Drei Generationen Bundeswehr, eine Familie: Torsten, Jan und Wolfdietrich Fette (v.l.). Foto: Bundeswehr/Jonas Weber

Drei Generationen Bundeswehr, eine Familie: Torsten, Jan und Wolfdietrich Fette (v.l.). Foto: Bundeswehr/Jonas Weber

07.11.2020
Von Gunnar Kruse

Drei Generationen – eine Uniform

Wolfdietrich, Torsten und Jan Fette sind nicht nur Großvater, Vater und Sohn. Die drei Männer stehen für drei Generationen Bundeswehr – und ihre persönlichen Geschichten spiegeln auch die gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland.

Der eine hat als Kind noch den Zweiten Weltkrieg erlebt, der andere ist während des Kalten Krieges aufgewachsen. Der Dritte wiederum kennt selbst den Mauerfall und die deutsche Wiedervereinigung nur aus den Geschichtsbüchern. Die Geschichte unseres Landes spiegelt sich in vielen Familien wider, doch in diesem Fall kommt ein ganz besonderer Umstand hinzu. Denn Wolfdietrich, Torsten und Jan Fette stehen für drei Generationen Bundeswehr: Als Oberst a.D., Oberst und Feldwebel trugen und tragen sie mit Stolz die Uniform.  

Dabei waren ihre Beweggründe, in den Streitkräften zu dienen, ganz unterschiedlich – und sie bilden zugleich deutsche Geschichte ab. Für Wolfdietrich Fette war es der 17. Juni 1953. Als Student in Berlin musste er damals am Brandenburger Tor erleben, wie friedlich demonstrierende Arbeiter „von sowjetischen Panzern regelrecht auseinandergetrieben wurden. Und nicht nur das, sondern diese mutigen Menschen wurden auch beschossen“, wie er sich im Gespräch mit unserem Verbandsmagazin erinnert. Doch aus fassungsloser Wut wurde die Tat: Derartiges für den freien Teil Deutschlands zu verhindern, sei damals eine starke Motivation gewesen, als einer der ersten Soldaten zur Luftwaffe zu gehen, sagt der mittlerweile 86-Jährige.

Sein Sohn Torsten Fette, heute Oberst, wollte schon immer zwei Dinge: Soldat und Pilot werden. Und beides habe er bei der Bundeswehr realisieren können. „Einfach eine gute Wahl“, blickt der 56-Jährige auf seine Entscheidung im Jahr 1985 zurück.

Der Sohn und Enkel Jan Fette (26) ging wiederum einen anderen Weg, der schon ein wenig typisch für heutige Bundeswehrkarrieren ist. Nach der Schule absolvierte er eine Ausbildung zum Parkettleger. Das ist zwar ein schöner Beruf, wie er sagt, doch irgendwie hatte er das Gefühl, „auf der Stelle zu treten“. Und – aufgewachsen in einer Offiziersfamilie – wurde dann die Bundeswehr als attraktiver Arbeitgeber eine immer interessantere Option. Vor vier Jahren ging er als Feldwebelanwärter diesen Schritt: „Und ich habe es bis heute absolut nicht bereut und würde es jederzeit wieder genauso machen“, sagt Jan Fette und verweist auch auf die Kameraden, von denen viele zu echten Freunden geworden sind.

Fliegerei verbindet

Trotz unterschiedlicher Motivation gibt es aber auch ein klares und stark verbindendes Element der drei Soldaten: die Begeisterung für die Luftfahrt. Wolfdietrich Fette flog als Navigator zunächst auf der „Nord Noratlas“, später bei der Flugbereitschaft auf der DC-6B und Boeing 707. Zuletzt war er Kommandeur der MAD-Gruppe II. Torsten Fette wurde erst „Transall“-Pilot, später saß er im Cockpit eines Airbus A310 der Flugbereitschaft. Heute arbeitet er im Verteidigungsministerium und leitet dort die Arbeitsgruppe „Kleine Fläche“. Und Jan Fette wartet heute – als Feldwebelanwärter wurde er zivil zum Fluggerätemechaniker ausgebildet – Kampfhubschrauber des Typs „Tiger“ in Fritzlar. Oft ist die Fliegerei also ein Thema bei den Gesprächen der drei: „Wann immer ihr euch trefft, werden die Hallentore aufgeschoben“, zitiert Wolfdietrich Fette seine Schwiegertochter.  
 
