Erkrankt der Beschäftigte während des Freizeitausgleichs, so verliert er nach geltendem Recht  seinen Anspruch auf Wiedergutschrift der Stunden. Foto: picture alliance/Zoonar

Erkrankt der Beschäftigte während des Freizeitausgleichs, so verliert er nach geltendem Recht seinen Anspruch auf Wiedergutschrift der Stunden. Foto: picture alliance/Zoonar

15.05.2021
Elena Nothelle

Ministerium will Überstunden bei Krankheit nicht mehr gutschreiben

Auf der Grundlage einer Rechtsprechung aus dem Jahr 1991 sollen künftig Stunden eines Arbeitszeitausgleichs im Fall einer krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit in dieser freien Zeit nicht wieder gutgeschrieben werden. Der DBwV sagt, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn eine Gutschrift der Stunden im Fall einer Erkrankung gebiete.
 
Das Verteidigungsministerium hat klargestellt, dass gemäß Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) vom 23. Juli 2018 die bisherige Verwaltungspraxis, nach der die Stunden eines Arbeitszeitausgleichs bei krankheitsbedingter Dienst-/Arbeitsunfähigkeit wieder gutgeschrieben werden, rechtswidrig sei. Begründet wird dies damit, dass der Dienstherr nur die Verschaffung der Gelegenheit schulde, zu viel erbrachte Arbeitsstunden durch Freizeitausgleich abbauen zu können, nicht jedoch den Erfolg in Form tatsächlicher Erholung während des Zeitausgleichs. Eine Zeitgutschrift verstoße daher gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in § 7 Bundeshaushaltsordnung. Dies gelte unabhängig davon, ob die Mehrleistung im Rahmen von Gleitzeit oder als Mehrarbeit entstanden sei.

Die Argumentation beruht ausschließlich auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 23. Januar 1991 – 2 B 120/90) und nicht auf einer gesetzlichen Grundlage. Der diesbezügliche Beschluss stammt aus dem Jahr 1991 und ist damit weit vor Inkrafttreten der EU-Arbeitszeitrichtlinie ergangen. Schon deshalb sollten die dort gemachten Ausführungen äußerst kritisch hinterfragt werden.

Gleitzeit versus Mehrarbeit

Aus Sicht des DBwV muss zwischen Gleitzeit und angeordneter Mehrarbeit unterschieden werden. Gleitzeit dient in erster Linie der Flexibilität des Beschäftigten. Zweck der gleitenden Arbeitszeit ist, die zeitliche Lage der Arbeitsleistung in freier Selbstbestimmung nach eigenen Bedürfnissen und Wünschen festzulegen. Der Beschäftigte bewegt sich dabei in der Regel im Rahmen seiner festgelegten Arbeitszeit. Entscheidet sich ein Beschäftigter, mehr zu arbeiten, um an einem anderen Tag frei zu haben, so trägt er, ähnlich wie am Wochenende oder nach Feierabend, die Gefahr, zu dieser Zeit zu erkranken und seine freie Zeit nicht umfänglich nutzen zu können.

Im Gegensatz zur Gleitzeit ist Mehrarbeit die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus durch den Vorgesetzten angeordnete Arbeitszeit. Der Beschäftigte wird durch den Dienstherrn angewiesen, über die festgelegte Arbeitszeit hinaus (auch unfreiwillig) und gegebenenfalls unter besonders belastenden Umständen Dienst zu leisten. Hierdurch entsteht eine Mehrlast, die zu einem Freizeitausgleichsanspruch führt, welcher von Amts wegen und belastungsnah zu gewähren ist. Nur wenn einer Dienstbefreiung ausnahmsweise zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen und die Mehrarbeit in bestimmten Bereichen geleistet wurde, kann die Mehrarbeit vergütet werden. Der Zweck der Dienstbefreiung besteht also in erster Linie darin, die Mehrbelastung durch Freizeit auszugleichen.

Parallelen zum Urlaubsrecht

Diese Ansicht wird auch durch die EU-Arbeitszeitrichtlinie gestützt. Die Richtlinie beschreibt sich selbst wie folgt: „Die Arbeitszeitrichtlinie (…) zielt darauf ab, die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer durch die Festlegung von Mindestvorschriften für die Arbeitszeitgestaltung zu schützen und sollte rein wirtschaftlichen Erwägungen nicht untergeordnet werden.“ 

Sinn und Zweck der EU-Arbeitszeitrichtlinie und der daraus in Deutschland entstandenen Arbeitszeitverordnungen ist demnach in erster Linie, einen Standard in Bezug auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Leben und Gesundheit sind höchstes Gut der Beschäftigten. Wird nun ein Beschäftigter über das normale Maß hinaus belastet, bedarf es eines entsprechenden Ausgleichs zur Erholung von der Mehrbelastung. Erkrankt der Beschäftigte während dieses Ausgleichs, so kann der angestrebte Erholungszweck nicht erreicht werden.
 
Hier besteht eine Parallele zum Urlaubsrecht. Die Regelungen zum Urlaubsrecht dienen der notwendigen Erholung der Beschäftigten. Daraus ergibt sich auch, dass der Umfang des Urlaubs geeignet sein muss, diesen Zweck zu erfüllen. Erkrankt der Beschäftigte während seines Urlaubs, wird der Erholungszweck nicht erreicht und ihm daher die Tage seiner Erkrankung wieder gutgeschrieben. Nichts anderes kann beim Abbau von Mehrarbeit gelten.
 
Zeitabbau dient jedoch nicht nur Erholungszwecken. Insbesondere bei angeordneter Mehrarbeit dürfte ein Verfall der Arbeitsstunden treuwidrig sein, wenn der Dienstherr einerseits Mehrarbeit anordnet, sich aber andererseits eines entsprechenden Ausgleichs entziehen kann, sobald der Beschäftigte während des Zeitabbaus erkrankt.
 
Motivation und Gesundheit stärken

Der Hinweis der EU-Arbeitszeitverordnung, dass der Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht rein wirtschaftlichen Erwägungen untergeordnet werden darf, lässt schließlich den Verweis auf die Bundeshaushaltsordnung leerlaufen. Überhaupt ist der Verweis auf § 7 BHO verfehlt. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit hat die bestmögliche Nutzung von Ressourcen zum Ziel. Es verlangt, die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln (Ressourcen) anzustreben. Wirtschaftlichkeit heißt, sorgsam mit den Ressourcen umzugehen und den bestmöglichen Nutzen zu erzielen und nicht ausschließlich die Kosten im Blick zu haben. Motivation und Gesundheit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind dabei von größter Bedeutung. Alle Instrumente zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit schlagen fehl, wenn die Beschäftigten unmotiviert oder überlastet sind oder aufgrund von Krankheit fehlen.

Die Qualität des öffentlichen Dienstes hängt entscheidend von der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Beschäftigten ab. Wer diese beschädigt, handelt in hohem Maße unwirtschaftlich. Der Mensch ist für den Erfolg des „Unternehmens öffentlicher Dienst“ von entscheidender Bedeutung. Vollzieht er die „innere Kündigung“ oder fehlt gänzlich, entsteht großer finanzieller Schaden. Es kommt daher unabdingbar darauf an, alles zu tun, um Motivation und Gesundheit im öffentlichen Dienst zu stärken.
 
Letztlich gebieten das gegenseitige Dienst- und Treueverhältnis und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in der Abwägung aller oben benannten Aspekte eine Gutschrift der Stunden im Fall einer Erkrankung.

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