Soldaten der Bundeswehr im Einsatz 2002 in Bosnien. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wandelte sich die Truppe zur Einsatzarmee. Foto: Picture Alliance

Soldaten der Bundeswehr im Einsatz 2002 in Bosnien. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wandelte sich die Truppe zur Einsatzarmee. Foto: Picture Alliance

15.08.2025
Frank Jungbluth

„Einen 18-jährigen General nimmt mir die NATO nicht ab“

Die Bundeswehr wuchs in den ersten Jahren seit der Gründung am 12. November 1955 rasant auf: Nach zwei Jahren waren schon knapp 120 000 Mann unter Waffen, 1959 – vier Jahre nach Gründung der Bundeswehr – sind es schon fast 250.000.

„Einen 18-jährigen General nimmt mir die NATO nicht ab“, soll Bundeskanzler Konrad Adenauer in der Anfangszeit gesagt haben. Das war ein Grund dafür, dass von den 15.000 Offizieren, die zu Beginn in der Truppe dienten, mehr als 12.000 schon Offiziere in der Reichswehr oder der Wehrmacht waren. Begonnen hatten Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und zahlreiche Experten schon 1950 mit den Vorbereitungen für eine neue (west-)deutsche Armee.

Das „Amt Blank“, anfangs in der Bonner Ermekeilkaserne im Einsatz, wurde 1955 das Bundesministerium für Verteidigung und im Juli 1955 schuf der Bundestag die Grundlagen für die neue Armee mit dem sogenannten Freiwilligengesetz. Das sah vor, dass bis zu 6000 Freiwillige in die Truppe der Bundesrepublik eingestellt werden sollten, zu den neuen Streitkräften wollten aber viel mehr: 150 000 Bürger meldeten sich bis zum 1. August als Freiwillige, viel mehr, als man aufnehmen konnte.

51 Milliarden Mark

Auch im Juli 1955 entsandte die Regierung die ersten künftigen Offiziere zur Einarbeitung ins NATO-Hauptquartier ins „Palais de Chaillot“ in Paris. Dort war die Behörde bis 1967. Nachdem Frankreich sich aus den militärischen Strukturen der NATO gelöst hatte, zog das Hauptquartier des Nordatlantischen Bündnisses nach Brüssel um. Am 21. September 1955 gab die Bundesregierung den Aufstellungsplan für die Bundeswehr bekannt – 51 Milliarden Mark sollten dafür verwendet werden, zwölf Heeresdivisionen sollten bis Ende 1959 aufgestellt werden, dazu Luftwaffe und Marine als weitere Teilstreitkräfte bis Januar 1960 aufgebaut sein.

Zum 200. Geburtstag des großen preußischen Heeresreformers General Gerhard von Scharnhorst, wurde es am 12. November 1955 offiziell: Kanzler Adenauer ernennt die ersten 101 Freiwilligen der Bundeswehr in der Bonner Ermekeilkaserne. Damit war die Bundeswehr, ein Begriff, der aus der Zeit der Revolution von 1848/49 stammt, gegründet. Basis dafür war auch, dass die Westalliierten im April 1955 das Besatzungsregime in der Bundesrepublik mit den sogenannten Deutschland-Verträgen beendeten und die Pariser Verträge, in denen die Bundesrepublik 1954 den Verzicht auf atomare, biologische und chemische Waffen erklärte. Vereinbart wurden eine Aufstellung von zwölf Divisionen und eine Obergrenze von 500.000 Mann bei den westdeutschen Streitkräften.