Er selbst war seine ersten 14 Jahre ausschließlich in der fliegerischen Verwendung. Mit rund 7500 Flugstunden habe er gut zehneinhalb Monate seines Lebens in der Luft verbracht, rechnet er vor. „Und da mein Sohn in die gleiche Richtung ging, hatten wir immer ein gemeinsames Thema und das ist jetzt mit meinem Enkel nicht anders.“

Doch die sprichwörtliche Freiheit über den Wolken ist das eine. Die andere Seite ist, dass der Soldatenberuf ein Beruf mit vielen Vor- aber auch Nachteilen ist, wie Torsten Fette betont: „Ich habe weit über 300 Tage meines Lebens in Afghanistan verbracht. Als Transportpilot habe ich leider auch sehr, sehr oft beispielsweise aus dem Kosovo, aber auch aus anderen Gegenden, gefallene – oder mit dem MedEvac schwer verletzte – Kameraden nach Hause bringen müssen. Das allein zeigt, dass unser Beruf in der letzten Konsequenz von den Menschen sehr viel mehr fordert als andere.“

„In vielen Berufen schwören die Menschen, der Bundesrepublik treu zu dienen, das schwört auch der Soldat – aber mit dem Zusatz „und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Das heißt unter Umständen, sein eigenes Leben dafür einzusetzen“, weist Wolfdietrich Fette ebenfalls auf den wesentlichen Unterschied zu anderen Berufen hin.

Viel voneinander gelernt

In einer Familie, in der mehrere Generationen den gleichen Beruf ergriffen haben, wirkt sich das intern aus – gerade auch in einer Soldatenfamilie. „Vor allem von meinem Vater habe ich eine Sache gelernt: Man kann sich über vieles aufregen, doch man kommt weiter, indem man jeden Tag sein Bestmögliches gibt“, erzählt Jan Fette. Und generell seien ihm bereits als Kind von Vater und Großvater wichtige Grundwerte und Tugenden wie Disziplin und Pünktlichkeit vermittelt worden. „Eben alles Dinge, die einen im späteren Leben weiterbringen.“

Torsten Fette ergänzt pragmatisch: „Es ist doch ganz natürlich, dass man sich mit Menschen unterhält, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Da ist mir der Ratschlag meines Vaters zu den unterschiedlichsten Themen sehr wertvoll.“ Sein Sohn wiederum ist für ihn ein wichtiger Gesprächspartner, wenn es um aktuelle Themen innerhalb der Bundeswehr geht. „Es ist immer wichtig zu hören, wie eine andere Generation bestimmte Dinge gemacht hat oder heute macht“, sagt der „Mittlere“, wie er sich selbst augenzwinkernd nennt. Generell hätten alle drei in unzähligen Gesprächen viel voneinander lernen können.

„Ich wollte und will die beiden nie bevormunden oder ihnen etwas vorschreiben“, ist die Intention des Seniors im Trio. Aber er habe gern berichtet, was ihm in der Bundeswehr besonders gut getan und was zu seiner Berufszufriedenheit geführt habe, sagt Wolfdietrich Fette. Und im Umkehrschluss habe er durch Sohn und Enkel bis heute einen guten Einblick in das aktuelle Geschehen bei der Luftwaffe und in der Welt der Streitkräfte ganz allgemein. Und das bis hin zu ganz speziellen Unterschieden zwischen einst und jetzt. „Als ich Rekrut war, bekamen wir den ersten Ausgang nach sechs Wochen. Mein Enkel wurde am Dienstag eingezogen und am Freitag war er schon wieder zu Hause, nennt er ein konkretes Beispiel. 

Veränderungen als Chance

Mit der Sicht von drei Generationen haben die Fettes auch einen besonderen Blick auf die Bundeswehr, die sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder auf veränderte politische und gesellschaftliche Verhältnisse einstellen musste. Jan Fette fallen spontan vor allem aktuelle Entwicklungen wie das kostenfreie Bahnfahren in Uniform oder die steigende Präsenz auf Social-Media-Kanälen ein. Genau richtig findet er das. Die Streitkräfte könnten so wieder sichtbarer für die Öffentlichkeit werden, was wiederum auch zu steigender Akzeptanz in der Bevölkerung führen könne. „Wir sind ja ein Teil und ein Spiegel der Gesellschaft“, ergänzt sein Vater.

Dass sich die Bundeswehr immer wieder verändern musste, ist für Torsten Fette ebenso selbstverständlich wie für seinen Vater: „Das ist das Natürlichste von der Welt. Wohin das „Schiff Gesellschaft“ auch immer fährt, dahin fährt auch die Bundeswehr immer mit hin. Und das ist auch richtig so“, sagt der.  Neue politische Entwicklungen, neue technische Möglichkeiten – Wie hätte sie sich da auch sonst verhalten sollen? „Und ich bin der festen Überzeugung, dass wir als Bundeswehr da einen sehr guten Weg gegangen sind“, so Torsten Fette. Zwar sei sie eine „Firma mit einem gewissen Beharrungsvermögen“ bei manchen Fragen, einiges gehe vielleicht nicht ganz so schnell wie in anderen Bereichen. Doch generell seien alle Veränderungen innerhalb der Streitkräfte relativ zügig angenommen und umgesetzt worden – auch wenn manche Diskussionen für ihn anders gewichtet werden sollten. Statt über weibliche Dienstgrade sollte besser über veränderte Strukturen – und wie diese umgesetzt werden können – nachgedacht werden.

