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Worauf es für Senioren ankommt
Verbandspolitik am Puls der Zeit: Medialer Aufschlag des DBwV
Verbesserungen durch das Artikelgesetz Zeitenwende und die flankierenden Verordnungen
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„Einen 18-jährigen General nimmt mir die NATO nicht ab“
Vom Ballon zum Hightech-Flugobjekt
„Die Brutalität und Entschlossenheit des russischen Regimes muss klar benannt werden!“
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Der Berufsförderungsdienst bei Radio Andernach
Anpassung der Geldleistungen nach dem Soldatenentschädigungsgesetz zum 1.Juli 2025
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Schweres Gewusel im Kopf
Tagung der Themenverantwortlichen Auslandseinsatz: Eine Neuausrichtung für die Zukunft
Laufen für die gefallenen Ukrainer
120 Kilometer für 120 Gefallene
Mit jedem Schritt ein Zeichen – Startschuss für den Marsch zum Gedenken 2025
27 Kilometer für gefallene NATO-Soldatinnen und Soldaten
Zu Besuch bei einer mobilen Luftverteidigung im Kharkiv Oblast, Ukraine. Mit der Flak sollen nordöstlich von Charkiw Shahed-Drohnen abgefangen werden. Das ist der Auftrag für den Soldaten Radion. Foto: picture alliance
Auch im österreichischen Bundesheer wird der „Kampf um die besten Köpfe“ geführt, sagt Oberst Dr. Markus Reisner, Leiter der Offizierausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt. „Ohne Wehrpflicht würden wir das nicht schaffen“, sagt der Offizier. Er ist ein profunder Kenner des modernen Drohnenkrieges und des Kampfes in der Ukraine.
Die Bundeswehr: Sie haben schon 2018 in Ihrem Buch „Robotic Wars“ darüber geschrieben, dass unbemannte Systeme die moderne Kriegsführung umfassend verändern werden: Wenige Jahre später haben Drohnen, damals aus israelischer und türkischer Produktion, einen Krieg entschieden. Das war 2020 im Kampf um Bergkarabach zwischen Aserbaidschan und Armenien. Sind Drohnen allein der Gamechanger?
Oberst Markus Reisner: Drohnen allein sind es nicht. Wir haben immer wieder Entwicklungen in der Kriegsführung gehabt, die evolutionär oder revolutionär waren, denken Sie an die revolutionäre Erfindung des Schießpulvers, Panzer, Luftfahrzeuge, Raketen und vieles mehr im Laufe der Militärgeschichte. Drohnen und ihr massiver Einsatz sind eine folgenschwere Entwicklung, aber man wird auch in Zukunft eine starke Infanterie, kampfkräftige Panzer, präzise Artillerie und eine schlagkräftige Luftwaffe brauchen. Was wir jetzt sehen, ist, dass Drohnen eine evolutionäre Wirkung haben, revolutionär wird es dann in Verbindung mit künstlicher Intelligenz werden.
Die Bundeswehr: Im Februar 2024 wurde gemeldet: Bundesheer hat 36 Abwehrsysteme des Typs „Skyranger“ bestellt, montiert auf dem Radpanzer „EVO Pandur“. Wie ist diese Meldung einzuordnen? Die Bundeswehr will schließlich ebenfalls eine ganze Reihe Flugabwehrsysteme vom Typ „Skyranger 30“ beschaffen – machen sich hier Österreich und Deutschland als Kunden von Rheinmetall Konkurrenz?
Oberst Reisner: Als Rüstungsunternehmen kann man sicher froh sein, wenn möglichst viele Aufträge hereinkommen. Die große Bestellung aus Österreich zeigt, dass wir beim Bundesheer schnell in die Gänge gekommen sind, das ist sicherlich auch der Tatsache zu verdanken, dass unsere Verteidigungsministerin eine zuverlässige Finanzierung für die nächsten Jahre politisch durchgesetzt hat. Der Pandur „Skyranger“ ist die dritte notwendige Ergänzung zu „Mistral 3“ und modernisierter 35-Millimeter-Fliegerabwehr. Die Order sichert uns, als Teil der bodengebundenen Luftabwehr, die Flugabwehr im Nahbereich, für die Abwehr von Fernwaffen müssen wir noch entsprechend nachrüsten. Das ist für uns eine große Herausforderung, vor der Sie auch in Deutschland stehen.
