Die Königsbronner Gespräche wurden in diesem Jahr erstmals mehrtägig in digitaler Form veranstaltet. Zum Auftakt drehte sich die Diskussion um den Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden und die künftige Entwicklung der transatlantischen Partnerschaft. Foto/Montage: DBwV/Sascha Eutebach

Die Königsbronner Gespräche wurden in diesem Jahr erstmals mehrtägig in digitaler Form veranstaltet. Zum Auftakt drehte sich die Diskussion um den Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden und die künftige Entwicklung der transatlantischen Partnerschaft. Foto/Montage: DBwV/Sascha Eutebach

17.04.2021
Yann Bombeke

Auftakt zu den Königsbronner Gesprächen: Wüstner fordert klare Sicherheitsstrategie der künftigen Regierung

Seit Joe Biden in den Vereinigten Staaten das Präsidentenamt übernommen hat, klingen die Töne in Richtung Europa wieder viel harmonischer. Die Chance für einen Neuanfang ist da – sie muss nur ergriffen werden. Darüber waren sich die Diskutanten beim Auftakt der achten Auflage der Königsbronner Gespräche einig.

Auf die wunderschöne Kulisse der alten Hammerschmiede in Königsbronn muss man in diesem Jahr verzichten, die Pandemie führt dazu, dass die Veranstaltung erstmals digital vom 14. bis 17. April präsentiert wird. An Spannung verlieren die Diskussionen dadurch keineswegs: Das wurde schon beim Auftakt deutlich, in dem sich alles um den Amtsantritt von Joe Biden als 46. Präsidenten der USA und die Perspektiven, die sich damit für Deutschland und Europa ergeben, drehte.

Natürlich sprachen der Bundesvorsitzende, Oberstleutnant André Wüstner, der Parlamentarier Peter Beyer (CDU), Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Beziehungen, Ulrich Lechte, Abgeordneter der FDP und Vorsitzender des Unterausschusses Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung sowie Wolfgang Ischinger, Botschafter und Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, über die Verteidigungsausgaben. Denn da steht Europa – und insbesondere auch Deutschland – in der Bringschuld. Dies hatte Ex-Präsident Trump vehement und bisweilen auf wenig diplomatische Weise immer wieder eingefordert, sogar mit dem Austritt der Vereinigten Staaten aus der Nato gedroht, sollten die Partnernationen ihrem zugesicherten Beitrag nicht nachkommen.

Und gerade in Deutschland herrscht viel Unklarheit, mit welchen Mitteln die Bundeswehr für ihre Aufgaben in Zukunft ausgestattet werden soll. „Politisch herrscht Streit, was die Finanzierung betrifft“, sagte Oberstleutnant Wüstner, „da wird es auf die künftige Regierung ankommen“. Für den Tag nach der Bundestagswahl im kommenden September forderte der Bundesvorsitzende eine frühzeitige Positionierung mit Blick auf die Sicherheitspolitik und am besten gleich eine klare Sicherheitsstrategie. In Bezug auf die Lastenteilung innerhalb der Nato komme es auf die Investitionen an, damit die Zielsetzungen auch mit Leben gefüllt werden können. Der Bundesvorsitzende weiter: „Da müssen wir Farbe bekennen: Die Gesamtsituation mit Blick auf die Risiken und Bedrohungen ist so, dass wir eine starke Bundeswehr brauchen.“

Der Unionsabgeordnete Peter Beyer versicherte: „Ein Rumgeeiere beim Zwei-Prozent-Ziel wird es mit uns nicht geben – wir haben ein klares Bekenntnis zum Ziel der Nato.“ Für Beyer geht es um „ein ganz klares Signal der Verlässlichkeit Deutschlands an unsere Nato-Partner“.  Auch Ulrich Lechte glaubt nicht, dass es unter Joe Biden eine Änderung in der Zielperspektive zwei Prozent geben wird. Der FDP-Politiker bekräftigte: „Für Deutschland waren es immer gute Phasen der Politik, wenn wir starke transatlantische Beziehungen hatten.“

