Ein litauischer Infanterist mit einem deutschen Sturmgewehr G36. Foto: Vaidotas Mechanisiertes Infanteriebataillon/Litauische Streitkräfte

Ein litauischer Infanterist mit einem deutschen Sturmgewehr G36. Foto: Vaidotas Mechanisiertes Infanteriebataillon/Litauische Streitkräfte

05.10.2025
Frank Jungbluth

Der Krieg ist Alltag: Putins Angriffe an der Flanke

Putins Militärmaschine walzt weiter, die Angriffe an der NATO-Ostflanke werden heftiger. Sie sind mehr als Testballons oder Einschüchterungsversuche – sie sind unverhohlen und sichtbar. Eine vertiefte Sicht auf die Lage an den NATO-Außengrenzen wollen wir in dieser Ausgabe eröffnen.

Seit der Großinvasion russischer Truppen in derUkraine, die am 24. Oktober 2022 begonnen hat, sind die Augen rechts im Osten Europas: Die Verluste – vor allem bei den russischen Streitkräften – sind enorm, fast 250 000 Soldaten sind gefallen, 700 000 verwundet, so rechnet die NATO die Zahlen hoch. Auch die ukrainische Armee beklagt 50 000 Gefallene und 350 000 Verwundete, meldet die Regierung in Kiew.

Putins Militärmaschine walzt unverdrossen weiter, Drohnenschwärme suchen die Ukraine heim und die Angriffe terrorisieren die Zivilbevölkerung und inzwischen auch die NATO-Partner an der Ostflanke, wie kürzlich in Polen. Die Luftwaffe hat infolgedessen eine zweite Alarmrotte zur Sicherung des polnischen Luftraums im Einsatz. Weitere Luftraum-Verletzungen – wie vor Kurzem in Estland – sind beinahe schon Routine, die unbemannten Flugkörper spähen die Streitkräfte an der Ostflanke aus, seit September werden sie auch systematisch angegriffen. „Wir müssen vergegenwärtigen, dass dieser Drohnenangriff eine ganz neue Eskalationsstufe darstellt“, sagt dazu der Militärsoziologe Dr. Timo Graf vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam.

Der Wissenschaftler ist sicher: „Wir sind aber in Europa und insbesondere in Deutschland bereits seit vielen Jahren und mit steigender Tendenz und zunehmender Aggressivität einer Vielzahl von Angriffen ausgesetzt.“ Sabotageakte, dazu gehören auch gestörte GPS-Signale, die die Sicherheit im zivilen Luftraum gefährden. Angriffe auf kritische Infrastruktur, Spionageaktionen, Cyber-Attacken, Tausende jeden Tag, Desinformationen in sozialen Medien, Auftragsmorde in Berlin und anderswo in Europa, Drohungen aus Moskau, auch mit dem Einsatz nuklearer Waffen – das ist der alltägliche Terror, mit dem Wladimir Putins Militär, vom Diktator in Personalunion als Oberbefehlshaber geführt, die Staaten an der NATO-Ostflanke direkt und damit auch Deutschland bedroht.

Die zunehmende Aggression hat in den vergangenen Wochen gleich zweimal zu NATO-Konsultationen nach Artikel 4 des NATO-Vertrages geführt. Das wird erforderlich, wenn die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit eines der Staaten bedroht ist. Erst hat Polen nach dem Angriff russischer Drohnen die Verbündeten zur Konsultation gebeten, kurz darauf Estland. Des Nachts, wenige Stunden vor der Konsultation, hat Dänemark Drohnenangriffe in seinem Luftraum gemeldet und den Flugverkehr gesperrt. Am Wochenende davor war nach einem Hackerangriff auf die IT eines Abfertigungsdienstleisters die kritische Infrastruktur an einigen Flughäfen in Europa, auch am BER, empfindlich gestört. Das alles zeigt: Der Kriegszustand mit der NATO ist keine Prognose, sie ist Tatsache.

Wie reagiert das Bündnis auf die immer offensichtlichere Aggression über den inzwischen seit mehr als 1300 Tagen andauernden Krieg in der Ukraine hinaus? Die neue deutsche Panzerbrigade 45 „Litauen“, im Mai feierlich in Vilnius in Dienst gestellt, wächst zügig auf. Für den kleinen NATO-Partner, militärisch schwach, ist die Verstärkung aus Deutschland viel mehr als ein Symbol – sie ist Teil einer Lebensversicherung.

Nicht zuletzt hat der Krieg, mit dem Russland die Ukraine und inzwischen auch die NATO-Ostflanke überzieht, auch zum neuen Wehrdienst in Deutschland geführt, den der Bundestag nach der Zustimmung des Kabinetts zwar noch beschließen muss, aber alle politisch verantwortlich Handelnden wissen: Das ist das Mindeste, will man den dringend erforderlichen personellen Aufwuchs ernsthaft angehen.

Alles das bedeutet zusammengefasst, die Lage an der Ostflanke der NATO ist brandgefährlich. Die Bundesregierung und der Verteidigungsminister reagieren: „Wir stellen entscheidende politische Weichen.“ Dazu gehört der personelle Aufwuchs, auch mit dem „neuen Wehrdienst“. Allein im Haushalt für das Jahr 2025 sind laut Pistorius 86,5 Milliarden Euro für die Bundeswehr veranschlagt, davon allein 24,1 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen des Bundes. Bis Ende kommenden Jahres sollen rund 80 Milliarden Euro in neue Rüstungsprojekte fließen.

Pistorius will nicht nur Kasernen modernisieren. Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Zwischenfälle im Luftraum über Estland und Dänemark rückt auch die Ostsee in den Blick. „Wir müssen wachsam sein und wir müssen bereit sein. Nicht nur an der Ostflanke der NATO, sondern auch an ihrer wichtigen Nordflanke“, sagte Pistorius zuletzt bei einem Besuch in Dänemark und kündigte weitere Investitionen in die Marine an.

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