Die Bundeswehr: Stichwort Ausbildung: Bereits ausgebildete Militärdrohnenbediener werden im Bundesheer zu Lehrern weiterqualifiziert, die dann im „Schneeballsystem“ ihre Erfahrungen weitergeben. Anfang 2025 sollten alle Bataillone für den Zweck Nahbereich sowie für die Eigensicherung auf Ebene des Zuges (Jäger/Panzer/Panzergrenadier) der Landstreitkräfte mit kleinen Drohnen ausgestattet sein. Wie ist der Stand bei diesen „fliegenden Feldstechern“?
Oberst Reisner: Da sind wir aus meiner Sicht auf einem guten Weg, bis Ende des Jahres soll eine beachtliche Menge dieser Drohnensysteme der gefechtstechnischen Ebene zugelaufen sein, die Ausbildung der entsprechenden Drohnenpiloten läuft parallel. Auf der gefechtstechnisch/taktischen Ebene auf dem Gefechtsfeld werden wir für unsere Bedürfnisse bald eine gute Sättigung erreicht haben. Wir hatten vor kurzem die Übung „Waldviertel 25“. Dort haben wir präzise mit den Rahmenbedingungen geübt, die heute auf Gefechtsfeldern wie in der Ukraine zu finden sind, auch, was die Darstellung mit Feinddrohnen angeht. Unsere Soldaten müssen das Gefühl hautnah erleben, dass sie Tag und Nacht von Feinddrohnen beobachtet werden und auch jederzeit angegriffen werden können. Wir sind, das kann ich sagen, auf einem guten Weg. Deshalb ist das auch ein wichtiger Teil der Ausbildung unseres Offiziernachwuchses hier an der Theresianischen Militärakademie. Hier gibt es wieder das Fach Wehrtechnik. Und hier zeigen wir den jungen angehenden Offizieren, warum zum Beispiel FPV-Drohnen derzeit so gefährlich sind.
Die Bundeswehr: Österreich setzt Drohnen vor allem für die Aufklärung ein. Ist die Bewaffnung von Drohnen (immer noch?) ein Tabu? Wie sieht bei Ihnen die Gesellschaft das Thema?
Oberst Reisner: Wir denken mit Blick auf den Krieg in der Ukraine darüber nach, wie bewaffnete Drohnen eingesetzt werden könnten. Bei alledem ist uns vor allem der Schutz des Lebens unserer Soldaten wichtig. Eine Debatte, wie sie in Deutschland über das Pro und Kontra der Drohnenbewaffnung geführt worden ist, haben wir in der Intensität hierzulande nicht gehabt. Diskussionen darüber sind aus meiner Sicht auch an der Realität vorbei. Es ist eine Tatsache, dass Drohnen den Krieg verändert haben, wie es Tanks im Ersten Weltkrieg gemacht haben, die aus einer Pattsituation im Stellungskrieg einen Vorteil für die Alliierten geschaffen haben, der nicht mehr aufzuholen war. Das Ergebnis ist bekannt. Fakt ist: Der Gegner, das sehen wir in der Ukraine jeden Tag, setzt Drohnen auf alle Arten schamlos ein, darauf muss man vorbereitet sein. Er hält sich schlicht nicht an die Regeln der Kriegsführung. Deutschland hat als NATO-Mitglied viel weiter reichende Ambitionen als Österreich beim Thema Drohnen. Wir haben natürlich die Neutralität hierzulande, sehen uns aber dennoch im internationalen Verbund, und so agieren wir bei der Ausrüstung mit Drohnen auch.
Die Bundeswehr: Stichwort Drohnenabwehr: Reicht es, Systeme wie „Skyranger“ zum Schutz von Panzerbataillonen zu beschaffen, oder müssen auch Panzer selbst so ausgerüstet sein, dass sie sich allein gegen Drohnenangriffe verteidigen können?