Nötige Ausrüstung und vor allem am personellen Aufwuchs

Einige Monate zuvor war man noch davon ausgegangen, dass westdeutsche Truppen Bestandteil einer europäischen Armee sein würden. So war es auch in der Himmeroder Denkschrift von 1950 formuliert: „Denkschrift über die Aufstellung eines bundesdeutschen Kontingents im Rahmen einer internationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas“. Einzig die französische Nationalversammlung ratifizierte die Verträge zur Aufstellung einer europäischen Armee nicht, die Idee von der europäischen Verteidigungsgemeinschaft war erst einmal gescheitert. Bei der Bundeswehr arbeitete man danach mit Hochdruck an der Beschaffung der nötigen Ausrüstung und vor allem am personellen Aufwuchs. Es ging Schlag auf Schlag: Der Bundestag genehmigte einen Schiffbauplan für zwölf Zerstörer, sechs Geleitboote, 40 Schnellboote, 24 Küstenminensuchboote, 30 schnelle Minensuchboote, zwölf U-Boote, 36 Landungsboote, zwei Minenschiffe, zehn Küstenwachboote, elf Tendern für Kleinboote, ein Schulschiff, ein Segelschulschiff, 65 Flugzeuge sowie diverse Hilfs-, Versuchs- und Übungsfahrzeuge. Schon im Dezember 1958 wurde schließlich das neu gebaute Segelschulschiff der Bundesmarine in Dienst gestellt. Die Dreimastbark bekam, wie der Vorgänger, den Namen des im Ersten Weltkrieg in der Schlacht am Skagerrak gefallenen, aus Finkenwerder stammenden, Marinesoldaten und Dichters Johann Wilhelm Kinau, der unter dem Pseudonym „Gorch Fock“ Seefahrergeschichten schrieb. Sein bekanntester Roman aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg trägt den Titel: „Seefahrt ist not!“.

Die USA lieferten für das neue deutsche Heer unter anderem Kampfpanzer M41 und M47 Patton sowie weiteres Material im Wert von fast vier Milliarden D-Mark kostenlos. Dazu lieferten die Vereinigten Staaten ab 1957 Kampfjets vom Typ Republic F-84 Thunderjet für die neue Luftwaffe, deren Piloten schon seit 1955 in den USA ausgebildet wurden. Aus Israel kamen Mörser, Munition aus der Türkei, Schiffe und Flugzeuge wurden aus Großbritannien beschafft, Schützenpanzer aus der Schweiz und Frankreich, Gewehre aus Belgien. US-Experten bildeten die Bundeswehr-Soldaten an den neuen Waffensystemen aus; eine deutsche Rüstungsindustrie war (noch) nicht vorhanden.

Auch die politischen Gremien der Bundesrepublik arbeiteten am Aufbau der Streitkräfte zügig mit: Schon vier Monate nach Gründung der Bundeswehr wurde 1956 ein Gesetz zur Wehrverfassung beschlossen und das Grundgesetz um den Artikel 87a ergänzt, der regelt, dass der Bund Streitkräfte zur Verteidigung aufstellt, Artikel 87b die Einführung der Wehrverwaltung. Am 1. April 1956 ersetzte das Soldatengesetz das Freiwilligengesetz, im Juli des Jahres kam das Wehrpflichtgesetz hinzu, das alle Männer im Alter zwischen 18 und 45 Jahren zum Dienst verpflichtete, auch ein Ersatzdienst wurde zum ersten Mal in der deutschen Geschichte verankert.

10.000 Beamte im Bundesgrenzschutz

Fast 10.000 Beamte des Bundesgrenzschutzes nutzten die Gelegenheit, als die Bundeswehr einen Übergang in die neue Armee angeboten hatte. Zwischen dem 1. und 30. Juni 1956 hatte man Zeit, der freundlichen Übernahme zu widersprechen. Wenn nicht, wechselte man die Uniform. Der neue Dienstgeber war großzügig, stellte einen Dienstgrad höher ein und stellte schnellere Beförderungen in Aussicht.

