Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert im Gespräch mit Stefan Burmeister, Direktor des Varusschlachtmuseums in Kalkriese. Foto: Heinz-Josef Laing

Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert im Gespräch mit Stefan Burmeister, Geschäftsführer des Varusschlachtmuseums in Kalkriese. In der Bildmitte zu sehen: Die Replik der Tür eines 2010 in Afghanistan angesprengten Dingos. Foto: Heinz-Josef Laing

13.11.2023
Von Heinz-Josef Laing

Wenn Tapferkeitsmedaillen hinter geschlossenen Türen verliehen werden

Die Forderungen nach einem Veteranentag sind immer lauter geworden – und wurden von der Politik schließlich doch erhört. Der Bundeskanzler sagte bei der Bundeswehrtagung Unterstützung zu, Ampel und Union wollen das Vorhaben nun gemeinsam voranbringen. Dieser Erfolg ist auch dem Deutschen BundeswehrVerband zu verdanken, der sich auf vielfältige Weise für das Thema stark gemacht hat – auch auf Veranstaltungen wie jüngst im Museum Kalkriese am Rande einer Sonderausstellung.

Kalkriese. Der Deutsche Bundeswehrverband will die aktuelle Diskussion um die Einführung eines bundesweit einheitlichen Veteranentages weiter befeuern. Die Erinnerungskultur in Deutschland dürfe die oft lebensgefährlichen Einsätze der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Ausland nicht länger ignorieren, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende, Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert, bei der Podiumsdiskussion im Varusschlachtmuseum in Kalkriese.

Er fordert ein Umdenken in der Gesellschaft. Schließlich seien in den 20 Jahren des Afghanistan-Engagements der Bundeswehr rund 92.000 deutsche Militärangehörige als vom Bundestag beauftragte Parlaments-Armee im Hindukusch eingesetzt gewesen. Fünf Prozent dieser Männer und Frauen litten unter Posttraumatischen Belastungsstörungen als Folge der Teilnahme an teils intensiven Kriegshandlungen.

In anderen Staaten sind Veteranentage fest etabliert

Bohnert kündigt eine deutschlandweit angelegte Initiative seines Verbandes an, in die „viele gesellschaftliche Akteure aus Sportvereinen, Verbänden, Clubs und Initiativen vor Ort“ eingebunden werden sollen. Dabei gehe es nicht nur darum, die berechtigten Interessen der Veteranen auf Bundesebene politisch zu gestalten, sondern das Thema regional zu begleiten. Ziel sei es, einen wiederkehrenden jährlichen Veteranentag zu schaffen, der den Soldatinnen und Soldaten die benötigte Aufmerksamkeit widmet. In fast allen NATO-Mitgliedsstaaten seien Veteranentage längst an der Tagesordnung, etabliert und eine unverzichtbare Einrichtung der Erinnerungskultur.

Unter Anspielung auf das Engagement des britischen Prinzen Harry für die Interessen der kriegsversehrten Sportler bei den Invictus-Games im September in Düsseldorf sagt Bohnert, ein Veteranentag in Deutschland benötige ebenfalls einen prominenten Schirmherrn oder Botschafter, „der unsere Initiative öffentlichkeitswirksam“ begleitet.

Die Politik agierte lange zögerlich und mutlos

Selbstverständlich erwarteten die Soldatinnen und Soldaten, dass sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für einen solchen Veteranentag zur Verfügung stellt und „seine Solidarität mit uns“ beweist. Bohnert bedauert das bisherige Ausbleiben politischer Unterstützung für die Forderungen des BundeswehrVerbandes. Der Afghanistan-Veteran: „Wir hatten gehofft, dass von den Invictus-Games ein Signal an die Politiker ausgeht, konkrete Entscheidungen und Anregungen zu formulieren.“ Die gab es lange Zeit nicht, zögerlich und beinahe mutlos agierte die Politik, bis sich nun doch endlich etwas bewegte in Sachen Veteranentag.

Dabei sollen Veteranen doch vermitteln, wie es sich anfühlt, Dienst in Gebieten wie dem Hindukusch zu versehen. Die Soldatinnen und Soldaten wollen diesen „menschlichen Nahbereich von Geschichten“ in die Zivilgesellschaft vermitteln, unterstreicht Oberstleutnant Jörg Struckmeier die Motivation seines Berufsverbandes.

Motiviert ist Wolf Gregis. Der Afghanistan-Veteran hat einen autobiografischen Roman über seinen Einsatz geschrieben. „Sandseele“ ist das Werk betitelt. Gregis fährt durchs Land, stellt seine ganz persönliche Geschichte und sein Buch vor, erzählt von den Gefühlen, die ihn aufregen, wenn er an das Vergangene denkt. Er führte Tagebuch im Hindukusch, trauert um seine gefallenen Kameraden und zieht jetzt im Rückblick ein deutliches Fazit seiner Erfahrungen: „Wir brauchen mehr Öffentlichkeit und müssen weg von dieser stiefmütterlichen Behandlung“, wirbt der Mann für den Veteranentag – und für mehr Respekt: „Warum werden die Tapferkeitsmedaillen an unsere Soldatinnen und Soldaten hinter verschlossenen Türen verliehen?“

Eine Dingo-Tür als Siegestrophäe

Eine dieser vielen Geschichten aus dem Nahbereich des Afghanistan-Konflikts handelt von einer Tür. Klingt banal, ist es aber nicht: Die Tür gehörte zu einem Dingo, einem recht robusten Militärfahrzeug, das im Afghanistan-Krieg vielfach Verwendung gefunden hat. Dieses Fahrzeug der deutschen Armee wurde am Karfreitag 2010 bei einem Hinterhalt der Taliban in der Nähe von Kundus durch eine Sprengfalle zerstört. Damals fielen drei deutsche Soldaten, acht wurden verwundet. Tage später hat Marcel Bohnert mit seinem Kommando zwei dieser zerstörten Türen geborgen.

Im Militärhistorischen Museum in Dresden erinnert eine dieser arg zerschossenen und mehrere 100 Kilogramm schweren Türen an diesen grausamen Vorfall. Eine Replik steht im Museum der Varusschlacht in Kalkriese bei Bramsche im Landkreis Osnabrück. Dort machte jetzt die Sonderausstellung „Cold Case – Tod eines Legionärs“ Station.

Gezeigt wird ein 2000 Jahre alter Schienenpanzer eines Legionärs, der in Kalkriese von Archäologen ausgegraben wurde. Museumsleiter Dr. Stefan Burmeister schlägt einen Bogen von der Varusschlacht zum Afghanistan-Krieg: „Die Türen stellten für die Taliban eine Siegestrophäe dar. Deswegen wurden sie von unseren Leuten geborgen.“ Die Türen hätten eine sehr hohe emotionaler Bedeutung,

Vergleichbar, sagt der Autor Wolf Gregis, sei das mit dem Verlust des Adlers einer römischen Legion. Immer gehe es um Symbolik und Triumphrituale.

Weitere Informationen zum Status Quo der Veteranenkultur und zu den Forderungen der deutschen Veteranenbewegung unter https://www.dbwv.de/veteranen

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