Oberst Reisner: Man braucht eine Kombination unterschiedlicher Systeme. In Afghanistan haben wir beim Einsatz von IED-Sprengsätzen erlebt, dass die Voraufklärung wichtiger ist als da zu reagieren. Das gilt heute auch noch, zu wissen, was der Gegner mit seinen Aufklärungs- und Angriffsdrohnen vorbereitet oder startet. Für den Schutz von Fahrzeugen sind Gitter oder Netze hilfreich als passive Maßnahme, eine Heeresflugabwehr wird hingegen eine sehr gute aktive Ergänzung sein. Der Panzer bleibt eine wichtige Komponente auf dem Gefechtsfeld. Deshalb muss man das Waffensystem weiterdenken und Panzer einbeziehen, technisch und taktisch, sonst würde er irgendwann obsolet. Mit seiner Beweglichkeit, Kampf- und Feuerkraft hat er immer noch viele Vorteile, aber er muss sich anpassen, beziehungsweise geschützt werden.
Die Bundeswehr: Wenn man über Drohnenkriege spricht, kommt man natürlich auch zum Krieg in der Ukraine: Auf der strategischen Ebene will Russland die ukrainische Rüstungsindustrie und die Energieversorgung ausschalten, auf der operativen Ebene scheint Aufklärung ohne Drohnen inzwischen alternativlos, auf taktischer Ebene wird der Kampf massiv mit Angriffsdrohnen geführt, was heißt das für die Zukunft der Ausrüstung im Westen?
Oberst Reisner: Auf der gefechtstechnisch/taktischen Ebene ist die Drohne die Herausforderung und eine notwendige Ergänzung einerseits zum Schutz der Truppen, andererseits als Angriffsdrohne, ähnlich der „Loitering Munition“, auch zum gezielten Wirken. Auf der operativen Ebene verschaffen uns Drohnen faktisch einen enormen Vorteil, weil wir mit ihrem Einsatz ein umfassendes Lagebild in einer Qualität und Tiefe zeichnen können, die vorher so nicht möglich war. Strategisch betrachtet sind Drohnenangriffe in der Tiefe des Landes eine große Gefahr für Zivilisten in den Städten, für die Rüstungsindustrie und die Energieversorgung, die gerade für die nachhaltige Kriegswirtschaft und das Durchhalten lebenswichtig ist. Auf allen drei Ebenen bringt Russland zum Beispiel in der Ukraine massiv Drohnen zum Angriff. Dem zu begegnen, das ist die Herausforderung. Darauf muss der Westen vorbereitet sein. Wir erleben auch, dass es Drohnentypen gibt, die sich bewährt haben, andere nicht. Wenn man heute im Westen sagt, dass die Russen ihren Luftraum nicht vollständig schützen können, dann müssen wir uns selbst fragen, ob wir das könnten. Die NATO kann ihren Luftraum derzeit nur zu fünf Prozent schützen. Man schaut auf die USA, aber könnte man das kompensieren, wenn die Amerikaner heute Waffensysteme zur Flugabwehr aus Europa abziehen würden? Die USA liefern und die Ukraine und Europa bezahlen dafür. Das ist gut für die Ukraine, aber im vierten Jahr des Krieges eine rüstungstechnische Niederlage für Europa.
Die Bundeswehr: Wie gut sind wir heute überhaupt vorbereitet?
Oberst Reisner: Was mit fehlt, ist, dass wir viele Ankündigungen und Ambitionen haben, aber wenig Konkretes passiert. Kampferprobte Nationen wie die USA, Russland und Israel sind einfach weiter. Es wird oft diskutiert und hier und dort experimentiert, große Würfe sind das nicht. Nochmal, im vierten Jahr des Krieges, ist das ernüchternd. Ich spreche regelmäßig mit meinen ukrainischen Kameraden, die in Westeuropa ausgebildet werden: Die sagen mir, dass die Ausbildung teilweise an den Realitäten auf dem Gefechtsfeld vorbeigeht. Die Einsatzbedingungen sind an der Front einfach anders. Wir müssen endlich ernsthaft die Sache angehen. Darum wollte ich auch unbedingt an die Militärakademie. Hier kommt man in die Köpfe der Jungen hinein. Sie gestalten die Zukunft.
Das gesamte Gespräch mit Oberst Markus Reisner gibt es auch als Podcast.
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