Dieses Bild zeigt nach ukrainischen Angaben die Schlangeninsel im Schwarzen Meer am frühen Morgen des 30. Juni, nachdem sie in der Nacht unter heftigen Beschuss genommen worden war. Foto: Ukrainisches Verteidigungsministerium

30.06.2022
Von Yann Bombeke

Russen ziehen sich überraschend von Schlangeninsel zurück

Es ist zumindest ein symbolischer Erfolg für die Ukraine: Russland hat nach eigenen Angaben seine Soldaten von der Schlangeninsel im Schwarzen Meer zurückgezogen – angeblich eine „Geste des guten Willens“. Doch es gibt Zweifel an der russischen Version der Ereignisse.

Gute Nachrichten gab es zuletzt nur wenige für die ukrainischen Streitkräfte. Erst fiel nach wochenlanger Belagerung das Asov-Stahlwerk, letzte Bastion der ukrainischen Verteidiger in der Hafenstadt Mariupol, dann musste vor wenigen Tagen auch die Großstadt Sjewjerodonezk in der Region Luhansk nach heftigen und verlustreichen Kämpfen aufgegeben werden. Die überraschende Meldung des heutigen Tages, dass sich Russland von der Schlangeninsel zurückgezogen hat, ist da ein Lichtblick, der die Moral der Ukrainer stärken könnte.

Der Abzug wurde von beiden Seiten bestätigt – allerdings mit unterschiedlichen Begründungen. Das russische Verteidigungsministerium gibt an, dass die „russischen Streitkräfte als Geste des guten Willens die ihnen zugewiesenen Aufgaben auf der Schlangeninsel abgeschlossen“ hätten. Man wolle damit zeigen, dass man die Bemühungen der Vereinten Nationen, einen humanitären Korridor für die Ausfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus der Ukraine zu organisieren, nicht behindere, sagte ein Sprecher.

Ganz anders die ukrainische Sichtweise: „Als Ergebnis des erfolgreich durchgeführten nächsten Schritts der Militäroperation mit Angriffen durch ukrainische Raketen- und Artillerieeinheiten auf die Schlangeninsel, haben die Reste der russischen Garnison die Insel mit zwei Schnellbooten evakuiert und vermutlich verlassen.“ Das gab „armyinform“, der offizielle Informationskanal des ukrainischen Verteidigungsministeriums, auf Twitter bekannt. Ein Bild zeigt große Rauchschwaden über der Insel. Die Ukraine hatte die Insel in den vergangenen Wochen immer wieder angegriffen und mit „Bayraktar“-Drohnen mehrere Einheiten der russischen Marine zerstört.

Die winzige Insel war gleich zu Beginn des Angriffs auf die Ukraine im Februar von russischen Truppen besetzt worden. Bekannt wurde sie durch den angeblichen Funkspruch eines ukrainischen Soldaten in Richtung eines russischen Kriegsschiffs, das die kleine ukrainische Garnison zur Kapitulation aufgefordert hatte: „Russian warship, go fuck yourself“ soll der Soldat auf Russisch gesagt haben. Der Funkspruch wurde zu einem ikonischen Slogan, zu einem Symbol des ukrainischen Widerstandsgeistes gegen die russische Aggression.

Die Geschichte hatte dann noch eine Fortsetzung: Die Ukraine verewigte die Szene auf einer Briefmarke. Doch damit nicht genug. Kurz darauf sank das russische Flaggschiff der Schwarzmeerflotte, die „Moskwa“, mutmaßlich versenkt durch ukrainische Neptun-Raketen. Russland machte einen Unfall und einen Sturm, den aber kein Meteorologe jemals registrierte, für den Untergang des Schiffs verantwortlich. Wie auch immer: Die „Moskwa“ war eben jenes Schiff, das am 24. Februar vor der Schlangeninsel aufgetaucht war. Und Wochen später den unflätigen Worten eines ukrainischen Soldaten Folge leistete.

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