Bereits am 1. April 1957 rückten die ersten 10.000 Wehrpflichtigen ein, bei Luftwaffe und Marine ab Januar 1958; am 1. Juni 1957 wird Adolf Heusinger erster Generalinspekteur. Als „Anwalt der Truppe“ wurde ebenfalls 1957 das Amt des Wehrbeauftragten des Bundestages geschaffen. Im April 1959 übernahm als erster der frühere Generalleutnant Helmuth von Grolman das Amt. Schon nach seinem ersten Jahresbericht 1960, in dem er wahrheitsgemäß beschrieben hatte, dass der schnelle Aufbau der Bundeswehr sich auf die Stimmung in der Truppe negativ auswirke, kam es zum Zerwürfnis mit dem mächtigen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß. In der Folge wurde dem verheirateten Grolman, der Vater von fünf Kindern war, eine homosexuelle Beziehung unterstellt. Der erste Wehrbeauftragte unternahm einen Selbstmordversuch, der CDU-Politiker und vormalige Vizeadmiral Hellmuth Heye folgte ihm im Amt und scheiterte drei Jahre später auch an seiner Offenheit zum schlechten inneren Zustand der Bundeswehr, den er in einer Artikelserie in der Illustrierten „Quick“ veröffentlichte. Damit zog er den Zorn von Strauß’ Nachfolger Kai-Uwe von Hassel auf sich und trat 1964 zurück.

Da war die Bundeswehr bereits 425.000 Mann stark, nicht einmal zehn Jahre nach der Gründung 1955. In den folgenden Jahren wuchs die Truppe weiter auf, der Höhepunkt wurde 1987 mit 495.649 Soldatinnen und Soldaten erreicht. Frauen durften zwar freiwillig dienen, allerdings erst seit 1975 im Sanitätsdienst, seit 1991 standen ihnen alle Laufbahnen im Sanitäts- und Militärmusikdienst offen. Erst mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Fall der Klägerin Tanja Kreil, die im Truppendienst eingestellt werden wollte, wurde der Weg frei, dass Frauen seit dem 1. Januar 2001 alle Laufbahnen in allen Truppenteilen offenstehen. Gut 25.000 Frauen dienen inzwischen freiwillig als Zeit- oder Berufssoldatinnen in der Bundeswehr, zum Wehrdienst verpflichtet werden können sie nach wie vor nicht.

Truppe schrumpft seit Wiedervereinigung

Seit der Wiedervereinigung Deutschlands schrumpft die Truppenstärke der Bundeswehr deutlich: Dienten 1991 noch 476 000 Soldaten, so waren es zehn Jahre später nur noch 306 000, 2011, im Jahr der Aussetzung des Grundwehrdienstes und faktisch damit der Wehrpflicht, waren gerade noch 206 000 im Dienst, der Tiefpunkt war 2024 mit 180 000 Soldatinnen und Soldaten. Derzeit dienen, Stand Juni 2025, 170.474 Frauen und Männer als Zeit- oder Berufssoldaten, 11 818 sind freiwillig Wehrdienstleistende. Erreicht haben wollte man 2031 203 000 Soldaten, inzwischen hat man mit der NATO vereinbart, dass die Bundeswehr bis 2035 auf 260 000 aufwachsen soll.

Auch deshalb will Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius einen „neuen Wehrdienst“ einführen, der in einem Referentenentwurf beschrieben ist. Einem Jahrgang, man geht von 300.000 jungen Frauen und Männern aus, soll ein Fragebogen zukommen, in dem sie vor allem auch erklären, ob ein Dienst in den Streitkräften überhaupt vorstellbar ist. Für Männer soll es verpflichtend sein, die Fragen zu beantworten, Frauen können das freiwillig tun. Wer geeignet erscheint, soll zur Musterung eingeladen werden. Im August soll der Entwurf vom Bundeskabinett gebilligt werden, Ende 2025 wird ein Beschluss des Bundestages erwartet. Die ersten Wehrdienstleistenden, die man als Soldaten auf Zeit einstellen und vereidigen will, könnten 2026 einrücken. Ob der neue freiwillige Dienst reichen wird, um die NATO-Ziele zu erreichen, bezweifeln Experten.

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