Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Norbert Röttgen, bei der Aussprache zur 1. Lesung des Wehrdienst-Modernisierungsgesetzes am Donnerstag im Bundestag. Foto: picture alliance/dpa/Niklas Graeber

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Norbert Röttgen, bei der Aussprache zur 1. Lesung des Wehrdienst-Modernisierungsgesetzes am Donnerstag im Bundestag. Foto: picture alliance/dpa/Niklas Graeber

16.10.2025
Frank Jungbluth

„Wir brauchen die Möglichkeit, ganze Jahrgänge verpflichtend zu mustern"

Der Bundestag berät seit Donnerstag das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der das Gesetz für die Bundesregierung ins Plenum eingebracht hat, betonte: „Gemeinsam haben wir in den vergangenen Jahren hier im Parlament reagiert auf die neue Bedrohungslage für unseren Kontinent. Heute gehen wir gemeinsam den nächsten konsequenten Schritt zum Aufwuchs unserer Streitkräfte. Dafür gehen wir zunächst den Weg der Freiwilligkeit. Zwei Dinge sind zentral. Wir brauchen einen attraktiven und sinnstiftenden Wehrdienst. Wir führen moderne Ausbildungsmethoden und  zeitgemäße Inhalte ein.“ Das betreffe auch eine attraktive Besoldung. „Wir brauchen eine Revitalisierung und Modernisierung der Wehrerfassung und Wehrüberwachung. Wir brauchen auch Möglichkeiten, ganze Jahrgänge verpflichtend zu mustern.“

Alle Vorschläge aus dem Parlament sollten die Einsatzfähigkeit berücksichtigen, so Pistorius. Eines sei aber auch klar: „Reicht eine Freiwilligkeit nicht, wird es keinen Weg vorbei geben an einer verpflichtenden Heranziehung unter der Maßgabe eines Bundestagsbeschlusses. „Alles weniger als eine leidenschaftliche und hitzige Debatte wäre enttäuschend, weil es das Leben vieler Menschen in Deutschland betrifft. Wir brauchen dabei viel Ernsthaftigkeit. Dann wissen die Menschen in Deutschland, dass ihre Sicherheit bei uns in guten Händen ist, darauf kommt es“, sagte der Minister.

Verteidigungsfähigkeit nur mit Tempo zu erreichen

Dr. Norbert Röttgen (CDU), stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion: „Wir müssen dieses Gesetz machen, weil wir wissen, wofür und wogegen wir diesen Wehrdienst brauchen. Das Ziel der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands sei nur mit Tempo zu erreichen. Wir wissen, dass wir mit dem Gesetz, den Aufwuchspfad der Bundeswehr für die nächsten Jahre verankern müssen. Was es zu verteidigen gilt, das ist unsere Freiheit in ganz Europa und unsere Art, zu leben.“ Man habe einen klar definierten militärischen Bedarf. „Das stellt uns vor schwierige Aufgaben, wie auch die Frage der Wehrgerechtigkeit eine ist.“

Röttgen verteidigte das Zufallsverfahren, weil es gerecht für alle betroffenen jungen Männer in Deutschland sei. „Wir leben in einer akuten sicherheitspolitischen Bedrohungslage, deshalb brauchen wir jetzt Antworten. Mit Polemik werden wir nicht verteidigungsfähig. Am Ende werden wir ein neues Wehrdienstgesetz beschließen, das eine neue Antwort auf eine neue Herausforderung sein wird“, appellierte Röttgen.

Die Bundeswehr braucht verlässliche Entscheidungen

Niklas Wagener, Bündnis90/Die Grünen, kritisierte die Arbeit der Koalition bei der Vorbereitung. „Das ist ein Improtheater der Bundesregierung. Reißen sie sich in der Koalition endlich zusammen, es geht um die Sicherheit Europas. Das Gesetz ist keine Fußnote, es geht um die Zukunft junger Menschen, die dazu selbst nicht gehört werden. Diese Generation verdient kein politisches Ratespiel, sondern Klarheit und ehrliche Antworten.“ Die Bundeswehr brauche verlässliche politische Entscheidungen und bekomme aber widersprüchliche Signale. Der Wehrdienst dürfe keine Niete aus der Lostrommel sein.

„Angeblich braucht die Bundeswehr 80.000 Soldaten mehr, um die NATO zu verteidigen“, stellte die Linken-Abgeordnete Desiree Becker die Aufwuchs-Planungen in Frage. Das Motto sei: „Folgt die Jugend nicht unseren Vorgaben, dann zwingen wir sie eben, sie bürden der Jugend eine weitere Last auf. Diese Generation soll per Los oder wie auch immer in den Kriegsdienst gezwungen werden. Man kann bei diesem Gesetz nicht über Freiwilligkeit reden.“

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Siemtje Möller, SPD, sagt: „Es geht um sehr viel. Wir müssen ausstrahlen, dieses Land ist es wert, es zu schützen und zu verteidigen. Wir reden aber über einen attraktiven, auf Freiwilligkeit beruhenden und sinnstiftenden Wehrdienst. Junge Menschen in Deutschland wissen, dass es viel zu verlieren und damit auch zu verteidigen gibt.“ Im offenen Gesetzgebungsverfahren wolle man alle Vorschläge diskutieren und dann gemeinsam zu einer guten Entscheidung kommen.

„Wir brauchen auch einen Plan B“

„Wir müssen eine der fundamentalsten Fragen für unser Land beantworten“, erklärte der CSU-Abgeordnete Thomas Erndl: Man müsse jetzt auch die personelle Frage klären, nachdem für die Beschaffung von Ausrüstung investiert werde. „Dafür brauchen wir viele junge Menschen, die das wollen und machen. Eine Zufallsauswahl ist ein gerechter Ansatz. Aber: Wir haben die verdammte Pflicht, auch über einen Plan B nachzudenken, wenn die Zahlen Freiwilliger nicht reichen“, so Erndl.

Rüdiger Lucassen sagte für die AfD zur Einbringung des Wehrdienst-Modernisierungsgesetzes:  „Die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht ist eine Gewissensentscheidung. Das ist nur zu vertreten, wenn es um die Verteidigung unseres Vaterlandes geht. Der Gesetzesentwurf der Koalition ist schlecht und wird die Zustimmung der AfD nicht bekommen.“

Gelöbnis am Tag der 1. Lesung in Franken

Während im Parlament über den Neuen Wehrdienst diskutiert wurde, haben bei einem feierlichen Gelöbnis der Bundeswehr 42 junge Rekrutinnen und Rekruten des Heimatschutzregiments 1 in der fränkischen Stadt Spalt ihren Willen bekundet, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. „Dieses Gelöbnis ist keine Kleinigkeit. Es ist der erste Höhepunkt in der militärischen Laufbahn unseres soldatischen Nachwuchses für den Heimatschutz. Es ist ein bewusstes Bekenntnis – zu unserem Staat, zu unserem Grundgesetz und zu den Menschen, die in diesem Land leben“, sagte Oberstleutnant Peter Greyer als stellvertretender Regimentskommandeur in seiner Begrüßungsrede.

Oberst André Wüstner Sachverständiger

Nach der ersten Lesung, im Anschluss an die halbstündige Aussprache, wurde der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Federführend ist der Verteidigungsausschuss. Bei der Öffentlichen Anhörung zum Gesetz am 10. November ist der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner als Sachverständiger benannt.

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