Doch es wurde nicht nur über das Verhältnis zu den USA, sondern auch um das zu Russland gesprochen. Und das ist momentan sehr angespannt. Russland hat in den vergangenen Wochen massiv Truppen an den Grenzen zur östlichen Ukraine aufgefahren und damit die ohnehin schon kritische Lage bewusst aufgeheizt. Beyer appellierte: „Fallt nicht auf diese Provokationsfalle rein!“ Die Lage sei durch die russischen Provokationen ernst zu nehmen. Beyers Vorwurf an Russland: „Putin ist auf dem Weg dahin, das alte Sowjetreich wiederherzustellen.“

Lechte betonte, dass Deutschland langwährende Beziehungen mit Russland verbinden. „Wir müssen uns mit den unterschiedlichen Gegebenheiten in Russland auseinandersetzen“, sagte der Parlamentarier. Die sei aktuell schwierig, sagte Lechte mit Blick auf Tiergartenmord, Umgang mit Oppositionellen und völkerrechtswidriger Annexion der Krim. Jedoch müsse man Russland in die politischen Überlegungen einbeziehen, da das Land immer noch ein wichtiger Player auf der internationalen Bühne sei, so etwa im Nahen Osten.

Wüstner sagte, dass die Nato nach wie vor handlungsfähig sei – das wisse auch Wladimir Putin. „Die Nato wäre definitiv in der Lage, Russland etwas entgegenzusetzen“, sagte der Verbandschef. Aber: „Wir in Deutschland ringen immer noch damit, Verpflichtungen aus den letzten Nato-Gipfeln zu erfüllen.“ Wüstner verwies auf die VJTF – die schnelle Speerspitze des Bündnisses. Für die VJTF 2023 wollte Deutschland eine aus sich heraus einsatz- und führungsfähige Heeres-Brigade stellen. Doch das funktioniert wieder nicht: Um die Einsatzfähigkeit dieser Brigade herzustellen, muss erneut Material und Ausstattung aus allen Ecken der Republik von anderen Verbänden zusammengezogen werden. „Deshalb muss die Politik in der kommenden Legislaturperiode dafür sorgen, dass die Geschwindigkeit in der Beschaffung erhöht wird und auch die notwendigen Mittel bereitgestellt werden, um zu modernisieren, aber auch, um Ausrüstungslücken zu füllen“, sagte der Bundesvorsitzende.

In der jetzt auslaufenden Legislaturperiode wurde immer wieder sichtbar, dass die Regierung in sicherheitspolitischen Fragen nicht immer mit einer Stimme spricht – der umstrittene und nicht mit dem Auswärtigen Amt abgestimmte Nordsyrien-Vorstoß der Verteidigungsministerin zu Beginn ihrer Amtszeit hat dies verdeutlicht. Abhilfe könnte ein Organ wie ein Nationaler Sicherheitsrat schaffen – in diesem Punkt waren sich die Diskutanten einig. Wolfgang Ischinger plädiert dafür, den bereits seit Jahrzehnten bestehenden Bundesicherheitsrat mit umfassenderen Befugnissen auszustatten. „Dann haben wir nach Außen ein Instrument, mit dem wir mit einer Stimme sprechen können.“ Lechte begrüßte diesen Gedanken: „Wir brauchen eine klarere und bessere Koordinierung zwischen den Ministerien.“ Beyer hingegen glaubt nicht, dass es ausreicht, die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats auszubauen. Aber auch für ihn ist es „unbedingt erforderlich“, dass sich die Bundesregierung künftig effizienter und besser aufstelle – „Wir müssen besser werden“, sagte der CDU-Politiker.

Die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates ist auch eine seit vielen Jahren bestehende Forderung des Deutschen BundeswehrVerbandes. Beim Weißbuchprozess sei man sich einig gewesen, dass es einen Nationalen Sicherheitsrat brauche, sagte Oberstleutnant Wüstner. Leider sei dies am Auswärtigen Amt gescheitert. Wüstner forderte: „Wir brauchen Politik aus einem Guss. Und das geht mit einem Nationalen Sicherheitsrat.“

Die Königsbronner Gespräche, wie immer gemeinsam veranstaltet vom Bundestagabgeordneten Roderich Kiesewetter, der Konrad-Adenauer-Stiftung Baden-Württemberg und dem Bildungswerk des Deutschen BundeswehrVerbandes, wurden über die Tage fortgesetzt und enden am heutigen Samstag mit einer Rede der Verteidigungsministerin.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick