Hans-Peter Bartels (SPD), hier beim Tag der Bundeswehr, war von 2015 bis 2020 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages und von 2014 bis 2015 Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Foto: Bundeswehr / Jonas Weber

17.11.2021
Hans-Peter Bartels

Verteidigungspolitische Anforderungen an eine neue Regierung: Reform, Personal, Rüstung, Geld

Der ehemalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, skizziert, welche verteidigungspolitischen Baustellen die neue Regierung anzupacken haben wird.

Speziell zur Bundeswehr enthält das Sondierungs-Papier der künftigen Koalitionspartner nur wenige Sätze: „Wir treten für eine verstärkte Zusammenarbeit der nationalen europäischen Armeen ein.“ Es gibt Anerkennung für „unsere Soldatinnen und Soldaten“ und ihren „unverzichtbaren Beitrag zur internationalen Sicherheit“. Und die persönliche Ausstattung wie auch die Bundeswehr-Rüstung insgesamt zu „verbessern“, soll ein Anliegen der Ampel-Regierung sein. Der umfassendere Koalitionsvertrag, dessen Details gerade 22 Arbeitsgruppen verhandeln, dürfte da präziser werden.

Klar ist, dass die angestoßenen Veränderungsprozesse weitergeführt werden müssen – mit ihrer Ausrichtung auf organische Verbände, mehr Verantwortung für Inspekteure und Kommandeure und Reduzierung von Doppel- und Anti-Arbeit in zunehmend selbstreferenziellen Stabsstrukturen. Ziel sind einsatzbereite Truppenteile, optimiert auf die grundlegende Aufgabe der Bündnisverteidigung in Europa, möglichst rasch.

Ob alle der Nato gemeldeten deutschen Beiträge zum vorgesehenen Zeitpunkt realisiert werden können, dürfte noch einmal zu überprüfen sein. Dass insbesondere die großen Ausrüstungsdefizite beim Heer unseren existenziellsten Nato-Verpflichtungen entgegenstehen, wird inzwischen schon öffentlich beklagt. Hier wäre ein Schwerpunkt zu setzen, gerade wenn es um die Priorisierung künftiger Rüstungsentscheidungen geht.

Am Geld hängt auch die weitere Verfolgung der Ziele „Vollausstattung“ und „Modernisierung“. Wenn nicht deutlich mehr Mittel aus dem Bundeshaushalt (der 2021 bei 500 Milliarden Euro liegt, inklusive Corona-Programme) für die Verteidigung mobilisiert werden können (für 2022 veranschlagt: 50 Milliarden), wird das geltende „Fähigkeitsprofil“ zusehends zur Makulatur und müsste gegebenenfalls neu geschrieben werden. Unabhängig vom aktuellen Budgetumfang muss aber das Beschaffungswesen endlich in die Lage versetzt werden, zu differenzieren nach „Neuentwicklung“ (langwierig, technisch risikobehaftet, teuer, gern europäisch) und „Kauf“ (schnell, marktverfügbar, preisgünstig). Der gegenwärtige Rüstungsprozess verbraucht viel zu viel Zeit und verbrennt viel zu viel Geld, allen bisherigen Reformbemühungen zum Trotz.

Konkret stehen etliche Milliarden-Vorhaben an, vom Schweren Transporthubschrauber über die Digitalisierung landbasierter Operationen, die Heeresflugabwehr und das zweite Los Schützenpanzer – oder ein schneller Waffenträger – bis hin zur Raketenabwehr und zur Tornado-Nachfolge (nukleare Teilhabe!). Bei den sechs deutsch-französischen Großprojekten – Tiger Mk. III, Seefernaufklärer, Artillerie, Eurodrohne, MGCS/Leopard 3 und FCAS – ist dringend zu klären, was davon wirklich ins große Geld gehen soll.

Von elementarer Bedeutung für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr bleibt gutes Personal. Unabhängig von einer regelmäßigen Anpassung der Personalstruktur, hier ist das Stichwort Überalterung zu nennen, gilt es weiterhin, durch gezielte Attraktivitätssteigerungen konkurrenzfähig auf dem Arbeitsmarkt zu bleiben. Denn wer gutes Personal für die Truppe und die die Wehrverwaltung will, muss auch entsprechend investieren.

Im ersten Quartal 2022 wird es unter französischer Ratspräsidentschaft einen EU-Verteidigungsgipfel geben. Hier sollte Deutschland eine aktive Rolle spielen, Stichworte: Europäisches Hauptquartier, gemeinsame verbindliche Exportregeln, Konsolidierung der wehrtechnischen Industriebasis in Europa.

Nach Afghanistan ist die Zahl der in mandatierten Auslandseinsätzen gebundenen deutschen Soldatinnen und Soldaten auf einen historischen Tiefstand gesunken. Wie geht es nun weiter mit dem deutschen Militär-Engagement außerhalb des Bündnisgebiets? Was nützen zum Beispiel Ausbildungs-Missionen? Eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages kann hier ganz sicher wertvolle Orientierung erarbeiten. Doch bereits vorher müsste das deutsche (und europäische) Engagement in Mali, Niger und der ganzen Sahel-Region neu konzipiert werden – wenn man denn bleiben und nicht die Verantwortung wegwerfen will.

Eine regelmäßige strategische Positionsbestimmung der Bundesregierung, ein aufgewerteter Bundessicherheitsrat, vielleicht ein Beauftragter für die europäische Verteidigungskooperation: Institutionell sind derzeit viele Verbesserungen in der Diskussion. Jede neue Regierung kann aus den Erfahrungen und Fehlern der alten lernen. Und sie hat am Anfang die Hände frei, es anders zu machen. Die Erwartungen sind hoch. Deshalb ist es wichtig, dass auch der Deutsche BundeswehrVerband mit den Verhandlungsteams der Ampelkoalitionäre in enger Verbindung steht und wie gewohnt professionell berät. Alles das im Sinne einer einsatzbereiten Bundeswehr.

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