Berlin. Es war beinahe geschafft: Nach endlosen Jahren der Diskussion, Workshops, Live-Chats, Debatten und zwei Expertenanhörungen im Bundestag schien endlich der Weg frei für bewaffnete Drohnen. Im Juli hatte die SPD-Fraktion eingelenkt und sich „offen in der Frage der Bewaffnung von Drohnen“ gezeigt, wenn denn strenge Bedingungen eingehalten würden. Schließlich, so sagte die stellvertretende Fraktionschefin Gabriela Heinrich damals: „Wir wollen den bestmöglichen Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten in ihren gefährlichen Auslandseinsätzen.“ Bravo, wir auch.   Doch die Freude über die einsichtigen Sozialdemokraten währte nicht lang. In der „Süddeutschen Zeitung“ meldete sich Parteichef Norbert Walter-Borjans zu Wort und erklärte, er hielte die „bisherige Debatte über bewaffnete Bundeswehr-Drohnen für nicht ausreichend.“ Die entsprechende Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag sei nicht erfüllt, im Ergebnis könne er der Beschaffung solcher Systeme derzeit nicht zustimmen.   Das ist eine Einschätzung, die zumindest überrascht. Der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner: „Ich kann die Ausführungen von Herrn Walter-Borjans absolut nicht nachvollziehen. Wir haben eine mehrjährige, ausführliche und öffentliche Debatte hinter uns, alle Argumente liegen seit langem auf dem Tisch. Wenn dem Parteivorsitzenden der SPD diese Tatsache entgangen sein sollte, stimmt mich das besorgt.“  Da wir ungern urteilen, ohne den Betroffenen zu hören, versuchte Oberstleutnant Wüstner, den Parteivorsitzenden gleich vormittags ans Telefon zu bekommen. Leider war Norbert Walter-Borjans nicht erreichbar. Der nächste Versuch galt dem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, doch auch der war leider nicht erreichbar. Immerhin: Seine Stellvertreterin Gabriela Heinrich war zu sprechen. Ergebnis: Die Bundestagsfraktion der SPD ist in der Drohnenfrage noch nicht entschieden. Der Bundesvorsitzende zeigte sich enttäuscht: „Zuletzt war eigentlich auch für die SPD-Fraktion klar, dass die Bewaffnung der HERON TP notwendig ist. Daher verstören die Einlassungen von Herrn Walter-Borjans umso mehr.“  Fachpolitiker aus Regierung und Opposition urteilen hart über den SPD-Chef.  Henning Otte, der verteidigungspolitische Sprecher der Union, sagte „Bild“: „Die SPD-Spitze übt Verrat an unserer Truppe. Ideologie geht bei Norbert Walter-Borjans wohl vor Verstand.“ Die Union habe über sechs Jahre mit der SPD über die „notwendige Einführung von bewaffneten Drohnen als Lebensversicherung diskutiert und alle Voraussetzungen für die Umsetzung des Koalitionsvertrages erfüllt“.   Kein Verständnis auch von Tobias Lindner (Grüne): „Die Argumente in der Drohnendebatte sind ausgetauscht. Man kann, wie die CDU, zum Ergebnis kommen, die Drohnen bewaffnen zu wollen. Ebenso kann man wie wir Grüne zum Schluss gelangen, die Bewaffnung abzulehnen. Was hingegen nicht geht, ist sich jetzt wie die SPD-Spitze hinter dem Verfahren zu verschanzen und zu behaupten, es hätte keine umfassende Debatte gegeben. Die Sozialdemokraten sollten sich jetzt bekennen, ob sie für oder gegen eine Bewaffnung von Drohnen sind.“  Der CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn: „Die SPD versündigt sich nachhaltig an der Bundeswehr. Offenbar sind den Genossen wahltaktische Erwägungen wichtiger als der Schutz der Soldatinnen und Soldaten, die den Preis dafür zahlen. Für Olaf Scholz gilt es nun Farbe zu bekennen! Der SPD-Kanzlerkandidat muss beweisen, ob er zur Bundeswehr steht oder den Ideologen in seiner Partei endgültig klein beigibt.“  Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schließlich twitterte: „Traurige Wahrheit: Walter-Borjans & SPD stellen sich erneut gegen die Bundeswehr und ihre Soldatinnen & Soldaten. Das ist nicht nur eine staatspolitische Bankrotterklärung, die alte Tante SPD ist endgültig entbehrlich geworden. Ein sicherer Staat ist nur noch ohne sie zu machen.“  In der „Welt“ kritisierte Thorsten Jungholt die Haltung des SPD-Chefs: „Das ist so durchschaubar wie feige. Durchschaubar, weil Walter-Borjans die SPD mit Blick auf den Wahlkampf im kommenden Jahr sicherheitspolitisch auf Grün-Rot-Rot trimmen will. (…) Feige ist es, weil der SPD-Chef nicht klipp und klar sagt, dass er gegen Drohnen ist, sondern darauf pocht, eine bis ins wirklich letzte Detail geführte Debatte fortführen zu wollen. Es gibt keine neuen Argumente mehr, die SPD muss sich einfach nur entscheiden: für den Schutz der eigenen Soldaten mit diesem Waffensystem. Oder eben an der Seite der Linken aus grundsätzlich ideologischen Gründen dagegen.“  Oberstleutnant Wüstner: „Für viele unserer Mitglieder drängt sich der Eindruck auf, dass es Herrn Walter-Borjans nicht um die Sache geht, sondern vielmehr um taktische Manöver mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl. Leib und Leben der Soldatinnen und Soldaten sind allerdings denkbar ungeeignet als Einsatz für solche Spielchen.“   Unterm Strich bleibt wahr, was Wüstner seit Jahren erklärt: „Die Bundeswehr braucht bewaffnete Drohnen. Je schneller desto besser, denn es ist schließlich auch eine ethische Verpflichtung für den bestmöglichen Schutz der Soldatinnen und Soldaten zu sorgen.“

