In der Reserve bis ins hohe Alter? Die FDP fordert die Aufhebung der Alterhöchstgrenze für Reservistinnen und Reservisten, die bislang bei 65 Jahren liegt. Der Vorstoß der Liberalen ist umstritten. Foto: DBwV/Zacharie Scheurer

In der Reserve bis ins hohe Alter? Die FDP fordert die Aufhebung der Alterhöchstgrenze für Reservistinnen und Reservisten, die bislang bei 65 Jahren liegt. Der Vorstoß der Liberalen ist umstritten. Foto: DBwV/Zacharie Scheurer

23.06.2021
Yann Bombeke

FDP fordert Abschaffung des Höchstalters für Reservedienstleistende – eine gute Idee?

Berlin. Es ist ein kontroverses Thema, mit dem die FDP kurz vor der parlamentarischen Sommerpause und dem Ende der Legislaturperiode vorgeprescht ist: In einem im Bundestag vorgebrachten Antrag fordern die Liberalen die Abschaffung der Altersgrenze von 65 Jahren für Reservedienstleistende. Der Antrag wird heute im Verteidigungsausschuss beraten.

Die aus Sicht der FDP notwendige Aufhebung der Altersgrenze machte der liberale Abgeordnete Alexander Müller in der ersten Befassung des Bundestags mit dem Thema am Beispiel eines Oberfeldarztes fest, der im Frühjahr 65 Jahre alt wurde und das Sanitätsregiment 5 in Rennerod verlassen musste. „Ein eingespieltes Team wird ohne Not zerrupft – wegen einer starren Altersgrenze im Gesetz“, sagte Müller. Der FDP-Politiker betonte, dass es bei dem Vorhaben der FDP ausschließlich um Freiwilligkeit ginge. Viele Menschen über 65 seien „noch topfit und empfinden den Rauswurf mit 65 Jahren als eine Art Altersdiskriminierung“. In Krisenlagen wie in der Corona-Pandemie sei die Unterstützung etwa durch erfahrene Lungenfachärzte wertvoll.

Müller sprach auch einen weiteren Aspekt an: Es sei respektlos, wie Reservisten „mit einem Einzeiler vom Karrierecenter der Bundeswehr“ aus dem Dienst entlassen werden. „Es ist nicht angemessen nach Jahrzehnten treuen Dienstes für die Sicherheit Deutschlands.“

Unterstützung signalisierte die AfD für den Vorstoß der FDP. Auch Patrick Sensburg, CDU-Abgeordneter und Präsident des Reservistenverbandes, begrüßte den Antrag der Liberalen. In Bezug auf das Dienstende von Reservisten verwies Sensburg auf eine Arbeitsgruppe im BMVg, die sich mit diesem Thema befasse. Sensburg gab sich zuversichtlich, dass man eine gute Regelung beim Thema „Behalt der Uniform“ finden werde. Getrennt davon sei das Thema der Altersgrenze zu betrachten. „Ich wünsche mir, dass wir das jetzt wirklich intensiv miteinander beraten“, so Sensburg.

Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete die Kritik der FPD am Umgang mit Reservisten am Ende ihrer Dienstzeit ebenfalls als berechtigt. „Ich finde, damit kann man anders umgehen“, sagte Lindner, „auch in der Bekleidungsfrage, gerade bei besonderen Anlässen wie Gelöbnissen, Kranzniederlegungen oder solchen Dingen, sollte man, ehrlich gesagt, pragmatischer denken“. Dafür sei aber allein die Abschaffung des Höchstalters der Reserve nicht notwendig. Über Grenzfälle – wie etwa der Lungenfacharzt in der Pandemie oder die Cyberspezialistin – müsse man aber nachdenken, so der Grünen-Verteidigungspolitiker.

Kritik gab es von beinahe allen Seiten vor allem am Zeitpunkt des Erscheinens des FDP-Antrags auf der Tagesordnung des Bundestages – kurz vor der Sommerpause und dem Ende der Legislaturperiode warfen zahlreiche Abgeordnete der FDP wahlkampftaktische Manöver vor.

