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Litauen-Brigade: Alfons Mais, Inspekteur des Heeres, übergibt im Mai 2025 die Truppenfahne an Christoph Huber, Kommandeur der Panzerbrigade 45, beim Aufstellungsappell der Panzerbrigade 45. Die Panzerbrigade 45 der Bundeswehr ist dauerhaft in Litauen stationiert und soll die Ostflanke der NATO unterstützen. Foto: picture alliance/Michael Kappler
In Polen rechnet man noch früher damit, dass Russland bereit ist, die NATO an der Ostflanke ernsthaft herauszufordern. Hierzulande geht man vom Jahr 2029 aus. Hans-Peter Bartels, Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) beschreibt die Lage.
„Meinen Freunden in Lettland, Estland und Litauen. Männern und Frauen, die den Preis der Freiheit kennen.“ So lautet die Widmung, die Sir Richard Shirreff seinem dystopischen Roman „War with Russia“ voranstellt. Der britische General war bis 2014 stellvertretender NATO-Oberbefehlshaber. Sein Buch spielt im Sommer 2017.
Heute führt Russland tatsächlich Krieg, einen klassischen brutalen Eroberungskrieg, nicht in den baltischen Staaten, sondern seit jetzt 1300 Tagen in der Ukraine. Das Land ist kein NATO-Mitglied und scheinbar weit weg von Deutschland. Doch der Potsdamer Historiker Sönke Neitzel warnt die Deutschen, sich zu sehr in Sicherheit zu wiegen: Es sei durchaus möglich, sagt Neitzel, dass der gerade vergangene Sommer auch für uns der letzte Sommer im Frieden gewesen sei.
Die Bundesregierung kalkuliert mit dem Jahr 2029: Dann könne Russland seine Streitkräfte trotz der Abnutzung durch den Ukrainefeldzug so weit aufgerüstet haben, dass ein Angriff auf das Bündnisgebiet möglich sei – vielleicht aber auch schon früher. Das heißt, „Zeit“ ist für die Wiederherstellung unserer Verteidigungsfähigkeit der entscheidende Faktor geworden.
„Whatever it takes!“
Am Geld, bisher immer knapp, wird der Aufwuchs der Bundeswehr zur stärksten konventionellen Armee Europas jetzt jedenfalls nicht mehr scheitern. Denn Deutschlands Verteidigungsetat ist nach einer Grundgesetzänderung im Prinzip nach oben offen. Im Prinzip heißt es, wie in der erfolgreich bewältigten Weltfinanzkrise, auch diesmal: „Whatever it takes!“
Was gestern noch utopisch erschien, ist heute die Realität des offiziellen Finanzplans des Bundes. Die schwarz-rote Regierung sieht in ihrer mittelfristigen Finanzplanung eine schnelle Verdreifachung des regulären Verteidigungshaushalts bis 2029 vor: von 52 Milliarden Euro 2024 auf dann 153 Milliarden Euro (und damit 3,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts). Das 100-Milliarden-Sondervermögen war tatsächlich nur eine Anschubfinanzierung. „Vollausstattung“ bedeutet jetzt schon oft „140 Prozent“. Ohne Umlaufreserve soll nicht mehr geplant werden. Allein die bloßen Bestell-Ankündigungen senden bereits ein Signal nach Moskau: 1000 Leopard-Kampfpanzer, 5000 Boxer, 600 Skyranger, weitere Pumas, Radhaubitzen, Loitering-Munition, Drohnen, Satelliten, Digitalfunk und Combat Cloud, Tarnkappenbomber und Eurofighter, 14 neue Fregatten, Verdoppelung der U-Boot-Flotte, Verdreifachung der bodengebundenen Luftverteidigung, Raketenabwehr zu Land und zur See, Deep-Precision-Strike-Waffen. Es sieht fast so aus, als würde die Bundeswehr in diesen Monaten neu gegründet. Stärker, moderner – aber zügig muss es gehen!
Besser früher als später soll es Material in die Truppe regnen. Dafür bekommt die Industrie zum Teil schon stattliche Anzahlungen, um ihre Kapazitäten hochzufahren. Was auch geschieht. High-Tech-Start-ups schießen wie Pilze aus dem Boden. Und zivile Unternehmen, etwa aus der riesigen deutschen Autobranche, steigen gerade ein. Rüstung boomt. Auch das dürfte einen Abschreckungseffekt auf den Kreml haben.Aber im Kern sind es natürlich nicht auf Hochglanz polierte Zukunftsbilder, die abschrecken, sondern präsente, starke, voll ausgestattete und ausgebildete Kräfte, getreu dem alten Motto: „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen.“ Nach den neuen NATO-Verteidigungsplänen sollen deutsche Streitkräfte in der kollektiven Verteidigung vor allem zur Sicherung des baltischen Raums und des polnischen Nordens beitragen.