Die HERON TP fliegt bereits für die Bundeswehr, die Drohne aus israelischer Produktion ist bewaffnungsfähig. Die Frage der Bewaffnung wurde lange und breit genug in den vergangenen Jahren diskutiert - die jüngsten Äußerungen des SPD-Vorsitzenden kommen zu diesem Zeitpunkt daher zumindest überraschend. Foto: IAI

08.12.2020
jm

Bewaffnete Drohnen: Aussagen von Parteichef Walter-Borjans stoßen auf Unverständnis

Berlin. Es war beinahe geschafft: Nach endlosen Jahren der Diskussion, Workshops, Live-Chats, Debatten und zwei Expertenanhörungen im Bundestag schien endlich der Weg frei für bewaffnete Drohnen. Im Juli hatte die SPD-Fraktion eingelenkt und sich „offen in der Frage der Bewaffnung von Drohnen“ gezeigt, wenn denn strenge Bedingungen eingehalten würden. Schließlich, so sagte die stellvertretende Fraktionschefin Gabriela Heinrich damals: „Wir wollen den bestmöglichen Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten in ihren gefährlichen Auslandseinsätzen.“ Bravo, wir auch.

Doch die Freude über die einsichtigen Sozialdemokraten währte nicht lang. In der „Süddeutschen Zeitung“ meldete sich Parteichef Norbert Walter-Borjans zu Wort und erklärte, er hielte die „bisherige Debatte über bewaffnete Bundeswehr-Drohnen für nicht ausreichend.“ Die entsprechende Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag sei nicht erfüllt, im Ergebnis könne er der Beschaffung solcher Systeme derzeit nicht zustimmen.

Das ist eine Einschätzung, die zumindest überrascht. Der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner: „Ich kann die Ausführungen von Herrn Walter-Borjans absolut nicht nachvollziehen. Wir haben eine mehrjährige, ausführliche und öffentliche Debatte hinter uns, alle Argumente liegen seit langem auf dem Tisch. Wenn dem Parteivorsitzenden der SPD diese Tatsache entgangen sein sollte, stimmt mich das besorgt.“

