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Extremismus von links: Ende November 1989 starb der Vorstandssprecher der Deutschen Bank Alfred Herrhausen bei einem Sprengstoffanschlag. Am Tatort wurde ein Bekennerschreiben der linksterroristischen Rote Armee Fraktion gefunden. Doch die Täter wurden nie ermittelt. Foto: picture alliance / Sven Simon
Eine Definition des Begriffes Extremisums ist schwierig – aber von großer Bedeutung für den Diskurs.
„Extremismus“ zählt – wie „Demokratie“ – zu den „essentially contested concepts“, bei denen ein wissenschaftlicher oder gesellschaftlicher Konsens über den Begriffsinhalt schon wegen der wertenden Wortinhalte schwer herzustellen ist. Seine Definition ist aus mehreren Gründen von großer Bedeutung: Diskussionen sind unfruchtbar, wenn die Diskutanten nicht wissen, was der andere meint, wenn er von Extremismus spricht. Seine Verwendung kann zudem exkludierende Wirkung entfalten, weil er oft mit der Markierung von Grenzen des politisch Legitimen verbunden ist. In diesem Sinne verwenden ihn nicht nur die deutschen Verfassungsschutzbehörden und der Militärische Abschirmdienst, sondern auch Politikwissenschaftler, wenn sie Extremismus als Sammelbezeichnung für politische Bestrebungen nutzen, die fundamentale Werte und Verfahrensregeln demokratischer Verfassungsstaaten untergraben.
Nicht immer ist Gewalt im Spiel
Wer Extremismus als Antithese des demokratischen Verfassungsstaates bestimmt, bindet den Terminus nicht notwendigerweise an die Ausübung politisch motivierter Gewalt. Ein solches Begriffsverständnis findet sich in vielen regierungsoffiziellen Dokumenten von Staaten (wie Großbritannien, Österreich, Schweiz, USA), bei denen repressiver Demokratieschutz beim Übertreten der Gewaltschwelle ansetzt. Politische Bestrebungen werden illegitim, sobald sie die Grenzen gewaltfreien Konfliktaustrags überschreiten. Strenggenommen gibt es nach dieser Lesart keinen legal operierenden Extremismus. Dies ist insofern problematisch, als extremistische Bewegungen sich mitunter aus strategischen Gründen in den Grenzen der Legalität bewegen (bekanntestes Beispiel: die „Legalitätstaktik“ der Nationalsozialisten zu Beginn der 1930er-Jahre), um die Macht mit den Mitteln des liberalen Systems zu erobern. Der Verzicht auf Gewalt bei der Verfolgung politischer Ziele lässt also nicht zwingend den Schluss zu, es handele sich um eine im freiheitlichen Rahmen systemloyale Vereinigung. Das in den Verfassungen der (west-)deutschen Länder und des Bundes nach 1945 verankerte Konzept der „streitbaren Demokratie“ wollte daher „verfassungsfeindliche“ Bestrebungen gegen die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ (so die vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im NPD-Urteil vom 17. Januar 2017 präzisierte Formel) nicht erst dann mit dosierten Eingriffen in die Freiheitsrechte von Extremisten begegnen, wenn diese gewaltsam auf den Sturz der politischen Ordnung hinarbeiteten.
Antipluralismus ist ein Kriterium
Eines der zentralen Kriterien für die Unterscheidung verfassungskonformer demokratischer von extremistischen Positionen sah der Soziologe Seymour M. Lipset in einer Untersuchung zum Rechtsextremismus in den USA (gemeinsam mit Earl Raab, 1970) im Antipluralismus. Während der demokratische Verfassungsstaat der Leitidee einer legitimen Vielfalt der politischen Ideen, Interessen und Anschauungen folge, seien extremistische Entwürfe durch „Monismus“ gekennzeichnet. Dieser komme etwa im Manichäismus (hermetisches Schwarz-Weiß- und Freund-Feind-Denken), im Hang zu verschwörungstheoretischen Spekulationen und in der Propagierung allzu einfacher Lösungen für komplexe Probleme zum Ausdruck. Der Pluralismustheoretiker Robert A. Dahl definierte den Verfassungsstaat als „Polyarchie“, als ein System, in dem der Wettbewerb um Einfluss, Macht und Ämter mit friedlichen Mitteln ausgetragen wird. Regelkonformität und Gewaltlosigkeit des Wettbewerbs erfordern die Anerkennung einer politischen Opposition, also mindestens einer regierungskritischen Partei, die sich chancengleich um die Bildung einer alternativen politischen Mehrheit bemüht.Das zweite Schüsselkriterium für die Unterscheidung demokratischer und extremistischer Positionen liefert das zentrale Organisationsprinzip freiheitlicher Ordnung. Denn politischer Pluralismus kann sich nur entfalten, wo Institutionen die Grundrechte der Bürger schützen. Dazu bedarf es der Macht zur Durchsetzung politischer Entscheidungen, aber diese muss so effektiv kontrolliert sein, dass ihr Missbrauch wirksam eingedämmt wird.
