür gibt es im Haushalt allerdings nicht. Foto: Bundeswehr/Marco Dorow

07.07.2024
Von Jan Meyer und Frank Jungbluth

„Die Truppe ist verwundert, größtenteils schockiert"

Berlin. Nach der Einigung der Ampelregierung über den Haushalt 2025 hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprochen, der Verteidigungshaushalt werde ab dem Jahr 2028 auf 80 Milliarden Euro anwachsen – bekommen soll Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für den Haushalt 2025 allerdings nur 53,2 Milliarden Euro; 1,2 Milliarden mehr als 2024. Gefordert hatte der Minister 6,7 Milliarden Euro mehr. „Mit diesem Haushalt mag sich die Bundesregierung zwar durch diese Legislaturperiode hangeln wollen, aber die Bundeswehr als wesentlicher Teil unserer Sicherheitsarchitektur – und damit wir alle – zahlen den Preis dafür“, sagt dazu der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner. Der Haushalt wird nach der Kabinettsbefassung am 17. Juli dem Bundestag als Haushaltsgesetzgeber zur Befassung und Abstimmung vorgelegt.

„Das ist unverantwortlich in einer Zeit, in der wir auch in Europa mit politischen Instabilitäten zu tun haben und noch völlig unklar ist, wie stark wir uns künftig noch auf die USA als Sicherheitsgarant für Europa verlassen können. Unverantwortlich auch, weil wir mit der gefährlichsten Sicherheitslage seit dem Fall des Eisernen Vorhangs konfrontiert sind“, macht Wüstner deutlich.

Keine Erkenntniswende

Sollte der Verteidigungsetat im Jahr 2025 tatsächlich nur um rund 1,2 Milliarden Euro steigen und in den darauffolgenden Jahren nur minimal anwachsen, würde dies keinesfalls der aktuellen Bedrohungslage und erst recht nicht Deutschlands Verantwortung in der Welt gerecht. Wüstner: „Die Truppe ist verwundert, größtenteils schockiert. Gerade nach der Aussage des Bundeskanzlers während der Münchner Sicherheitskonferenz Ohne Sicherheit ist alles nichts hätte niemand mit einer derartigen Unterdeckung des Verteidigungsetats gerechnet. Trotz Ausrufung der Zeitenwende ist leider keine Erkenntniswende eingetreten.“

Sondervermögen ist verplant

Kanzler Scholz hatte in einer Pressekonferenz am Freitag erklärt, das mit dem Etat für 2025 und dem Bundeswehr-Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das der Bundestag nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 beschlossen hat, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erreicht werde. „Jeder weiß, das sogenannte Sondervermögen der Bundeswehr ist bereits in diesem Jahr vollständig in Verträgen gebunden. Jetzt muss Politik verstehen, dass es nicht nur darum geht, weitere dringend benötigte neue Waffensysteme zu beschaffen. Wir brauchen den Aufwuchs des Verteidigungshaushaltes auch, um die dramatisch steigenden Betriebsausgaben zu decken - vom Stromerzeugeraggregat über Betriebsstoff und Sonderwerkzeugsätze bis hin zum Personal“, kritisiert der Bundesvorsitzende André Wüstner die Rechnung des Kanzlers.

Oberst André Wüstner macht deutlich: „Ebenso wichtig und dringend notwendig ist es, wieder eine strategische Rüstungstiefe aufzubauen. Das kann allerdings nicht ohne Investitionen und Verträge für dringend benötigte Waffensysteme gelingen. Schlimmer noch: Ohne weitere Investitionen würgen wir den gerade langsam begonnenen Kapazitätsaufbau der Rüstungsindustrie ganz schnell wieder ab. Das können wir uns nicht leisten: Eine leistungsfähige Rüstungsindustrie ist ein wesentlicher Teil unserer Sicherheitsvorsorge.“

Einsatzbereitschaft bleibt gefährdet

Die Einsatzbereitschaft der Truppe bleibt bei diesen finanzpolitischen Vorgaben gefährdet. Oberst André Wüstner: „Vor allem im sogenannten Bericht zur Einsatzbereitschaft der Streitkräfte wurde dieser Tage im Verteidigungsausschuss einmal mehr aufgezeigt, wie schwierig die Lage innerhalb der Bundeswehr ist und wie weit entfernt wir von den NATO-Fähigkeitszielen sind, die über das Jahr 2025 hinausgehen. Das ist der Grund, weshalb Boris Pistorius erneut energisch und fundiert einen Aufwuchs von 6,7 Milliarden Euro eingefordert hat. Einmal mehr wurde er hängen gelassen, wie im vergangenen Jahr oder zuletzt im Zuge seiner Forderungen zur Wehrpflicht. Sollte das Parlament bis zum Haushaltsbeschluss nicht nachsteuern, dann heißt es ZeitenWende - ZeitenEnde! Denn die Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit ist weder in personeller noch in materieller Sicht eine „überschaubare Aufgabe“. Mit diesem schwachen Finanzplan für den Bereich Verteidigung kann und wird sie nicht wie erwünscht gelingen.“

Parlament muss nachsteuern

Der Bundesvorsitzende appelliert an den Bundestag, diesen Weg des weiteren Sparens bei der Bundeswehr nicht mitzugehen: „Nach der Ausweitung des russischen Angriffskrieges zur Vernichtung der Ukraine ab dem 24. Februar 2022 haben viele Regierungsmitglieder und Parlamentarier mir gegenüber ihre Bestürzung über den schlechten materiellen Zustand der Truppe zum Ausdruck gebracht. Sie hätten das alles nicht gewusst, hörte ich immer wieder. Wer das aber nach der Äußerung des Verteidigungsministers nach Amtsübernahme „nicht verteidigungsfähig“, der ursprünglich begründeten Haushaltsanmeldung und dem kürzlich dem Parlament zugegangenen „Bericht zur Einsatzbereitschaft der Streitkräfte“ noch immer behauptet, der will es nicht wissen und damit keinesfalls seiner Verantwortung nachkommen. Keine Frage, in den letzten anderthalb Jahren ist viel passiert, aber es reicht bei Weitem nicht aus. Kurzum: Das Parlament muss massiv nachsteuern!“

 

 

 

 

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