Da wir ungern urteilen, ohne den Betroffenen zu hören, versuchte Oberstleutnant Wüstner, den Parteivorsitzenden gleich vormittags ans Telefon zu bekommen. Leider war Norbert Walter-Borjans nicht erreichbar. Der nächste Versuch galt dem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich, doch auch der war leider nicht erreichbar. Immerhin: Seine Stellvertreterin Gabriela Heinrich war zu sprechen. Ergebnis: Die Bundestagsfraktion der SPD ist in der Drohnenfrage noch nicht entschieden. Der Bundesvorsitzende zeigte sich enttäuscht: „Zuletzt war eigentlich auch für die SPD-Fraktion klar, dass die Bewaffnung der HERON TP notwendig ist. Daher verstören die Einlassungen von Herrn Walter-Borjans umso mehr.“

Fachpolitiker aus Regierung und Opposition urteilen hart über den SPD-Chef.  Henning Otte, der verteidigungspolitische Sprecher der Union, sagte „Bild“: „Die SPD-Spitze übt Verrat an unserer Truppe. Ideologie geht bei Norbert Walter-Borjans wohl vor Verstand.“ Die Union habe über sechs Jahre mit der SPD über die „notwendige Einführung von bewaffneten Drohnen als Lebensversicherung diskutiert und alle Voraussetzungen für die Umsetzung des Koalitionsvertrages erfüllt“.

Kein Verständnis auch von Tobias Lindner (Grüne): „Die Argumente in der Drohnendebatte sind ausgetauscht. Man kann, wie die CDU, zum Ergebnis kommen, die Drohnen bewaffnen zu wollen. Ebenso kann man wie wir Grüne zum Schluss gelangen, die Bewaffnung abzulehnen. Was hingegen nicht geht, ist sich jetzt wie die SPD-Spitze hinter dem Verfahren zu verschanzen und zu behaupten, es hätte keine umfassende Debatte gegeben. Die Sozialdemokraten sollten sich jetzt bekennen, ob sie für oder gegen eine Bewaffnung von Drohnen sind.“

Der CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn: „Die SPD versündigt sich nachhaltig an der Bundeswehr. Offenbar sind den Genossen wahltaktische Erwägungen wichtiger als der Schutz der Soldatinnen und Soldaten, die den Preis dafür zahlen. Für Olaf Scholz gilt es nun Farbe zu bekennen! Der SPD-Kanzlerkandidat muss beweisen, ob er zur Bundeswehr steht oder den Ideologen in seiner Partei endgültig klein beigibt.“

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schließlich twitterte: „Traurige Wahrheit: Walter-Borjans & SPD stellen sich erneut gegen die Bundeswehr und ihre Soldatinnen & Soldaten. Das ist nicht nur eine staatspolitische Bankrotterklärung, die alte Tante SPD ist endgültig entbehrlich geworden. Ein sicherer Staat ist nur noch ohne sie zu machen.“

In der „Welt“ kritisierte Thorsten Jungholt die Haltung des SPD-Chefs: „Das ist so durchschaubar wie feige. Durchschaubar, weil Walter-Borjans die SPD mit Blick auf den Wahlkampf im kommenden Jahr sicherheitspolitisch auf Grün-Rot-Rot trimmen will. (…) Feige ist es, weil der SPD-Chef nicht klipp und klar sagt, dass er gegen Drohnen ist, sondern darauf pocht, eine bis ins wirklich letzte Detail geführte Debatte fortführen zu wollen. Es gibt keine neuen Argumente mehr, die SPD muss sich einfach nur entscheiden: für den Schutz der eigenen Soldaten mit diesem Waffensystem. Oder eben an der Seite der Linken aus grundsätzlich ideologischen Gründen dagegen.“

Oberstleutnant Wüstner: „Für viele unserer Mitglieder drängt sich der Eindruck auf, dass es Herrn Walter-Borjans nicht um die Sache geht, sondern vielmehr um taktische Manöver mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl. Leib und Leben der Soldatinnen und Soldaten sind allerdings denkbar ungeeignet als Einsatz für solche Spielchen.“

Unterm Strich bleibt wahr, was Wüstner seit Jahren erklärt: „Die Bundeswehr braucht bewaffnete Drohnen. Je schneller desto besser, denn es ist schließlich auch eine ethische Verpflichtung für den bestmöglichen Schutz der Soldatinnen und Soldaten zu sorgen.“

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