Angehörige des KSK, hier Soldaten des Kommandos bei einer Lehrvorführung, sorgten für Schlagzeilen, nach denen schließlich eine ganze KSK-Kompanie aufgelöst werden musste. Foto: Bundeswehr/Neumann

Angehörige des KSK, hier Soldaten des Kommandos bei einer Lehrvorführung, sorgten für Schlagzeilen, nach denen schließlich eine ganze KSK-Kompanie aufgelöst werden musste. Foto: Bundeswehr/Neumann

21.08.2022
Von Markus Steinbrecher

Alles im grünen Bereich?!

Extremistische Vorfälle in der Bundeswehr sorgen immer wieder für öffentliche und mediale Aufmerksamkeit. Zuletzt bei der Urteilsverkündung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Prozess gegen Franco A. am 15. Juli 2022. Über die Gerichtsverhandlung wie das Urteil wurde in vielen Medien regelmäßig ausführlich berichtet. Als weiteres Beispiel lassen sich die Ermittlungen gegen eine größere Zahl von Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte nennen, die 2020 letztendlich zur Auflösung einer ganzen Kompanie führten und die wochenlang in den Schlagzeilen waren.

Die Frage ist, ob und wie sich solche extremistischen Vorkommnisse in der Bundeswehr auf die Haltung der Deutschen zu ihren Streitkräften auswirken. Dieser Beitrag liefert dazu einige empirische Befunde auf Basis der jährlichen Bevölkerungsbefragungen zum sicherheitspolitischen Meinungsbild des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw).

Die Relevanz dieser Frage ergibt sich unter anderem aus den Zielen der Inneren Führung. Die Innere Führung strebt nach einer Integration der Streitkräfte in die Gesellschaft, die wiederum zu ihrer (politischen) Legitimation beiträgt. Dieser Aspekt ist auch aus demokratietheoretischer Sicht relevant: Ein gewisses Maß an Unterstützung für politische Handlungen und Maßnahmen sowie politische Institutionen ist in demokratischen Staaten eine Grundvoraussetzung für Legitimität und Akzeptanz von Politik durch die Bürgerinnen und Bürger. Eine derartige Position nehmen einerseits auch die Soldatinnen und Soldaten selbst ein, wenn sie breite Unterstützung von der eigenen Bevölkerung erwarten und sich immer wieder über fehlenden gesellschaftlichen Zuspruch beklagen. Andererseits wird auch in öffentlichen Debatten, von Politikerinnen und Politikern oder den Medien, fehlende Unterstützung beklagt oder ein „freundliches Desinteresse“ der Bevölkerung gegenüber den Streitkräften unterstellt – zuletzt von Bundespräsident Steinmeier im Jahr 2020. Objektiv stimmen diese subjektiven Wahrnehmungen allerdings häufig nicht mit der empirischen Realität überein, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Ein zentrales Element für den Blick der Öffentlichkeit auf das Militär ist die generelle Haltung der Bürgerinnen und Bürger zu den Streitkräften. Dafür werden an dieser Stelle mit der Einstellung zur Bundeswehr Ergebnisse für einen wichtigen Indikator präsentiert. Es gibt aber noch andere ähnliche Indikatoren, etwa Vertrauen in die Streitkräfte (im Vergleich zu anderen Institutionen) oder das Ansehen der Bundeswehr. Die Bürgerinnen und Bürger können bei der Messung der Einstellung zur Bundeswehr ihre allgemeine Haltung zu den Streitkräften mit mehreren positiven und negativen Antwortmöglichkeiten angeben.

 

Für die Darstellung in Abbildung 1 wurden die positiven und negativen Antworten jeweils zusammengefasst. Wie die Abbildung zeigt, schwankt der Anteil der Bürgerinnen und Bürger mit einer positiven Einstellung zur Bundeswehr im betrachteten Zeitraum von 1999 bis 2021 zwischen 75 und 83 Prozent. Negative Bewertungen der Streitkräfte kommen von zwischen 13 und 23 Prozent der Befragten. Ein Großteil der Bevölkerung steht also positiv zur Bundeswehr. Die hohe Stabilität über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren spricht dafür, dass kurzfristige Ereignisse oder die mediale Diskussion über Vorkommnisse und Skandale wie beispielsweise im Jahr 2017 (etwa die Aufnahmerituale in Pfullendorf oder die Festnahme von Franco A.) die grundsätzlich positive Sicht der Deutschen auf die Bundeswehr nicht erschüttern können.