Und bei allem Veränderungswillen und -druck gibt es für Wolfdietrich Fette eine Grenze. „Die liegt da, wo es zulasten der Auftragsfähigkeit und der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr geht“, betont er. Mit Ratschlägen an die heutige Führung hält sich der Oberst a.D. bewusst zurück. Wie es mit den Streitkräften weitergehen soll, müssten diejenigen entscheiden, regeln und auch durchsetzen, die jetzt Verantwortung für die Bundeswehr tragen.

Stolz und bescheiden zugleich

Drei Generationen Bundeswehr – ist das nicht auch ein Grund, stolz auf die gemeinsame Familien- und Berufsgeschichte zu sein? „Absolut“, sagt Jan Fette, der weiß, dass das nichts Alltägliches in der Bundeswehr ist. Ihn mache es stolz, an die Arbeit seines Vaters und natürlich auch seines Großvaters anknüpfen zu können. Und er weiß, dass die beiden wiederum stolz auf seinen Weg sind.

Stolz auf seinen Beruf ist auch Torsten Fette, stolz trägt er genau wie sein Vater und sein Sohn die Uniform.  „Aber ich bin nicht stolz, weil ich mich als etwas Besonderes fühle, sondern weil ich den von mir bewusst gewählten Beruf gewissenhaft ausübe“, betont er sein Pflichtgefühl als Soldat. Würde er heute wählen können, würde er sich wieder für ein Leben in Uniform entscheiden. „Man darf ja auch nicht vergessen, welchen Anteil die Bundeswehr daran hat, dass wir so lange in Frieden leben konnten und können.“ Ein Punkt, den auch sein Vater, Jahrgang 1934, als wesentlich heraushebt. Mit dem Wort „Stolz“ geht Wolfdietrich Fette eher zurückhaltend um. „Aber ich freue mich, dass die beiden auch unter der Fahne dienen.“

„Wir von der Luftwaffe“

Gleichzeitig ist Torsten Fette persönlich wichtig, seit nunmehr 35 Jahren tagtäglich gern zum Dienst angetreten zu sein. Auch nach dem Urlaub freut er sich bis heute immer wieder auf die Arbeit mit den Kameraden: „Wer kann das so absolut aus seinem Berufsleben schon sonst sagen?“ Ähnlich sieht es sein Vater. „Ich bin schlicht und einfach jeden Tag gern zum Dienst gegangen. Es war eine Gemeinschaft, in der man sich rundum wohl fühlen konnte“, pflichtet Wolfdietrich Fette seinem Sohn bei. Und seine Frau habe mitunter sogar von „Wir von der Luftwaffe“ gesprochen, wenn sie eigentlich die Familie meinte, wie er erzählt.

Und eines ist ihm im Gespräch mit der DBwV-Redaktion noch wichtig zu erwähnen: „Ich habe in einer Bundeswehr gedient, die zu meinem Dienstantritt auf einen Fußballplatz gepasst hat. Im Laufe meiner Dienstzeit sind daraus fast 500 000 Soldaten geworden. Damals war die Bundeswehr geprägt vom Kalten Krieg und zum Ende meiner Dienstzeit zeichnete sich schließlich die Friedensdividende ab. Bei aller Veränderung: Der schönste Tag meiner militärischen Laufbahn war der Tag der deutschen Wiedervereinigung, zu dem auch die Männer ihren Teil beigetragen haben, die im Januar 1956 in Andernach, Nörvenich und Wilhelmshaven ihren Dienst angetreten haben.“

Gegenseitiger Rat bleibt weiter gefragt

Das Thema Bundeswehr war, ist und wird auch künftig regelmäßig Teil der Gespräche sein, vor allem bei den beiden noch aktiven Soldaten. So oft es geht, telefonieren Jan und Torsten Fette miteinander und tauschen sich über den Dienst und ihre persönlichen Ansichten beziehungsweise Erfahrungen aus. Und natürlich ist der Rat von Wolfdietrich Fette beiden immer wieder von Nutzen, wenn es um die eigene Arbeit geht. „Wir haben als Familie ein sehr enges Verhältnis. Und da liegt es auf der Hand, dass wir drei uns eben auch oft über unseren Beruf unterhalten – auch wenn es für uns nicht das bestimmende Thema ist“, so Torsten Fette.

Ob es in der Familie Fette einmal eine vierte Generation Bundeswehr geben wird, ist zwar ein bisschen wie in der Glaskugel zu lesen – doch zumindest nicht ausgeschlossen. Im Dezember wird Jan Fette zum ersten Mal Vater, eine Tochter ist unterwegs. Ob sie sich einmal für den Dienst in Uniform entscheiden wird, steht zwar noch in den Sternen: „Aber wenn ja, würde ich ihr durchaus dazu raten und sie voll unterstützen“, blickt der werdende Papa in die Zukunft.

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