17.06.2021
dpa

Bundestagswahl: Sicherheitsbehörden warnen Politiker und Wähler

«Vorsicht, ihr Passwort läuft bald ab» - Politiker, die solche E-Mails erhalten, sollten aufpassen. Denn dahinter könnte eine Hackergruppe stecken, die von einem ausländischen Nachrichtendienst gesteuert wird. Gerade in Wahlkampfzeiten ist Vorsicht geboten.

Berlin. Die Sicherheitsbehörden sind 100 Tage vor der Bundestagswahl in Hab-Acht-Stellung. Denn einige Staaten haben nach ihrer Einschätzung ein Interesse daran, den Ausgang dieser Wahl durch Desinformation und womöglich auch durch gezielte Hackerangriffe zu beeinflussen - allen voran Russland. Hellhörig gemacht hat die Behörden ein Phishing-Angriff auf private E-Mail-Konten etlicher Bundestags- und Landtagsabgeordneter. Auffällig ist auch, dass nach dem Höhenflug der Grünen in Wählerumfragen die Stimmungsmache gegen die Partei in Medien wie RT DE, dem deutschsprachigen Ableger des russischen Staatsmediums RT, deutlich zugenommen hat.

Dabei ging es weniger um von Grünen-Politikern aufgebrachte Aufregerthemen, die in deutschen Medien eine Rolle spielten, wie etwa den Benzinpreis oder die Frage, ob das Eigenheim als Wohnform noch zeitgemäß sei. Denn problematisch sind im Wahlprogramm der Grünen aus russischer Sicht wohl eher ihre Ablehnung der russisch-deutschen Gaspipeline Nord Stream 2, die klare Positionierung gegen die mit Russland verbündete syrische Regierung und ihre Haltung zum Konflikt in der Ost-Ukraine. Die Grünen seien in der Außenpolitik «aggressiv», heißt es in deutschsprachigen russischen Medien. Wer sein Kreuz bei den Grünen mache, der wähle «Krieg».

Die Nutzung von Fake-Accounts und Trollen, die in sozialen Medien gezielt falsche Nachrichten verbreiten, etwa über das Wahlprogramm einer Partei oder zu einzelnen Kandidaten, gibt es zwar immer noch. Sie sind heute jedoch, anders als noch vor einigen Jahren, nicht mehr das Mittel der Wahl. Denn erstens sind die Plattformbetreiber in der Zwischenzeit - auch als Folge von Gesetzesverschärfungen - etwas aufmerksamer geworden. Zentral gesteuerte Profile, die so tun, als stecke ein echter Mensch dahinter, schalten sie jetzt manchmal schneller ab als früher.

Außerdem hat zumindest ein Teil der Menschen, die sich via Facebook, Twitter oder anderen Kanälen informieren, dazugelernt. Das heißt, diese Nutzer merken selbst, wenn ihnen Falschinformationen von fragwürdigen Accounts untergejubelt werden.

Ob und wann die bei der Datenklau-Attacke auf die Abgeordneten Anfang des Jahres abgeflossenen Passwörter und privaten Informationen genutzt werden könnten, um womöglich Kandidaten unter Druck zu setzen, sie öffentlich bloßzustellen oder Fake News im Wahlkampf zu verbreiten, ist schwer vorherzusagen. Immerhin: Nicht alle der angeblich mehr als 300 Angriffe waren erfolgreich.

Gespeist werden die Befürchtungen der Sicherheitsbehörden auch aus Erfahrungen aus den baltischen Staaten, wo eine erfundene Nachricht über die angebliche Schändung eines jüdischen Friedhofs in Litauen durch deutsche Soldaten 2019 platziert wurde. Ziel war es dabei wohl, Stimmung zu machen gegen die Nato-Mission «Enhanced Forward Presence». Auch ein Vorfall in Polen, hinter dem ebenfalls die vom russischen Militärgeheimdienst beauftragte Hackergruppe Ghostwriter stecken soll, ließ die mit Spionageabwehr befassten Dienste hierzulande aufhorchen.

Vor einigen Monaten waren auf dem gehackten Twitter-Account eines Politikers der nationalkonservativen polnischen Regierungspartei PiS freizügige Fotos einer Parteifreundin aufgetaucht, verbunden mit der Behauptung, sie würde den Politiker sexuell belästigen.

In einem anderen Fall erschienen im Dezember 2020 - mitten in der aufgeheizten Debatte um die restriktive Abtreibungsregelung - auf dem Facebook-Account der polnischen Familienministerin Marlena Malag von Hackern platzierte extrem beleidigende Kommentare. Diese richteten sich gegen Frauen, die gegen die Regelung demonstrierten. Die Ministerin schrieb zwar hinterher, die Beleidigung stamme nicht von ihr, der Account sei gehackt worden. Doch wer Fake News in Umlauf bringt, handelt meist nach dem Prinzip «irgendwas wird schon hängen bleiben». Denn tatsächlich erreicht nicht jeden, der die Fehlinformationen über irgendeinen Kanal wahrgenommen hat, hinterher auch die korrigierende Nachricht, die den Vorfall aufklärt. Vor allem erfundene Nachrichten, die von einem - womöglich per Software bearbeiteten oder aus einem anderen Zusammenhang genommenen - Bild begleitet werden, setzen sich leicht im Kopf fest.

Wer heute Desinformation verbreiten will, um das politische System eines anderen Landes zu destabilisieren oder in der EU Zwietracht zu säen, betreibt teilweise viel Aufwand. Eine Strategie dabei: mehrere vermeintlich seriöse Quellen kreieren, die dann alle eine bestimmte falsche Nachricht verbreiten. Ein Beispiel aus der Praxis: Erst wird ein Blog aufgesetzt, dann ein kleines Nachrichtenportal gehackt, dann geht die angebliche Nachricht per E-Mail an Agenturen. Zum Schluss schreibt ein angeblich besorgter Bürger an eine Friedensinitiative im westlichen Ausland, die das Thema aufgreift.

Der Verfassungsschutz, das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) haben deutsche Politiker in diesem Frühjahr auf mögliche Risiken hingewiesen. Das BSI veröffentlichte diese Woche einen «IT-Sicherheitsleitfaden für Kandidierende bei Bundes- und Landeswahlen». Da geht es unter anderem um Zugriffsrechte, sichere Passwörter, das Versenden verschlüsselter E-Mails. Immerhin: Um es Spionen und Hackern nicht zu einfach zu machen, nutzen die Bundestagsfraktionen inzwischen für einen Großteil ihrer Kommunikation verschlüsselte Messenger wie Wire, Signal, Threema oder WhatsApp.

Die Grünen-Politikerin Franziska Brantner ist Obfrau ihrer Fraktion im Ausschuss für Europäische Angelegenheiten, für den sich das nach der Annexion der Krim 2014 mit EU-Sanktionen belegte Russland naturgemäß besonders interessiert. Sie sagt: «Die Zahl der Cyberattacken und Desinformationskampagnen steigt in Wahlkampfzeiten rasant an.» Aufgrund der klaren Haltung ihrer Partei gegenüber China, Russlands Präsidenten Wladimir Putin und der AfD «haben genügend Akteure einen Grund, uns das Leben schwer zu machen». Die Abgeordneten und Parteimitglieder habe man deshalb für den Wahlkampf noch einmal besonders auf solche Gefahren hingewiesen.

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