Auch für zahlreiche andere Indikatoren, die generelle Haltungen zu den Streitkräften messen, zeigt sich ein ähnliches Ausmaß an Zustimmung und langfristiger Stabilität. Dementsprechend lässt sich einerseits der von den Soldatinnen und Soldaten in Deutschland wahrgenommene fehlende Zuspruch der Bevölkerung empirisch so nicht nachweisen – die Ergebnisse verweisen eher auf das Gegenteil. Andererseits zeigt sich auch kein länger wirkender Einfluss extremistischer Vorfälle oder Skandale und der entsprechenden Medienberichterstattung auf die allgemeine Haltung zur Bundeswehr.

Vorfälle beeinflussen das Bild in der Öffentlichkeit

Skandale und extremistische Vorfälle wirken sich allerdings auf die Tendenz der Medienberichterstattung und deren Wahrnehmung durch die Bevölkerung aus. In den Bevölkerungsbefragungen des ZMSBw wird stets danach gefragt, ob die Bürgerinnen und Bürger die Bundeswehr in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung über die Massenmedien (Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften sowie Internet) oder in ihrer persönlichen Kommunikation (im Alltag, bei öffentlichen Veranstaltungen sowie in persönlichen Gesprächen) wahrgenommen haben. Zum anderen wird die wahrgenommene Tendenz der Berichterstattung (positiv, neutral bzw. teils/teils, negativ) ermittelt.

Blickt man auf beide Indikatoren für das aufgrund der oben genannten Vorfälle besonders interessante Jahr 2017, so sieht man einerseits eine Zunahme in der Wahrnehmung von Berichterstattung über die Bundeswehr in den Massenmedien (bis zu +7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2016).

Andererseits zeigt sich, dass die Befragten bei persönlichen Gesprächen deutlich häufiger über die Bundeswehr reden (+12 Prozentpunkte). Gleichzeitig nehmen 2017 deutlich weniger Befragte positive Berichterstattung über die Streitkräfte wahr (zwischen -13 und -15 Prozentpunkte Abnahme im Vergleich zum Vorjahr, siehe Abbildung 2).

Auch bei persönlichen Gesprächen hat der Anteil derjenigen, die positive Gesprächsinhalte berichten, um sieben Prozentpunkte abgenommen. Diese Veränderungen sind ein deutliches Indiz für die Richtigkeit der Annahme, dass die Berichterstattung über Vorfälle wie in Pfullendorf und den Fall Franco A. bei den Bürgerinnen und Bürgern angekommen ist und die Wahrnehmung der Bundeswehr über die Massenmedien wie bei persönlichen Gesprächen sich deutlich verschlechtert hat. Allerdings ist die Berichterstattung der Massenmedien über die Bundeswehr trotz der berichteten deutlichen Veränderungen in den Augen einer großen Mehrheit positiv (zwischen 42 und 46 Prozent) oder neutral (zwischen 35 und 38 Prozent). Insgesamt zeigen also die hier vorgestellten Umfrageergebnisse die langfristige Stabilität der grundsätzlich positiven Haltung der Deutschen zur Bundeswehr, die von Skandalen und extremistischen Vorfällen kaum erschüttert werden kann. Die Wahrnehmung der Bundeswehr über die Medien wird im Fall von vorherrschender negativer Berichterstattung sehr wohl beeinflusst und verschlechtert sich. Hierbei handelt es sich allerdings nur um kurzfristige Effekte, die sich langfristig nicht verstetigen, auch weil die Fallzahlen extremistischer Vorfälle in der Bundeswehr insgesamt gering sind.

Dr. Markus Steinbrecher forscht am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam zu Sicherheitspolitik, Militärsoziologie, politischen Einstellungen und politischem Verhalten.

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