Zwei Seiten einer Medaille
Wenn Karl Loewenstein in seiner Verfassungslehre den gewaltenkontrollierenden Verfassungsstaat idealtypisch von der gewaltenkonzentrierenden Autokratie unterschied, lieferte er zugleich ein zentrales Kriterium, anhand dessen sich politische Kräfte im pluralistischen Wettbewerb unterscheiden lassen: Wer darauf ausgeht, grundlegende Kontrollmechanismen staatlicher Gewalt auszuhebeln, verfolgt einen – zumindest tendenziell – extremistischen, die Entstehung autokratischer Strukturen begünstigenden Politikansatz. Dazu zählen Versuche, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden, ebenso wie das Bestreben, unliebsame Medien zu schwächen. Gewaltenkontrolle und Pluralismus sind dabei zwei Seiten einer Medaille, denn freiheitliche Institutionen können nur funktionieren, wenn in ihnen plurale Kräfte wirken. Die Prüffragen zur Identifikation von Autokratieförderern, die Steven Levitsky und Daniel Ziblatt angesichts der Demokratieregression während der Amtszeit Donald Trumps formuliert haben, betreten folglich beide Ebenen: Werden demokratische Spielregeln beachtet? Oder erkennt eine Partei den Ausgang einer Wahl nicht an, obwohl sie im Wesentlichen regelkonform vonstattenging? Werden politische Gegner grundlos als Staatsfeinde oder ausländische Agenten diffamiert? Stachelt ein Politiker seine Anhänger zu gewaltsamem Vorgehen gegen seine Kontrahenten an?
Wie werden die Menschenrechte geachtet?
Ein drittes Definitionselement bildet die für den modernen Verfassungsstaat konstitutive Idee der Menschenrechte. Der moderne Verfassungsstaat ist das Ergebnis der „demokratischen Revolutionen“ des 18./19. Jahrhunderts, in deren Verlauf gewaltenkontrollierende Institutionen und pluralistisch organisierte Prozesse auf eine breite Bürgerbasis gestellt wurden – insbesondere durch die Erweiterung des aktiven und passiven Wahlrechts. Extremismus erscheint hier als Antidemokratismus: Wer das Ethos fundamentaler Menschengleichheit negiert, schafft die Grundlage für eine weitreichende Exklusion von Bevölkerungsteilen aus dem politischen Prozess.Tendenz zur Autokratie, Antipluralismus und Antidemokratismus sind meist miteinander verwoben. Aber die verschiedenen Extremismen, die sich so erkennen lassen, sind in ihren Politikentwürfen und Hauptangriffspunkten verschieden. Die Rechtsextremisten der Gegenwart wenden sich in erster Linie gegen die egalitären Grundwerte des Verfassungsstaates und den ihm eigenen Minderheitenschutz. Politisch-religiöse Fundamentalisten nehmen vor allem Anstoß an der Gewährleistung weltanschaulicher Pluralität und zielen auf die Einheit von Staat und Religion. Linksextremisten hingegen unterziehen den Status quo aus radikal-egalitärer Perspektive einer Totalkritik. Sie macht auch vor dem Regelwerk des Verfassungsstaates nicht halt, dessen Institutionengefüge als repressiv wahrgenommen und dessen freiheitssichernde Funktion verkannt wird.
Prof. Dr. Uwe Backes forscht am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden und lehrt am dortigen Institut für Politikwissenschaft.
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