Litauen-Brigade ist 2027 einsatzbereit
Vorausstationiert wird dafür die gerade in Aufstellung befindliche Panzerbrigade 45 „Litauen“. 2027 soll sie volle Einsatzbereitschaft melden. Im Spannungsfall stößt die 10. Panzerdivision mit ihren Kampfverbänden hinzu. Sie ist der NATO für diese Aufgabe fest zugesagt. Wäre kurzfristig schon substanzielle deutsche Präsenz erforderlich, ginge unverzüglich die Panzergrenadierbrigade 37 „Sachsen“ in Litauen in Stellung.
Inzwischen kennt man seine Gefechtsstreifen. Denn im neuen Kalten Krieg mit Russland sind es nicht mehr „Missionen“ wie in der Ära der multinationalen „Out of area“-Auslandseinsätze, sondern vom Bündnis fest zugewiesene Operationsaufgaben in bekanntem Gelände, für die Truppe zu stellen ist, nicht rotierend, sondern dauerhaft. So beginnen denn Vorträge zu den Aufgaben des Heeres heute gelegentlich mit den Worten: „Erstens, Feindlage …“
Als sei er der Herrscher der Welt, verkündete Putin dieses Jahr beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg: „Wohin ein russischer Soldat seinen Fuß setzt, das gehört uns.“ Was Putin darüber hinaus als „immer schon russisch“ beansprucht, war übrigens früher auch schon mal preußisch oder habsburgisch, deutsch oder polnisch. Seit mehr als drei Jahrzehnten aber sind Litauen, Lettland und Estland wie auch Weißrussland und die Ukraine nun unabhängige souveräne Staaten, deren Einwohner vom Selbstbestimmungsrecht der Völker Gebrauch gemacht haben. Niemand in Deutschland käme auf die Idee, deutsche Gebietsansprüche auf das heute russische Königsberg oder auf die Kurische Nehrung (halb Litauen, halb Russland) zu erheben.
Doch dies wäre, käme es zu einer Abschnürung des Baltikums auf Höhe des „Suwalki-Gaps“ – der schmalen polnischen Landbrücke zwischen Russland (Enklave Kaliningrad) und Weißrussland nach Litauen –, genau der Operationsraum des deutschen Heeres gemeinsam mit den Kräften der betroffenen Staaten und den NATO-Alliierten, einschließlich der USA. Ohne die amerikanischen Luftstreitkräfte wären Halten oder Zurückerobern der bedrohten Länder deutlich schwieriger, jedenfalls solange die europäischen Fähigkeiten noch nicht entsprechend aufgewachsen sind.Zeit ist, wie gesagt, der kritische Faktor. Noch ist die bestellte und geplante Materialverstärkung für die Bundeswehr nicht da, während Russland längst auf Kriegswirtschaft umgestellt hat und seine Depots füllt. Noch gibt es für all das zusätzliche Großgerät das Personal nicht, das es besetzen und bedienen könnte. Und für vorgeschaltete Experimente mit dem neuen Freiwilligen Wehrdienst fehlt eigentlich die Zeit; ohne echte Wehrpflicht bliebe vieles viel zu lange hohl.
Bundeswehr wartet auf den Erlass zur Zielstruktur
Schließlich wartet die ganze Bundeswehr auf den Erlass einer neuen Zielstruktur. Der NATO sind mehr aktive Soldaten (260.000 statt 180.000) und Reservisten (200.000) versprochen, mehr Kampfbrigaden, mehr Enabler, eine Verdoppelung des Heeres, das bedeutet fast 60 neue Bataillone. Aber wie gliedert sich das? Wann geht es los? Wie entstehen durch Zellteilung die zusätzlichen Verbände? Und wo? Die Teilstreitkräfte mögen an Konzepten arbeiten, doch der zentrale Plan für die neue Stärke fehlt noch.
Was nicht fehlt, sind Warnschüsse der Gegenseite. Die Einschläge kommen näher. Russland lässt Drohnen auf Polen fallen, führt seine Nuklearwaffen vor, greift kritische Infrastruktur in der Ostsee, im Cyberraum und durch klassische Sabotage auch direkt in Deutschland an, spioniert und mordet wie zu Zeiten der alten Blockkonfrontation. Dazu ist gerade ein neues Buch der kundigen FAZ-Journalisten Markus Wehner und Reinhard Bingener („Die Moskau-Connection“) erschienen, Titel: „Der stille Krieg“.
Wie ein heißer Krieg Putins mit der NATO beginnen könnte, beschreiben in unterschiedlichen Szenarien der Politologe Carlo Masala in seinem Sachbuch „Wenn Russland gewinnt“ (begrenzte Aktion gegen Narwa/Estland) und der österreichische Militäranalyst Franz-Stefan Gady in „Die Rückkehr des Krieges“ (begrenzte Aktion gegen Vilnius/Litauen).
Ein Roman-Szenario zu einem anderen möglichen Kriegsschauplatz des 21. Jahrhunderts hat der frühere SACEUR, US-Admiral James Stavridis, vor einigen Jahren geschrieben, Krieg mit China. Es heißt „2034“. In einem Interview sagte Stavridis 2021, eine der häufigsten Reaktionen, die er bekomme, laute: „Sehr gutes Buch, aber falsches Datum.“ Seine aktiven Navy-Kameraden rechnen mit einem früheren Eintritt des Ernstfalls.
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