In der Bundestagsdebatte wurde aber auch Kritik am Inhalt der FDP-Forderung laut. So warnte der der SPD-Verteidigungspolitiker Eberhard Brecht vor einem Öffnen der „Büchse der Pandora“. „Ein Entfall der Altersgrenze für Reservisten würde zu einer erneuten Diskussion über die allgemeine Altersgrenze in der Bundeswehr führen“, sagte Brecht. Grundsätzlich stehe die SPD einer erneuten Erörterung der Abschaffung der Altersgrenze für die Reserve offen gegenüber. Dafür müsse aber nachgewiesen werden, „ob es im Bereich der Flankierung der Landes- und Bündnisverteidigung oder für die zivil-militärische Zusammenarbeit wirklich einen zusätzlichen Personalbedarf von Älteren in der Reserve gibt“.

Auch der Unionsabgeordnete Jens Lehmann warnte vor den Folgen des Antrages der FDP. Es könne eine Zweiklassengesellschaft in der Bundeswehr entstehen, wenn Reservisten generell über das 65. Lebensjahr hinaus dienen können, Berufssoldaten aber je nach Dienstgradgruppe zwischen 55 und 65 Jahren in den Ruhestand versetzt werden. Dennoch sei der Gedanke der FDP, die Expertise älterer Menschen nutzen zu wollen, nicht verkehrt, sofern sich diese freiwillig melden. „Daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass ältere und erfahrene Reservisten eingesetzt werden, wenn der Stammtruppenteil den Bedarf anmeldet“, sagte Lehmann. Die Regeln sollten aber dahingehend geändert werden, dass im speziellen Einzelfall und nicht mit einer generellen Lösung entschieden wird, so der Unionspolitiker.

Dass sich etwas im Umgang des Dienstherrn mit den Reservistinnen und Reservisten ändern muss, ist auch eine Forderung des Deutschen BundeswehrVerbandes. „In der Pandemie hat sich deutlich gezeigt, wie sehr die Bundeswehr auf ihre motivierten und leistungsfähigen Reservisten angewiesen ist“, sagte Oberstabsfeldwebel a.D. Armin Komander, stellvertretender Vorsitzender Ehemalige, Reservisten und Hinterbliebene im Bundesvorstand, „dafür schulden wir alle den Reservistinnen und Reservisten unseren Dank und unsere Anerkennung. Gerade die Anerkennung muss sich auch im Umgang des Dienstherrn mit den Reservisten zeigen – hier gibt es noch einiges zu verbessern.“

Die politische Initiative zur Aufhebung der Altersgrenze für Reservisten unterstützt der Deutsche BundeswehrVerband dagegen ausdrücklich nicht. Oberstabsfeldwebel a.D. Komander: „Unsere Haltung in dieser Frage ist dem Blick auf das Ganze geschuldet. Die gültige Regelung im Soldatengesetz ist angemessen und stellt die freiwillig engagierten Reservisten gegenüber den am längeren Dienst interessierten Zeit- und Berufssoldaten schon jetzt erheblich besser – deren allgemeine Altersgrenze beträgt nämlich außerhalb von Spitzenverwendungen 62 Jahre. Wir setzen uns seit vielen Jahren für die Beibehaltung der bestehenden allgemeinen und besonderen Altersgrenzen ein.“

Komander warnt: „Bei Eingriffen in das Wehrrecht ist immer höchste Sorgfalt geboten, da man die Altersgrenzen von Reservisten und die der Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit immer gemeinsam betrachten muss. Diese Sorgfalt vermisse ich in der aktuellen politischen Debatte. Der Deutsche BundeswehrVerband hat die Interessen aller Menschen in der Bundeswehr im Blick – deshalb ist eine Debatte über Sonderregelungen für Reservisten fehl am Platze.“

Der FDP-Antrag wird am heutigen Mittwoch im federführenden Verteidigungsausschuss weiter beraten.

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